Verzweckt Theologenmemorandum die Missbrauchsopfer?

Nicht die Frage nach dem Willen und Gesetze Gottes steht dahinter
 
Die Krankheit im innersten Kern der Theologie drängt Gott an den Rand und rückt den Menschen an seine Stelle – Solche Theologenforderungen lösen nicht das Problem, sondern sind das Problem. Ein Kommentar von Mag. theol. Michael Gurtner
 
Salzburg, kath.net, 07.02.2011 

Seit einigen Tagen kursiert ein Memorandum mit dem Titel “Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“, welches von Professoren der Theologie initiiert wurde. Um es gleich vorwegzunehmen: wenn man einem Ausländer den Neologismus “fremdschämen” erklären wollte, so würde dieses Schriftstück ein sehr geeignetes Beispiel bieten, anhand dessen man den Begriff anschaulich machen könnte.

Dieses Memorandum ist einerseits keine Überraschung: es sind die alten, liberalen Forderungen nach einer Protestantisierung der katholischen Kirche. Aus dem Memorandum spricht nicht Theologie, nicht die Frage nach dem Willen und Gesetze Gottes steht dahinter, sondern es ist eindeutig auf soziologischen Grundgedanken aufgebaut, welche die gestellten Forderungen nicht von Gott her ableiten, sondern aus der Gesellschaft und dem dort herrschenden mainstream, der nicht mehr nach dem Willen des Schöpfers zu fragen bereit ist. Der Mensch und dessen Wollen steht im Mittelpunkt, nicht aber Gott wie es sich für einen Theologen geziemen würde.

Die einzelnen Forderungen, welche allesamt hinlänglich bekannt sind, sind die Symptome einer tieferliegenden Krankheit im innersten Kern der Theologie: der Anthropologisierung der Theologie, welche Gott an den Rand drängt und den Menschen dorthin rückt, wo im Denken und Ringen des Theologen einst Gott stand. Die einzelnen Forderungen sind allesamt in sich schon skandalös geblieben, solange sie auch schon erhoben werden mögen.

Doch dieses Mal geht man einen Schritt weiter, ein weiterer, himmelschreiender Skandal gesellt sich hinzu. Im Wesentlichen sehe ich drei Punkte, welche, abgesehen von den einzelnen Inhalten selbst, absolut beschämend und skandalös sind:

1) Opfer sexuellen Missbrauchs werden für die eigenen Anliegen als Argumente vorgeschoben und man benutzt, um nicht zu sagen: man missbraucht die Not und das Leid derer, welcher durch sexuellen Missbrauch durch Glieder der Kirche und auch des Klerus viel Schreckliches erlitten haben, um einmal mehr die eigenen Interessen durchzusetzen. Solches ist zutiefst beschämend, ja wirklich schockierend.

Denn hier werden Dinge miteinander in Zusammenhang gebracht, welche nicht miteinander in Zusammenhang stehen. Da hilft es auch nicht, wenn man sich mit einem Feigenblatt bedeckt indem man präventiv sagt: “Die tiefe Krise unserer Kirche fordert, auch jene Probleme anzusprechen, die auf den ersten Blick nicht unmittelbar etwas mit dem Missbrauchsskandal und seiner jahrzehntelangen Vertuschung zu tun haben”. Gerade dieser Satz zeigt doch eindeutig, dass die Unterzeichner sehr wohl die Missbrauchsfälle und das Nicht-Erfüllen ihrer jahrzehntelangen Forderungen in Zusammenhang bringen und als deren direkte Folge sehen.

Man macht sich damit die Bestürzung der Menschen zu nutzen, um künstlich einen Druck aufzubauen welcher die Kirchenleitung in die Knie zwingen soll. Das ist nicht jener Respekt, welchen man den Opfern gegenüber erwarten darf und welcher korrekter Weise auch immer eingefordert wird.

Damit ist nicht unterstellt, dass jeder einzelne der Unterzeichner diesbezüglich eine böse Absicht hatte oder ihm das bewusst war. Aber andererseits darf man sich von Akademikern durchaus soviel Verstand und Takt erwarten, dass sie die Grenzen dessen auszuloten imstande sind, was den guten Geschmack überschreitet.

