Ist es Sache einer Kantonalkirche einen Bischof an die Wand zu drängen?

Werner Inderbitzin: “Jetzt muss uns der Bundesrat helfen”

Anm. Redaktion: Altes Spiel in neuem Gewand

Neue Luzerner Zeitung, Interview Christoph Reichmuth

Bistum Chur – Die Fronten bleiben verhärtet, eine Lösung zeichnet sich nicht ab. Jetzt erwägen die Kantonalkirchen, die Landesregierung in Rom vorstellig werden zu lassen.

Werner Inderbitzin, Bischof Vitus Huonder sucht nach den seit Wochen anhaltenden Querelen im Bistum Chur Rat in Rom. Ist der Bischof überfordert?

Werner Inderbitzin*: Dieses Vorgehen kann man unterschiedlich interpretieren. Deutlich geworden ist nun, dass der Bischof erkannt hat, dass die Situation im Bistum verworrener und schwieriger ist, als er sich das vorgestellt hat. Was die Gespräche in Rom ergeben werden, ist offen. Ich hoffe aber, dass Rom nicht nur die eine Seite anhören wird.

Das heisst, dass die Biberbrugger Konferenz – die Vereinigung der Kantonalkirchen des Bistums Chur – an ihrem Gespräch in Rom festhält?

Inderbitzin: Wir werden am 8. März darüber diskutieren, wie wir auf die neueste Krise reagieren wollen. Eine Möglichkeit ist, in Rom eine apostolische Visitation anzufordern, welche die Vorgänge im Bistum untersucht. Alle Optionen sind offen.

Der Surseer Reformtheologe Hans Küng sagt im Interview mit unserer Zeitung (Ausgabe von gestern), Ihre Konferenz könne sich die Reise nach Rom sparen. Der «niedrige» Klerus habe im Vatikan nichts zu sagen.

Inderbitzin: Es ist nicht unbedingt die Meinung, dass wir persönlich nach Rom reisen, sondern dass wir mit den entsprechenden Stellen in Rom in Kontakt treten können. Inzwischen ist mir auch klar, dass nicht die Biberbrugger Konferenz die Abberufung des Bischofs erwirken kann. Wir haben keine Stimme in Rom, insofern stimme ich Hans Küng zu.

Führt kein Weg an der Abberufung von Bischof Vitus Huonder vorbei?

Inderbitzin: Ich kann nicht für die Biberbrugger Konferenz sprechen, aber ich persönlich sehe keine ruhige Zukunft in unserem Bistum ohne einen Wechsel in der Bistumsleitung.

Aber Sie glauben nicht, dass Sie Unterstützung im Vatikan finden werden.

Inderbitzin: Es wäre einfach gut, wenn Bischof Huonder in Rom den Rat erhielte, er solle sein Amt zur Verfügung stellen. Oder Rom sollte ihm im Vatikan einen neuen Posten zuhalten. Das wäre die beste Lösung, die es geben könnte. Aber eben: Daran glauben mag ich nicht. Deshalb müssen wir jetzt schauen, dass der Bundesrat uns zu Hilfe eilt.

Was heisst das?

Inderbitzin: Die Probleme mit Bischof Wolfgang Haas haben CVP-Bundesrat Flavio Cotti seinerzeit zur Intervention beim Vatikan veranlasst, um Bischof Wolfgang Haas ins Ausland abzuschieben. Meiner Meinung nach ist ein solch drastischer Schritt auch im Falle Vitus Huonder wieder notwendig. Wenn Generalvikar Martin Grichting meint, die Kirchensteuer gehöre abgeschafft und damit die Kirchgemeinden und Kantonalkirchen in ihrer Macht beschneiden will, dann ist der Religionsfriede gestört. Und in einem solchen Fall muss die Politik aktiv werden. Bei einer Intervention der Landesregierung wird Rom am ehesten hellhörig.

Wie wollen Sie das erreichen?

Inderbitzin: Der Weg führt über die Regierungen unserer Kantonskirchen. An unserer Sitzung vom 8. März könnten wir eine Forderung zuhanden der Kantonsregierungen stellen. Diese wiederum sollen das zuständige Departement – also das Aussendepartement von Micheline Calmy-Rey – dazu auffordern, beim Vatikan in der Causa Huonder zu intervenieren. Bis vor wenigen Tagen hatten wir noch das Gefühl, den Bundesrat einzuschalten sei wirklich nur der äusserste Schritt, aber ich denke, dass es nun an der Zeit ist, eine konzertierte Aktion gegen unseren Bischof zu starten.

Sucht der Bischof den Rat in Rom aus eigener Initiative, oder glauben Sie, dass der Vatikan Druck auf Huonder ausübt?

Inderbitzin: Ich gehe davon aus, dass Rom bereits bei der umstrittenen Frage nach einem zweiten Weihbischof Martin Grichting intervenierte. Rom, aber auch Bischof Huonder gingen davon aus, dass nach dem Verzicht auf die Ernennung eines zweiten Weihbischofs Ruhe im Bistum einkehren werde. Eine klare Fehleinschätzung. Die Probleme sind nicht rein personeller Natur.

Sondern?

Inderbitzin: Nun drücken ja auch die Dekane und die Professoren ihre Sorge aus. Im Bistum Chur scheiden sich die Geister am traditionellen Kirchenbild des Bischofs, das klar nur die hierarchischen Strukturen akzeptiert und nach dem Credo «Wer mir nicht gehorcht, ist nicht katholisch» funktioniert.

Wie lange wird Bischof Huonder von Papst Benedikt noch gestützt?

Inderbitzin: Ich zweifle, dass es rasch zu einer Lösung kommen wird. Der Vatikan wird nicht freiwillig zugeben, dass es im Bistum Chur zu einer Fehlbesetzung gekommen ist. Alleine wir können den Druck auf Rom und den Bischof hoch halten.

* Werner Inderbitzin ist Sprecher der Biberbrugger Konferenz, die Vereinigung der Kantonalkirchen des Bistums Chur.

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