Unruhestifter der Gegenwart: Fundamentalismus und Laizismus

Leitartikel: Madrider Modell von Regina Einig

Tagespost, 03.01.2011

Am Weltfriedenstag hat der Papst die Unruhestifter der Gegenwart benannt: Fundamentalismus und Laizismus. Für Katholiken bleibt Religionsfreiheit der Königsweg zum Frieden. Zur Friedensarbeit der Kirche gehört neben der Analyse die Vorbeugung. Hier ist der Papst auf die Mitarbeit der Ortskirchen angewiesen. Und Ortskirchen auf medienwirksame und zeitgemäße Konzepte.

Wie das konkret aussehen kann, hat das Erzbistum Madrid am Wochenende als Gastgeber des Europa-Treffens christlicher Familien gezeigt. Mehr als eine Million Gläubige rückten mit einer Dankmesse in den Fokus, was es nach Auffassung von Laizisten nicht geben darf: sendungsbewusste christliche Familien. Die gekonnte Vernetzung von Diözesen, geistlichen Bewegungen und Bruderschaften hat Modellcharakter – zum einen, weil sie sich rasch aus dem nationalen Rahmen gelöst hat. Dass in nur vier Jahren aus einer spanischen Initiative eine europäische Institution geworden ist, die in diesem Jahr Gläubige aus acht verschiedenen Ländern zusammengeführt hat, zeigt mehr als deren Kampagnenfähigkeit. Viele christliche Familien sind es schlicht leid, als Angehörige einer aussterbenden Spezies belächelt zu werden. Zum anderen schafft der liturgische Rahmen Distanz zum politischen Alltag.

Zwanzig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs haben sich die familiären Defizite in Europa zwar angeglichen: Abtreibung als Todesursache Nummer eins, Euthanasie, verwahrloste Kinder, vereinsamte Alte, die grassierende Scheidungsmentalität und die wachsende Bevormundung der Eltern durch den Staat sind nicht wegzudiskutieren. Doch nehmen die veröffentlichte Meinung und der Gesetzgeber intakte Familien immer seltener wahr. Eltern und Kinder kommen heute in Nachrichten, Filmen und politischen Debatten vor allem als Subjekte menschlicher Dramen vor. An keiner gesellschaftlichen Institution reibt sich das gesellschaftliche Empfinden für normal und anormal so wund wie an der Familie. Der Protest der Schweizer Bischöfe gegen die vom Bundesrat unlängst vorgeschlagene Streichung der Inzest-Strafnorm aus dem Schweizerischen Strafgesetzbuch veranschaulicht das Dilemma der Kirche: Sie muss in einer Welt, deren soziale Ordnung aus den Fugen geraten ist, die Wahrheit verkünden, und zugleich das Zeugnis der Christen im Auge haben. Eins ohne das andere zu tun wäre eine Unterlassungssünde. Letztlich steht der Kirche heute eine derart geballte Irritationskraft zu Gebote, dass sie sich um mangelnde politische Wirkung keine Sorgen zu machen braucht. In Spanien genügte in diesen Tagen eine von Familienbischof Juan Antonio Reig Pla zitierte familienpolitische Studie, um eine erregte Debatte anzustoßen. Pla hatte auf die Statistik verwiesen, derzufolge Frauen in traditionellen Ehen seltener Opfer von häuslicher Gewalt werden als in anderen Partnerschaftskonstellationen.

Wenige Tage vor Epiphanie, dem Fest, an dem in Spanien die Kinder beschenkt werden, hat die Kirche in Madrid den biblischen Auftrag, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, erfüllt und öffentlich ihre wertvollsten Gaben ausgebreitet: die Sakramente, zeitlos gültige Antworten für Wahrheitssucher, ihr Bekenntnis zur Treue und Zuwendung. Andere Gründe zur Hoffnung hat Europa nicht.

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