Realitätsfremd
Bistum Chur: “Dem Bischof die Finanzen sperren”
Neue Luzerner Zeitung, Interview Christoph Reichmuth
Im Bistum hängt der Haussegen wieder einmal schief. Der Reformtheologe Hans Küng rät dazu, den Druck auf den Bischof aufrechtzuerhalten.
Hans Küng, Bischof Huonder sucht nach den Turbulenzen der letzten Wochen Rat direkt in Rom. Der Bischof selbst räumt ein, die Bistumsleitung habe “kein Bild der Einheit” vermittelt. Wie schätzen Sie dieses Vorgehen des Bischofs ein?
Hans Küng: Der Bischof wendet sich an die falsche Adresse. Er sollte nicht die römischen Bürokraten konsultieren, die ihn schon bisher falsch beraten haben. Er sollte sich mit seinem Priesterrat zusammensetzen und mit seinen Dekanen sprechen und Lösungen suchen. Die Unterstützung von Dekanen ist für einen Bischof sehr wichtig. Wenn ein Bischof mit den eigenen Dekanen nicht mehr zurechtkommt, sollte er zurücktreten.
Was sollte Rom tun?
Küng: Vielleicht sollte man Bischof Huonder nahelegen, sich als Generalvikar bei Bischof Wolfgang Haas im Erzbistum Liechtenstein zu melden.
Glauben Sie, dass der Papst den Bischof weiter halten kann?
Küng: Rom kann in solchen Fällen sehr widerspenstig sein. Nur wenn der Druck aus dem Bistum Chur stark bleibt, kann sich etwas bewegen.
Der Sprecher der Biberbrugger Konferenz meint, nun sei es langsam an der Zeit, dass der Bundesrat beim Vatikan in Rom in der Causa Huonder interveniert. Eine gute Idee?
Küng: Die Landesregierung wird unter normalen Umständen bei innerkirchlichen Angelegenheiten nicht intervenieren. Das wäre nur im äussersten Notfall angebracht, wenn der Streit im Bistum zu einer echten Krise des staatskirchenrechtlichen Systems führt, welches ja von diesen Traditionalisten in Rom und in der Schweiz in Frage gestellt wird.
Welchen Einfluss auf den päpstlichen Personalentscheid hat eine Institution wie die Biberbrugger Konferenz respektive die Dekane?
Küng: Der “niedrige” Klerus hat in Rom meist nichts zu sagen.
Nichtsdestotrotz sucht die Biberbrugger Konferenz das direkte Gespräch in Rom.
Küng: Ich an ihrer Stelle würde mir diese Reise sparen.
Wie soll es weitergehen?
Küng: Das hängt jetzt ganz stark von der eidgenössischen Widerstandskraft ab. Man muss den Druck auf den Bischof und auf Rom aufrechterhalten. Unter Umständen muss die kantonale Synode beschliessen, dem Bischof die Finanzen zu sperren.
Im Bistum Chur werden die Bischöfe direkt in Rom vorgeschlagen, im Bistum Basel hingegen darf das Domkapitel Bischofskandidaten vorschlagen. Muss Chur den Wahlmodus anpassen?
Küng: Ich würde in der Tat den Wahlmodus des Bistums Basel für Chur vorziehen, aber das würde zu einem komplizierten Verfahren mit dem Vatikan führen, wenn Chur das Verfahren ändern wollte.
Kann es sein, dass Bischof Huonder von sich aus den Bettel hinwirft?
Küng: Im Bistum Chur braucht es noch sehr viel Widerstandskraft, damit der Bischof zur Besinnung kommt. Er sollte sich ein Beispiel nehmen am Bischofskandidaten Gerhard Maria Wagner im österreichischen Bistum Linz, der auf Druck von Klerus und Volk von seiner Kandidatur zurückgetreten ist.
Hans Küng (82) ist emeritierter Professor für Ökumenische Theologie und Autor.
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