Homilie beim Pontifikalamt am Palmsonntag

 17. April 2011, in der Kathedrale in Chur

Amtliche Mitteilungen – Diözesanbischof

Brüder und Schwestern im Herrn,

das Leiden und Sterben unseres Herrn berührt uns. Es berührt uns wie uns jedes Leiden, jede menschliche Not berührt, solange wir noch menschlich fühlen und empfinden. Doch haben wir dieses Leiden nicht begriffen, wenn wir nicht innewerden, dass es mehr ist als irgend ein menschliches Leiden. Es ist mehr als ein Leiden, welches unser Erbarmen auf sich zieht. Es ist ein besonderes Leiden. Es ist ein einzigartiges Leiden. Es ist ein Sühneleiden, ein Leiden für, für jemand. Es ist ein Leiden für die Menschen. Es ist ein Leiden für uns. Es ist ein Leiden für mich. Es ist ein Leiden, das jeden einzelnen Menschen eigens trifft und betrifft.

Der Evangelist Matthäus hebt diese Wahrheit schon bei der Darstellung des Abendmahles hervor: “Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinket alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.” Matthäus sagt es deutlich. Es ist ein Leiden für viele, für viele Menschen. Das bedeutet, für eine nicht gezählte Menge von Menschen oder für eine nicht zählbare Menge von Menschen. Doch dieses “für viele” will der Evangelist Matthäus genau bezeichnen.

Er will uns genau sagen, was dieses “für” bedeutet. Er sagt es, indem er hinzufügt: “zur Vergebung der Sünden”. Damit wird der hohe Ernst des Todes unseres Herrn hervorgehoben. Der Herr stirbt, damit uns die Sünden vergeben werden können. Ohne dieses vergossene Blut gibt es keine Vergebung der Sünden. Da kann sich keiner von uns ausnehmen. Denn wir alle sind von der Sünde betroffen. Wir alle sind Sünder.

Schlimm ist es deshalb für den Menschen, wenn er das Bewusstsein der Sünde verliert. Er kann es dann nicht mehr ermessen, was der Tod des Sohnes Gottes bedeutet, und er kann sich nicht mehr unter das sündenvergebende Blut des Herrn stellen, um Vergebung seiner Sünden zu erwirken und das ewige Heil zu erlangen.

Der Verlust des Sündenbewusstseins geht immer einher mit dem Verlust des Gottesbewusstseins. Der Mangel an Sündenbewusstsein ist ein Mangel an Gottesbeziehung, ein Mangel an Glauben. Dann hat auch der Tod unseres Herrn – sein vergossenes Blut – keine Bedeutung mehr, und der Weg zur Erlösung wird verbaut.

Ein zweites Mal hebt der Evangelist Matthäus den Wert des Blutes unseres Herr – also seines Sühneleidens – hervor, nämlich bei der erschütternden Schilderung von Judas’ Ende: “Er brachte den Hohenpriestern und den Ältesten die dreissig Silberstücke zurück und sagte: Ich habe gesündigt, ich habe euch unschuldiges Blut ausgeliefert … (und er warf) die Silberstücke in den Tempel … Die Hohenpriester nahmen die Silberstücke und sagten: Man darf das Geld nicht in den Tempelschatz tun, denn es klebt Blut daran” (Mt 27,3-6). Das Blut Jesu ist das Blut eines Unschuldigen, es ist das Blut des schuldlosen Lammes. Auf diese Weise sagt uns der heilige Matthäus: Es ist Blut, welches die Vergebung der Sünden zu erwirken vermag. Denn nur unschuldiges Blut kann uns von Schuld befreien. Viele haben Mühe, diese Wahrheit anzunehmen. Wir nehmen sie als Gottes Verfügung entgegen und beten in Verehrung des Blutes unseres Herrn umso inniger (aus dem Hymnus “Adoro te devote” von Thomas von Aquin): “Gleich dem Pelikane starbst du, Jesu mein; wasch in deinem Blute mich von Sünden rein. Schon ein kleiner Tropfen sühnet alle Schuld, bringt der ganzen Erde Gottes Heil und Huld”. Amen.

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