Folgt auf den Dialog eine Synode?
In Magdeburg widmete sich der vierte Dialogprozess dem kirchlichen Grundvollzug Martyria
Deutsche Bischofskonferenz
Synode 72 Als Bündelung aller Kräfte
DBK: Synode 72
Kardinal Marx bat um Geduld. Von Anna Sophia Hofmeister
Magdeburg, Die Tagespost, 15. September 2014
Es gebe nur ein Argument gegen das Christentum, das sich nicht entkräften liesse, sagte einst Gilbert Keith Chesterton: Das seien die Christen. Dass authentisch gelebter Glaube der Prüfstein für die Kirche ist, beschäftigte auch die rund 300 Gäste, darunter 27 Bischöfe, Theologen und Vertreter kirchlicher Verbände, die sich am Freitag und Samstag zum Dialog mit der Deutschen Bischofskonferenz in Magdeburg zusammenfanden.
Es ist das vierte und vorletzte Kapitel des von Erzbischof Robert Zollitsch veranlassten Dialogprozesses, der infolge der aufgedeckten Missbrauchsfälle verlorenes Vertrauen wiederherstellen soll. “Ich bin eine Mission – heute von Gott reden” lautete das Leitwort, nachdem die Veranstaltungen der vergangenen Jahre die anderen Grundvollzüge der Kirche, Diakonia und Liturgia, behandelt hatten. Martyria, Zeugnis zu geben, ist ein drängendes Thema in einer Zeit, in der immer mehr Menschen aus der Kirche austreten und andere nicht mehr recht wissen, warum sie noch Mitglied sind.
In seiner Eröffnungsansprache ging Kardinal Reinhard Marx auf drei “Problemkreise“ ein: die wiederverheirateten Geschiedenen, das kirchliche Arbeitsrecht und die Stellung der Frau. Man ringe “derzeit um konkrete Veränderungen“. Die deutschen Bischöfe hätten bezüglich der wiederverheirateten Geschiedenen bereits ihre Reformvorschläge in Rom mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dem Präfekten der Glaubenskongregation, diskutiert. Im Interview mit der KNA sagte Marx später, dass die Mehrheit seiner Amtsbrüder dabei den Ansichten von Kardinal Walter Kasper zuneige. Die Offenheit des Dialogprozesses bedeute nicht, “dass auch am Ende alles offen bleibt“, fuhr Marx in seiner Ansprache fort. “Ich möchte Ihnen versprechen, dass ich alles dafür tun werde, dass der Gesprächsprozess nicht folgenlos bleibt.“ Die Abschlussveranstaltung des Dialogprozesses wird im September 2015 in Würzburg stattfinden.
Der zum Thema “Ich bin eine Mission“ von Bischof Franz-Joseph Bode (Osnabrück), der mit Bischof Franz-Josef Overbeck (Essen) und Kardinal Reinhard Marx zur Steuerungsgruppe in der Vorbereitung und Durchführung des Gesprächsprozesses gehörte, vorgetragene Impuls wurde vom Plenum mit viel Zustimmung aufgenommen. Bode forderte die Tagungsteilnehmer dazu auf, den eigenen Schatten im Schatten des Kreuzes abzugeben und “burning persons“, brennende Menschen, zu sein, die “statt Angst Vertrauen einflössen“. Heute von Gott zu reden, könne nur mit Herzblut geschehen. Es ginge um unsere Beziehungs-, Zukunfts- und Gottfähigkeit. “Darin sind alle konkreten Fragen enthalten, auch die sperrigen Reizthemen“, die man nicht als solche abtun sollte, da sie Grundsehnsüchte der Menschen offenbarten.
Die darauf folgende, auf Leinwand projizierte Gewissensfrage: “Wenn ich an die Weitergabe unseres Glaubens denke, was schmerzt mich dann besonders?“ sorgte nach kurzem Erstaunen für unerwartete Antworten. Es schmerze, “dass meine Bemühungen in den Gemeinden ohne Antwort bleiben“, “dass meine Kirche nicht auf all die Austritte und eine säkulare Gesellschaft eingestellt ist“, “dass sich meine Kirche selbst im Weg steht“, sagten einige Teilnehmer der Runde. Ein anderer fügte an, es schmerze, dass es keine Orientierung gebe, der Glaubensschwund und der Mangel an Antworten wurden benannt. Eine Mutter sagte, es schmerze, “dass meine Kinder nicht glauben wollen, was ich ihnen vermittle“. Jemand beklagte die Selbstbezogenheit der Kirche. Oder dass Glaube offenbar auch ohne Kirche möglich sei. Eine Frau beschwerte sich über “die Knüppel aus den eigenen Reihen“. Ein anderer sorgte sich um den Leistungsdruck in der Kirche, um ausbrennende Seelsorger. Es schmerze, “dass die Schätze der Kirche von ihr selbst nicht wertgeschätzt werden“. Genauso wie Ungeduld, Freudlosigkeit, mangelnde Aufmerksamkeit und Zuwendung. Ein anderer merkte an, dass die Kirche derart auf Diesseitigkeit bezogen sei. Dass es verschlossene Kirchen gebe. Dass die Mystik verlorengegangen sei. Eine junge Frau sagte, dass ihre Jugendarbeit nicht anerkannt würde. Auch dass die Kirche nicht in der Öffentlichkeit zu finden sei, wurde beklagt.
