15. Jahrestag des Geweihten Lebens

Benedikt XVI. ruft geweihte Frauen und Männer zu prophetischer Leidenschaft auf 

Rom, zenit.org., 2. Februar 2011

Am Welttag des geweihten Lebens erinnerte Benedikt XVI. an den vorrangigen Dienst aller gottgeweihten Frauen und Männer: eine Lebensführung, in der die vollkommene Hingabe an Gott für alle Welt sichtbar wird.

Am heutigen Nachmittag hat Papst Benedikt XVI. anlässlich des Hochfestes der Darstellung des Herrn im Petersdom die zweite Vesper des Festages gefeiert. Das Fest der Darstellung des Herrn ist auch der Welttag des geweihten Lebens. Es gehört zu den wesentlichen Inhalten des Lehramtes Benedikts XVI., die Bedeutung des geweihten Lebens für die Sendung der Kirche in der Welt und das Zeugnis des Evangeliums hervorzuheben.

Wir veröffentlichen die Ansprache des Papstes in einer eigenen deutschen Übersetzung:

Liebe Brüder und Schwestern!

Am heutigen Fest betrachten wir den Herrn Jesus, den Maria und Josef in den Tempel bringen, “um ihn dem Herrn darzubringen” (Lk 2,22). In dieser Szene enthüllt das Evangelium das Geheimnis des Sohnes der Jungfrau, dem Geweihten des Vaters, der in die Welt kam, um seinen Willen treu zu erfüllen (vgl. Hebr 10,5 -7). Simeon spricht von ihm als “ein Licht, das die Heiden erleuchtet” (Lk 2,32) und kündigt mit prophetischen Worten das grosse Opfer an, das er Gott darbringen wird und seinen endgültigen Sieg (vgl. Lk 2,32-35). Es ist das Aufeinandertreffen der beiden Testamente, des Alten und Neuen. Jesus kommt in den antiken Tempel Gottes. Er ist der neue Tempel Gottes: Er kommt, um sein Volk zu besuchen, damit es zur Erfüllung des Gehorsams gegenüber dem Gesetz und der Eröffnung der endgültigen Zeit des Heils komme.

Es ist interessant, genauer den Einzug des Jesuskindes in das Heiligtum des Tempels zu beobachten, der in ein grosses “Hin und Her” von so vielen Menschen getragen wird, die ihren Verpflichtungen nachgehen: die Priester und Leviten mit ihren Dienstplänen, die Zahl der Gläubigen und Pilger, die dem Heiligen Gott Israels begegnen wollen. Niemand von ihnen merkt irgendetwas. Jesus ist ein Kind wie die anderen, der älteste Sohn seiner Eltern,  die beide sehr einfach sind. Auch die Priester sind nicht fähig, die Zeichen der neuen und einzigartigen Gegenwart des Messias und Erlöser zu begreifen. Nur zwei Greise, Simeon und Anna, entdecken die grosse Neuigkeit. Geführt vom Heiligen Geist, fanden sie im Kind die Erfüllung ihrer langen Zeit des Wartens und Ausschauhaltens. Beide betrachten das Licht Gottes, der kam, um die Welt zu erleuchten, und ihre prophetische Vision öffnet sich auf die Zukunft hin, wie es in der Ankündigung des Messias heisst: “Lumen gentium zu revelationem” (Lk 2,32). Die prophetische Hoffnung der beiden Greise und des ganzen Alten Testamentes, gibt der Freude über den Erlöser Ausdruck. Beim Anblick des Kindes, wissen Simeon und Anna, dass es sich um Ihn, den Verheissenen handelt.

Die Darstellung Jesu im Tempel ist ein beredtes Bild für die Ganzhingabe des  eigenen Lebens, denn Männer und Frauen sind aufgerufen, in der Kirche und in der Welt durch die evangelischen Räte “das charakteristische Merkmal Jesu, der keusch, arm und gehorsam lebte” (Apostolisches Schreiben, Vita consacrata, 1) wiederzugeben. Heute feiern wir den Tag, den der  Ehrwürdige Johannes Paul II. zum jährlichen “Welttag des geweihten Lebens” bestimmt hat. In diesem Zusammenhang richte ich einen herzlichen Gruss an Monsignore João Braz de Aviz, den ich vor kurzem Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften apostolischen Lebens berufen habe, und danke ihm zusammen mit seinem Sekretär und Mitarbeitern. Mit Zuneigung grüsse ich die anwesenden Generaloberen und alle Personen des geweihten Lebens.

Lassen Sie mich drei kurze Überlegungen zu diesem Festtag  anbringen:

Die erste: Das Bild der Darstellung Jesu im Tempel, das uns das Evangelium präsentiert,  enthält als grundlegendes Symbole, das Licht. Ein Licht, das, von Christus her auf Maria und Josef, Simeon und Anna scheint und durch sie alle strahlt. Die Kirchenväter haben dieses “Durchstrahltwerden” auf ihrem spirituellen Weg erlebt. Das geweihte Leben drückt diese Dynamik, vor allem als “Philokalia”, als Liebe zur Schönheit Gottes, als Abbild der Güte Gottes aus (vgl. ebd., Nr. 19). Auf dem Antlitz Christi erstrahlt das Licht dieser Schönheit. “Wie die drei auserwählten Apostel, so betrachtet die Kirche das verklärte Antlitz Christi, um sich im Glauben zu stärken und die Ohnmacht vor seinem entstellten Antlitz am Kreuz nicht zu riskieren. Im einen wie im anderen Fall ist sie die Braut, die vor dem Bräutigam steht, die an seinem Geheimnis teilhat und von seinem Licht eingehüllt ist. Von diesem Licht werden alle ihre Söhne und Töchter erreicht, die alle in gleicher Weise berufen sind, Christus zu folgen,… aber eine einzigartige Erfahrung des von dem fleischgewordenen Wort ausgestrahlten Lichtes machen mit Sicherheit jene, die zum geweihten Leben berufen sind. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten bestimmt sie nämlich zum Zeichen und zur Prophetie für die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern sowie für die Welt.”(ebd., 15).

