Diesem Hirten fehlt das Gespür für die Herde

Wie lange sollen wir diese systematischen Hetzereien noch stillschweigend hinnehmen?
(Anm. Redaktion)

Zürichsee-Zeitung, Sarah Gaffuri, 05.03.2011

Im Churer Bistum geht es wieder zu wie in den Neunzigerjahren unter Bischof Wolfgang Haas. Nicht nur die katholisch-konservative Haltung des heutigen Bischofs Vitus Huonder erzürnt die Kirchenbasis. Die damit verbundenen personalpolitischen Entscheide – wiederum genau wie im Fall Haas – lösen in einem Grossteil der Katholiken im Churer Bistum höchste Konsternation aus. Und mittlerweile ist fraglich, ob sich der Churer Scherbenhaufen noch zu einem einigermassen glaubwürdigen Ganzen kitten lässt.

Schon die Ernennung des Uzners Marian Eleganti zum regionalen Weihbischof überrumpelte die Zürcher Katholiken. Man hatte damit gerechnet, dass Generalvikar Josef Annen, mit dem man sich bereits gut arrangiert hatte, in die Kränze kommen würde.

Stattdessen wurde den Zürchern ein ihnen unbekannter St. Galler Benediktiner vor die Nase gesetzt. Gleich darauf wurde klar, dass Huonder den staatskirchenkritischen Martin Grichting zum zweiten Weihbischof im Bistum machen wollte. Das stiess dem Kirchenvolk erneut sauer auf. Dann beschied Huonder, es werde jetzt doch keinen zweiten Weihbischof geben. Als aber auch noch der Leiter des Churer Priesterseminars, Ernst Fuchs, im Streit mit dem Bischof den Hut nahm, eskalierte die Situation. Denn erstens wurde bekannt, dass Bischof Vitus in Sachen Priesterausbildung für lateinische Messen einen noch extremeren Kurs fährt als sein erzkonservativer Vorgänger Wolfgang Haas. Und zweitens, dass Weihbischof Eleganti ab sofort den mittlerweile versöhnten Zürchern nicht mehr zur Verfügung steht, sondern das Churer Priesterseminar leiten wird. Erfahren hatte die Leitung der Zürcher Katholiken dies – einmal mehr – aus den Medien.

Schliesslich demissionierte auch der Generalvikar für Graubünden, Andreas Rellstab, nach eigenen Angaben wegen schwerwiegender sachlicher Differenzen mit dem Bischof. Weder Fuchs noch Rellstab gelten als besonders kritische Priester. Die beiden anderen regionalen Generalvikare, Josef Annen (Zürich) und Martin Kopp (Urschweiz), warfen danach dem Bischof öffentlich vor, «zwei unserer besten Leute in kurzer Zeit verheizt» zu haben.

Dass ein Bischof im Alleingang das klerikale Personal seines Bistums verwaltet, ist kirchenrechtlich kein Problem. Aber das Verhalten wird von den Kantonalkirchen als schlechter Stil aufgenommen. Und letztlich fiele Bischof Vitus tatsächlich kein Zacken aus der Krone, vor Entscheidungen mit jenen das Gespräch zu suchen, die die Konsequenzen mittragen müssen. Mit denen er letztlich auch zusammenarbeitet.

Dass diese – Laien wie Geweihte – diesen Umgang nicht mehr hinnehmen wollen, mag rom- und hierarchietreuen Katholiken unverständlich sein. Vor dem Hintergrund des Schweizer Sondermodells mutet es aber seltsam an, dass ein Hirte so wenig Gespür für die Bedürfnisse seiner Herde hat.

Aus den Reihen der Biberbrugger Konferenz, der Vereinigung der staatskirchenrechtlichen Organisationen des Bistums Chur, werden jetzt Rücktritts- und Abberufungsforderungen laut. Werner Inderbitzin, Präsident der römisch-katholischen Kantonalkirche Schwyz und Sprecher der Biberbrugger Konferenz, fand am Mittwoch in einem Interview mit der «Neuen Luzerner Zeitung» deutliche Worte. Im Bistum Chur sehe er keine ruhige Zukunft ohne Wechsel in der Bistumsleitung.

Damit liegt Inderbitzin vermutlich richtig, denn dass Huonder nach dreieinhalb Jahren im Amt seinen Stil gross ändern wird, ist nicht wahrscheinlich. Dass er sich nun in Rom Rat holt, mag nach Dialogbereitschaft klingen. Die geplante Einberufung des eigenen Priesterrats sagte Huonder aber gleichzeitig ab.

Die Frage bleibt: Wer käme nach Huonder? In spätestens sechs Jahren muss der dannzumalige 75-Jährige zurücktreten. In verschiedenen Kreisen wird spekuliert, der 44-jährige Grichting stehe in Startposition für die Nachfolge. Er ist nicht nur viel jünger als die Konkurrenten Annen und Kopp, sondern auch Stellvertreter des Bischofs. Doch damit wäre wohl die Abspaltung mindestens der Zürcher, Schwyzer und Glarner Katholiken besiegelt. Wenn der Vatikan das Schisma verhindern will, setzt er jetzt deutliche Zeichen. Zum Beispiel mit der Abberufung Huonders. Und dem Einsetzen eines Mannes ins Bischofsamt, der es schafft, Brücken zu bauen. In Frage kommt fast nur ein völlig neuer Kopf, verfahren, wie die Situation ist. Oder Marian Eleganti: Der vormalige Uzner Abt aus der konservativeren Ecke hat es in Jahresfrist geschafft, auch die Zürcher von seiner Zugänglichkeit zu überzeugen.

Sieht Rom von sich aus nicht weit genug, muss der Bundesrat intervenieren – wie im Fall Haas. CVP-Bundesrat Flavio Cotti wurde damals im Vatikan auf politischer Ebene vorstellig und bewirkte so die Abberufung des umstrittenen Bischofs. Denn die Biberbrugger Konferenz hat in den Headquarters der Katholiken im Gegensatz zu Bischof Vitus keine Stimme.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel