Bundestag fordert zum Einsatz für weltweite Religionsfreiheit auf

 Koalitionsvertreter beklagen Christenverfolgung
– Opposition warnt vor wachsender Islamfeindlichkeit

Tagespost, 17.12.2010

Berlin (DT/KNA) Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung mit deutlicher Mehrheit zum Einsatz für Religions- und Gewissensfreiheit aufgefordert. In einer über anderthalbstündigen Debatte beklagten Redner aller Fraktionen Verletzungen der Religionsfreiheit in zahlreichen Ländern weltweit. Koalitionsvertreter legten den Schwerpunkt auf verfolgte Christen; im Irak erlebten viele von ihnen derzeit die Hölle. Lagerübergreifend wurden auch andere verfolgte Gruppen wie die Bahai in Ägypten und im Iran genannt. Redner der Opposition warnten vor wachsender Islamfeindlichkeit in Europa.

Am letzten Sitzungstag vor Weihnachten debattierte das Parlament über drei Anträge der Koalitionsfraktionen, der SPD und der Grünen. Jeweils mit Mehrheit stimmten die Abgeordneten den Vorlagen von Union/FDP und SPD zu. Die Sozialdemokraten fordern in ihrem Papier explizit die Bundesregierung auf, die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates zu wahren und einzelne Religionen oder Weltanschauungen und ihre Anhänger weder in der internationalen Politik noch in der Asylpolitik zu bevorzugen.

Viele der Redner begrüßten ausdrücklich Kirchenvertreter aus dem Irak, der Türkei und Deutschland sowie Bahai, die auf der Besuchertribüne der Debatte folgten. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte vor Bestrebungen der Organisation islamischer Staaten, in internationalen Gremien das Recht auf Religionsfreiheit zu relativieren. Das Bekenntnis zu Religion und die Freiheit, seine Religion wechseln zu können, sei ein universales Menschenrecht. Kauder forderte auch dazu auf, die deutsche Entwicklungshilfe solle kurzfristig gezielt Projekte von Christen im Irak fördern. Das könne ihnen Arbeit und Perspektiven geben. Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD, Christoph Strässer, nannte neben der schwierigen Lage der Christen in Irak und in Indien auch die Verfolgung der Bahai im Iran. Seine Fraktionskollegin Angelika Graf wandte sich explizit gegen „Sonderprogramme“ für Christen im Irak. Das würde diesen Menschen vor Ort letztlich nur schaden. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte, die Suche nach Transzendenz gehöre zum Menschen dazu. Wenn man den Menschen in seiner Religionsfreiheit einenge, „ist die Würde des Menschen existenziell beschränkt“. Zugleich erinnerte er an seinen Vorstoß zu einer Betonung des republikanischen Charakters Deutschlands. Ihm gehe es nicht darum, Republik gegen Religion zu setzen. Republikanische Werte könnten aber die Klammer bilden, damit unterschiedliche Gruppen ihren Glauben frei leben könnten.

Der Religionsbeauftragte der Linksfraktion, Raju Sharma, sagte, Deutschland lasse „in letzter Konsequenz“ Religionsfreiheit nicht zu. Das würde nämlich bedeuten, dass keine Religion „privilegiert wird und alle gleich behandelt werden“. Der Vorsitzende des Bundestags-Menschenrechtsausschusses, Tom Koenigs (Grüne), sagte, auch in Deutschland müsse die Mehrheit verstehen, „dass Minderheiten das gleiche Recht auf Religionsfreiheit haben“. Das sei derzeit nicht gewährleistet. Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) äußerte wie auch die CDU-Abgeordnete Ute Granold Kritik am „diskriminierenden“ Umgang der Türkei mit Christen. Aus einem der Herzländer christlicher Tradition werde bald eine „christenfreie Zone“. Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, seine Fraktion stimme dem Koalitionsantrag zu, weil er „viel Wahres“ enthalte. Bei mehreren Details äußerte er Kritik, weil Union und FDP zu sehr auf die Rolle der Christen abhöben.

Dietmar Nietan (SPD) wandte sich ausdrücklich gegen laizistische Bestrebungen in Deutschland. Ein säkularer Staat sei etwas anderes als ein laizistischer Staat. Manche aktuelle Beiträge erinnerten ihn an „Religionsfeindlichkeit“, sagte er unter Bezug auf Forderungen nach einem Verzicht religiöser Symbole im öffentlichen Raum. Im SPD-Lager organisieren sich derzeit Laizisten als eigene Gruppe.

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