Japans Kaiser schweigt zur Katastrophe
Tokio Tag vier nach der Katastrophe im Norden Japans.
rp.online.de, von Britta Krauss, 16.03.2011
Während Premierminister Naoto Kan die Bevölkerung zur Geschlossenheit aufruft und sein Kabinettssekretär Yukio Edano die Menschen fast rund um die Uhr mit Informationen versorgt, ist von einer Person in der Öffentlichkeit bislang noch nichts zu sehen: dem Tenno.
Der japanische Kaiser Akihito (77) hat sich bislang weder selbst geäussert noch das Katastrophengebiet besucht. Lediglich das Kaiserliche Hofamt meldete sich zu Wort und verkündete, dass man sich an den Stromsparmassnahmen beteilige – und dass man die jedes Jahr zum Kirschblütenfest geplante grosse Gartenparty diesmal abgesagt habe.
“Der Tenno wird in die Katastrophengebiete reisen”, ist sich der Japan-Historiker Peter Pantzer von der Universität Bonn sicher. Aber wie in Kobe nicht sofort, sondern vermutlich erst nach einer Woche: “Und zwar dann, wenn er sich sicher sein kann, dass er den Aufräumarbeiten nicht im Weg steht. Die Hilfe von Soldaten und anderen Organisationen ist effektiver, als wenn ein Tenno über die Trümmer steigt.” Zudem würde das strenge Protokoll eines solchen Besuches nur stören, statt die Leute aufzubauen. Diese Zurückhaltung mag im Ausland für Verwunderung sorgen, in Japan jedoch nicht. Man ist daran gewöhnt, den Kaiser und seine (ehemals bürgerliche) Gattin Michiko selten zu Gesicht zu bekommen. Sich in den Vordergrund zu drängen, ist nicht des Kaisers Art – “auch wenn es ihn wahrscheinlich drängt, zu den notleidenden Menschen zu fahren”, sagt Peter Pantzer. Gleichgültig sei ihm die Situation nicht: “Natürlich leidet er mit seinen Landsleuten, er ist mit Leib und Seele Japaner.”
Grundsätzlich nimmt der japanische Kaiser, dessen Hauptfunktion heute nur noch zeremonieller Natur ist, zu innenpolitischen Themen nie Stellung. Lediglich zu öffentlichen Anlässen wie Staatsbesuchen äussert er sich. Und dann auch nie frei, sondern immer vom Papier abgelesen.
“Davon weicht er nie auch nur ein Wort ab”, sagt Peter Pantzer, der den Kaiser vor mehr als zehn Jahren in Bonn und Düsseldorf schon einmal persönlich kennengelernt hat. Der genaue Wortlaut werde in Zusammenarbeit von Kaiserlichem Hofamt und dem Auswärtigen Amt festgelegt und vom Premierminister abgesegnet.
Umso mehr Bedeutung haben seine Ansprachen, wie etwa die in China vor rund 20 Jahren, in der er sich für Japans Taten im Zweiten Weltkrieg entschuldigte. In besonderer Erinnerung ist auch die Bekanntgabe der Kapitulation Japans durch Akihitos Vater Hirohito im Jahr 1945. Damals hörten die Japaner im Radio zum ersten Mal die Stimme ihres Kaisers.
Auch die Möglichkeit, den Palast des Kaisers im Herzen Tokios zu bestaunen, bekommt die Bevölkerung nur zwei Mal im Jahr. Am Neujahrstag und am kaiserlichen Geburtstag, dem 23. Dezember, öffnet er seine Pforten.
Akihito, der seit 1989 auf dem Chrysanthemen-Thron sitzt und der erste Kaiser mit Studienabschluss ist, ist bei den Japanern äusserst beliebt. Bei seinen wohlplatzierten Auftritten im ganzen Land gibt er sich bescheiden, volksnah – nicht gottgleich, wie es seine überlieferte direkte Abstammung von der Sonnengottheit Amaterasu erlauben würde.
Des Kaisers Auftritt hat folglich immer grosse Bedeutung. Wenn er also in naher Zukunft vor die Kameras tritt, dann werden die Japaner genau hinschauen. Und für seine Zurückhaltung dankbar sein.
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