Zweitens deutet das Bild des Evangeliums die Weissagung aus, die die Gabe des Heiligen Geistes ist. Simeon und Hanna, betrachten das Christkind, und sehen in ihm sein Los: Tod und Auferstehung für das Heil aller Völker. Sie verkünden es als Geheimnis einer universellen Erlösung.

Das geweihte Leben ist zu einem solchen prophetischen Zeugnis berufen, weil es sich aus dem  Zusammenspiel des sowohl kontemplativen und aktiven Lebensstiles ergibt. Für Personen des geweihten Lebens ist es in der Tat vorgegeben, die Vorherrschaft Gottes und die Leidenschaft für das Evangelium zu demonstrieren und dies als ein Leben und eine Botschaft für die Armen und Geringen der Erde zu leben. Kraft dieser Vorrangstellung darf nichts über die persönliche Liebe zu Christus und zu den Armen, in denen er lebt, gestellt werden. Die wahre Prophetie entsteht aus Gott, aus der Freundschaft mit ihm, aus dem aufmerksamen Hören seines Wortes in den verschiedenen geschichtlichen Gegebenheiten (ebd. Nr. 84). Auf diese Weise zeigt das geweihte Leben, in seinem täglichen Leben auf den Strassen der Menschheit, wie das Evangelium und das Reich Gottes bereits präsent und aktiv ist.

Drittens zeigt das Evangelium von der Darstellung Jesu im Tempel die Weisheit von Simeon und Hanna, die Weisheit eines Lebens, das ganz auf die Suche nach Gottes Antlitz gerichtete ist. Es sucht seine Zeichen, seinen Willen, ein Leben das dem Hören und der Verkündigung seines Wortes geweiht ist. “Faciem Tuam, Domine, requiram”- “Dein Angesicht, Herr, such ich (Ps 26,8) … Das geweihte Leben ist in der Welt und der Kirche das sichtbare Zeichen dieser Suche nach dem Angesicht des Herrn und all der Wege, die zu ihm führen (vgl. Joh 14,8) … Geweihte Menschen bezeugen durch ihre fröhliche und hingegebene Verpflichtung, von der Erforschung und Weisheit des göttlichen Willens” (vgl. Kongreg. für die Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften apostolischen Lebens, Instruktion. Der Dienst der Autorität und der Gehorsam. Faciem requiram Tuam Domine [2008], 1).

Liebe Brüder und Schwestern, hören wir sorgfältig auf das Wort, denn jedes Leben ist aus der Weisheit des Wortes Gottes geboren! Seid Hörer des Wortes, durch die “lectio divina”:

Denn es ist wahr, dass das Geweihte Leben “aus dem Hören auf das Wort Gottes” hervorgeht und das Evangelium als seine Lebensnorm annimmt. Das Leben in der Nachfolge des keuschen, armen und gehorsamen Christus ist daher eine “lebendige Exegese” des Wortes Gottes. Der Heilige Geist, in dessen Kraft die Bibel geschrieben wurde, ist derselbe, der die Gründer und Gründerinnen das Wort Gottes in einem neuen Licht sehen liess. Diesem Wort entspringt jedes Charisma, und jede Ordensregel will sein Ausdruck sein. So entstanden Wege christlichen Lebens, die von der Radikalität des Evangeliums geprägt sind. (Apostolisches Schreiben Verbum Domini, Nr. 83)  

Wir leben heute, vor allem in den stärker entwickelten Gesellschaften, einen Zustand, der oft durch eine radikale Pluralität gekennzeichnet ist; hinzu kommen eine fortschreitende Verdrängung der Religion aus der Öffentlichkeit, und ein Relativismus, der die zentralen Werte angreift. Dies erfordert, dass unser christliches Zeugnis leuchtend und beständig ist und dass unsere pädagogische Arbeit aufmerksam und grosszügig ist. Besonders euer apostolisches Wirken, liebe Brüder und Schwestern, ist eine Lebensaufgabe, die euch dazu verpflichtet, mit unablässiger Leidenschaft, die Weisheit und Wahrheit als Schönheit, “Glanz der Wahrheit” zu verkünden. Bemüht euch euer Leben aus der Weisheit zu orientieren und mit Vertrauen in die unerschöpflichen Möglichkeiten der wahren Bildung und Intelligenz die Herzen von Männern und Frauen unserer Zeit mit dem “guten Leben des Evangeliums” zu erleuchten.

In diesem Moment gehen meine Gedanken mit besonderer Zuneigung zu allen Ordensmännern und Ordensfrauen auf der ganzen Erde, und ich vertraue sie der Heiligen Jungfrau Maria an:

O Maria, Mutter der Kirche

Ich vertraue Dir das ganze geweihte Leben an, hilf Du ihnen zur Fülle des göttlichen Lichtes:

dass sie aus dem Hören des Wortes Gottes leben mögen, mit Demut Jesus deinem Sohn, unserem Herrn folgen, und aus dem Empfang der Gaben des Heiligen Geistes, der täglichen Freude des Magnificat leben, denn die Kirche ist auf der Heiligkeit des Lebens dieser Söhne und Töchter gebaut, auf das Gebot der Liebe. Amen.

Vita-Consecrata: Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Lumen-Gentium: Dogmatische Konstitution über die Kirche
Verbum-Domini: Nachsynodales Apostolisches Schreiben

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