Vatikan Kreuzwegandacht 2011
Rom, Benedikt XVI. Karfreitag 2011
Meditationen und Gebete von Sr. Maria Rita Piccione, O.S.A.
Vorsitzende der Föderation der Augustinerinnen Italiens
“‘Madonna del Buon Consiglio’”
Vorwort
“Wenn jemand von weitem die Heimat sähe und zwischen ihr und ihm das Meer läge, dann sähe er zwar, wohin er gelangen muss, wüsste aber nicht wie. Genauso geht es uns … Wir erspähen das zu erreichende Ziel, doch dazwischen liegt das Meer dieser unserer Zeit … Damit wir nun auch das Boot zur Überfahrt hätten, ist von dorther Derjenige gekommen, zu dem wir gehen wollten … und Er hat uns das Holz besorgt, mit dem wir das Meer überqueren können. Denn niemand kann das Meer dieser Zeit überqueren, wenn er nicht vom Kreuz Christi getragen wird … Verlasse [also] das Kreuz nicht, dann wird es dich tragen.“
Diese Worte des heiligen Augustinus aus seinem Kommentar zum Johannesevangelium (2,2) führen uns in das Gebet des Kreuzwegs ein.
Der Kreuzweg will nämlich diese Gebärde, uns im Meer des Lebens an das Holz des Kreuzes Christi zu klammern, in uns neu beleben. Er ist also nicht eine bloße Praxis der Volksfrömmigkeit mit sentimentalem Einschlag; er drückt das Eigentliche christlicher Erfahrung aus: “Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach” (Mk 8,34).
Aus diesem Grund geht der Heilige Vater an jedem Karfreitag erneut den Kreuzweg vor und mit aller Welt.
Für die Gestaltung dieses Gebetes hat Papst Benedikt XVI. sich in diesem Jahr an die monastische Welt der Augustinerinnen gewandt und Sr. Maria Rita Piccione, O.S.A., die Vorsitzende der Föderation der Augustinerinnen Italiens “Madonna del Buon Consiglio”, mit der Abfassung der Texte betraut.
Sr. Maria Rita gehört zur augustinischen Einsiedelei von Lecceto (Siena) – eine der toskanischen Klausen des 13. Jahrhunderts, der Wiege des Ordens des heiligen Augustinus. Zur Zeit ist sie Mitglied der Comunità dei Santi Quattro Coronati in Rom, wo sich das gemeinsame Bildungshaus für die augustinischen Novizinnen und Professen Italiens befindet.
Nicht nur die Texte sind das Werk einer Augustinerin, auch die Bilder entspringen in Form und Farbe dem weiblichen und augustinischen künstlerischen Empfinden. Sr. Elena Maria Manganelli, O.S.A., aus der Einsiedelei von Lecceto, ursprünglich von Beruf Bildhauerin, ist die Urheberin der Tafeln, welche die einzelnen Stationen des Kreuzwegs illustrieren.
Diese Verflechtung von Wort, Form und Farbe vermittelt uns etwas von der augustinischen Spiritualität, die von der Jerusalemer Urgemeinde her inspiriert ist und auf dem Leben in Gemeinschaft basiert.
Es ist ein Geschenk für alle, zu wissen, daß die Vorbereitung dieses Kreuzwegs aus der Erfahrung von Nonnen hervorgeht, die “gemeinsam leben, denken, beten und sich im Gespräch austauschen”, um es in dem lebendigen und eindrucksvollen Bild zu sagen, mit dem Romano Guardini eine augustinische Mönchsgemeinschaft skizziert hat.
Jede Station bringt in der Anfangszeile unter der klassischen Ankündigung einen ganz kurzen Satz, der den Schlüssel zum Verständnis dieser Station bieten möchte. Wir könnten ihn entgegennehmen in der Vorstellung, er sei von einem Kind gesprochen, gleichsam als einen Hinweis auf die Einfachheit der Kleinen, die es verstehen, das Herz der Wirklichkeit zu erfassen, und als einen symbolischen Raum, in dem die Kirche die Stimme gekränkter und ausgebeuteter Kinder in ihr Gebet aufnimmt.
Das vorgetragene Wort Gottes ist dem Johannesevangelium entnommen, mit Ausnahme der Stationen, die sich auf keinen Evangelientext berufen können oder aber an die anderen Evangelien anknüpfen. Mit dieser Wahl sollte die Botschaft der Herrlichkeit des Kreuzes Christi hervorgehoben werden.
Der biblische Text wird dann durch eine kurze, aber klare, eigene Überlegung kommentiert.
Das an den “demütigen Jesus” gerichtete Gebet – ein Ausdruck, der Augustinus besonders lieb ist (Conf. 7, 18, 24) –, das aber mit der Kreuzigung/Erhöhung Christi das Adjektiv demütig nicht mehr verwendet, ist das Bekenntnis, das die Kirche als Braut an den Bräutigam im Blut richtet.
Dann folgt eine Anrufung des Heiligen Geistes, der unsere Schritte lenkt und die Liebe Gottes in unser Herz gießt (vgl. Röm 5,5): Es ist die apostolisch-petrinische Kirche, die an das Herz Gottes klopft.
Jede Station nimmt eine besondere Spur auf, die Jesus auf dem Kreuzweg hinterlassen hat und der zu folgen die Gläubigen aufgerufen sind. So sind die Schritte, die diesen Weg markieren, Wahrheit, Anständigkeit, Demut, Gebet, Gehorsam, Freiheit, Geduld, Bekehrung, Ausdauer, Wesentlichkeit, Königtum, Selbsthingabe, Mütterlichkeit, schweigende Erwartung.
Die Bildtafeln von Sr. Elena Maria – frei von zusätzlichen Figuren und Motiven, wesentlich in den Farben – zeigen Jesus, allein in seiner Passion, wie er beim Überschreiten der trockenen Erde eine Furche in sie eingräbt und sie mit seiner Gnade benetzt. Ein immer gegenwärtiger Lichtstrahl, der so einfällt, daß er ein Kreuz bildet, verweist auf den Blick des Vaters, während der Schatten einer Taube, der Heilige Geist, daran erinnert, daß Christus „sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat“ (Hebr 9,14).
Mit diesem ihrem Beitrag zum Gebet des Kreuzwegs möchten die Augustinerinnen der Kirche und dem Heiligen Vater Benedikt XVI. ein Geschenk der Liebe darbringen, in tiefer Übereinstimmung mit der vom Augustiner-Orden bekannten besonderen Verehrung und Treue gegenüber der Kirche und den Päpsten.
Wir sind diesen beiden Schwestern, Sr. Maria Rita und Sr. Elena Maria, dankbar, daß sie sich bereit erklärt haben, aus der ständigen Meditation des Wortes Gottes sowie der Schriften des heiligen Augustinus heraus und unterstützt durch das Gebet der Gemeinschaften der Föderation, in aller Einfachheit ihre Erfahrung Christi und des Ostergeheimnisses mitzuteilen, und das in einem Jahr, in dem das Osterfest gerade auf den 24. April, den Tauftag des heiligen Augustinus, fällt.
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