2) Nicht nur die weise Tradition die Kirche sowie diese selbst, sondern sogar Gott wird dafür bezichtigt, seine Kirche in einer Art und Weise gewollt und gezeugt zu haben, dass sie sexuellen Kindesmissbrauch begünstigt. Denn die Forderungen, welche erhoben werden, sind keineswegs lediglich strukturelle, sondern sie gehen tiefer und rühren an die Substanz, sie reichen bis in die gottgefügten Wurzeln der Kirche und des Menschen. Wenn beispielsweise Gott die Ehe ausschliesslich zwischen Mann und Frau gestiftet hat, und auch nur diese Kombination dem Willen des Schöpfers entspricht, es aber gleichzeitig als den sexuellen Missbrauch fördernd angesehen wird, wenn die Kirche klar und deutlich diesen Standpunkt einnimmt, welcher ja als falsch und änderungsbedürftig eingestuft wird, um dem Missbrauch entgegenzuwirken, dann wird Gott selbst auf die Anklagebank gesetzt!

3) Werden mit Gott letztlich auch jene Katholiken auf die Anklagebank gesetzt, welche nicht die im Memorandum aufgestellten Forderungen unterstützen. Es ist eine wirklich infame, wenngleich auch indirekte Unterstellung, dass jene, welche in den im Memorandum angesprochenen Bereichen die traditionelle Lehre der Kirche unterstützen und von dieser überzeugt sind, dadurch Strukturen fördern und unterstützen, welche sexuellen Missbrauch fördern. Dieser indirekte Angriff ist keine Bagatelle, da er sehr, sehr schwerwiegend ist: es bedeutet nichts anderes, als mindestens indirekt an Verbrechen mitzuwirken, welche zu den schlimmsten überhaupt gehören.

Oder um es auch einmal konkret zu machen: ich weiss jetzt, wie mindestens drei meiner ehemaligen Professoren, welche dieses Manifest bislang mit unterzeichnet haben, über mich denken: dass ich durch meine theologische Position eines der schlimmsten Verbrechen mit unterstütze.

Das, was diese drei Punkte so schwerwiegend und skandalös macht, ist die Tatsache, dass durch eine falsche, inexistente Kausalverknüpfung einerseits wirkliche Opfer für die eigenen Ideen herhalten müssen, und andererseits unschuldige Menschen, ja letztlich sogar Gott selbst zu Mittätern abgestempelt werden. Man spricht immer von Dialog (ob das nicht doch schon etwas zäh und langweilig ist, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt), verhindert aber zugleich, dass dieser wirklich, wie gefordert, offen geführt wird, weil man automatisch ins “verdächtige Eck” gedrängt wird, sobald man anderer Meinung ist als das Manifest.

Zum Abschluss sei noch ein kurzes Wort auf die Krisen–Thematik verwendet:
Dieses Memorandum zeigt doch sehr deutlich, in welchem kirchlichen Geist noch immer in vielen Hörsälen der theologischen Fakultäten doziert wird. Ruhmvolle Ausnahmen gibt es, keine Frage. Aber dennoch erlaubt uns dieses Memorandum auch einen flüchtigen Blick in die Hörsäle und zeigt, welche Haltung zur Kirche, zum depositum fidei, zur Hierarchie und speziell zum Lehramt den Studenten vermittelt wird. Gott wird heute meist vom Menschlichen her gedacht, nicht mehr aber der Mensch vom Göttlichen. Es wird gegen die heilige Mutter Kirche gehetzt, die Studenten werden von vielen ihrer Professoren gegen Papst, Kirche und Weiheamt aufgebracht. Nicht bei jedem Professor. Aber bei zu vielen. Ähnlich sieht die Situation in den Pfarreien aus. Auch hier wird oft und von unterschiedlicher Seite gegen die Kirche agiert, gegen den Papst gehetzt, gegen den Glauben verstossen. Das frustet viele Gläubige, ebenso wie die Lehre meist nicht mehr so dargelegt und stringent erklärt wird, wie sie wirklich ist. Eine do-it-myself-Liturgie, wie man sie in nicht wenigen Pfarreien vorfindet, hat doch für die meisten etwas Abstossendes. Und selbst wenn sie gefiele und die Kirchen voll wären: wo die Wahrheit nicht Mass ist und Gott vom Thron des Kultes geschoben wird, dort nützt auch die volle Kirche nichts, wenn das, wozu die Menschen kommen nicht mehr das uns so ist, was und wie zu sein ihm von Gott zugedacht ist.

Eine immer gottloser werdende Theologie, eine immer banalere und glanzlos erscheinende Kirche mit Klerikern, Berufskatholiken und Laienfunktionären, welche letztlich gegen sich selber ankämpfen, kann wirklich nicht diese innere Anziehungskraft auf die Menschen haben, welche die Familien mit Glauben erfüllt und die Menschen in Scharen in die Pfarreien zieht.

Forderungen wie jene des Manifestes retten nicht aus der Krise sondern sind deren Ursache, sie lösen kein Problem sondern sie sind das Problem.

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