“Das Motto ‘Ich bin eine Mission‘ ging vielen zu Herzen“, sagte der Augsburger Weihbischof Florian Wörner später gegenüber der “Tagespost“, “es ging wirklich um die Frage, wie wir eine missionarische Umgestaltung der Kirche erreichen. Sehr häufig kam das Bedürfnis, stärker auf Gott zu hören, zum Ausdruck. Ihn zu bitten, dass er uns deutlich macht, wo die Reise hingeht. Ich glaube, das war diesmal stärker zu spüren als in den vergangenen Jahren. Und ich freue mich, dass sich der Applaus für die rein politischen Forderungen doch sehr in Grenzen hielt.“
Das war auch bei der Gruppenarbeit zur Aufgabe “Wenn wir an Glaubensweitergabe denken: Welche Haltung, welches Sprechen und Handeln könnte in unserem Umfeld eine segensreiche Wirkung erzeugen?“ der Fall. Bis auf gelegentlichen Beifall für die Forderungen nach der Laienpredigt verwies das Plenum für die unterschiedlichen Felder kirchlichen Lebens vor allem auf Authentizität, Glaubwürdigkeit, Wachsamkeit, Wahrnehmung von Brennpunkten. Eine klare Positionierung sei dabei genauso wichtig wie aktive Präsenz, Zweckfreiheit, und, über allem, ein Brennen für Gott.
Bischof Overbeck ging nach diesen Impulsen in seiner Zusammenfassung der Ergebnisse erneut auf die “Reizthemen“ ein. Er sehe einen dynamischen Prozess, so der Bischof, der aber nur Schritt für Schritt zu verwirklichen sei. Dazu dürfe man nicht stehen bleiben bei dem, was man kennt. Barmherzigkeit gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen sei ein Annehmen der gebrochenen Wirklichkeit. Manche Bischöfe seien da anderer Meinung, sagte Overbeck, das gelte auch für das kirchliche Arbeitsrecht oder bei Diskussionen um das Weiheamt. Man sei jedoch dabei, wichtige Schritte vorzubereiten. Dabei müsse man akzeptieren, dass es “Verschiebungen“ im kirchlichen Handeln geben werde. “Verkündigung kann nur gelingen, wenn wir verständlich bleiben.“ Menschliches müsse wahrgenommen und in den Mittelpunkt gestellt werden. Die Minderheitenposition der Kirche nehme er als eine Chance wahr, “pluralismusfähiger“ zu werden. Die Magdeburger Tage hätten deutlich gemacht, dass eine Haltungsänderung angesagt sei. Aktion müsse der Kontemplation folgen.
Auch der Präsident des ZdK, Alois Glück, plädierte für eine Haltungsänderung: Die Kirche müsse den von Papst Franziskus eingeschlagenen Weg hin zu einer “hörenden und dienenden Kirche“ weitergehen, wenn sie den Menschen ihre Botschaft verständlich zugänglich machen wolle. “Unsere Kirche wird weitgehend immer noch als eine Institution mit Machtanspruch und mit einer Tendenz zur Bevormundung der Menschen wahrgenommen“, sagte Glück am Ende der Tagung.
Viele Teilnehmer zeigten sich überzeugt, dass der Dialogprozess eine “neue Kultur von Gesprächsbereitschaft“ etabliert habe. Der Provinzial der Salesianer Don Boscos, Pater Josef Grünner, sagte im Gespräch mit dieser Zeitung: “Eine sehr schöne Erfahrung ist das Miteinander hier, die vielen Begegnungen mit engagierten Menschen in der Kirche, von den Bischöfen angefangen bis zu Laien und Ordensleuten.“ Am Rande entstünden gute Gespräche und ein Austausch von Erfahrungen, während in den offiziellen Gesprächsrunden doch eher Allgemeines verhandelt würde. Die Pastoralreferentin Alexandra Lason, 37, fand, dass der Dialogprozess unter seinem Potenzial bleibe. “Es gibt zwar Absichtserklärungen, die aber im Diffusen bleiben“, sagte sie der “Tagespost“. Ihr sei ein Anliegen, den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren. Der Anfang dazu sei in Magdeburg zwar spürbar. “Aber das kann noch konkreter werden“, sagte Lason.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte zu Beginn der Tagung betont, dass man sich nicht allzu sehr in Strukturdebatten verzetteln möge. “Die evangelische Kirche hat all das, was wir hier diskutieren, bereits verwirklicht, aber wie man sieht ist das trotzdem kein Garant für den Erhalt des Glaubens in der Gesellschaft“, sagte er in einem Statement.
In der Schlussrunde des Forums wurde noch einmal Kritik laut. Der Dialogprozess sei in den Pfarrgemeinden oft noch nicht angekommen, hiess es, die Gefahr der Gleichgültigkeit sei hoch, die öffentliche Wahrnehmung gleich Null, weil eben bislang wenig durchgesetzt worden sei. Man sei wieder nur um sich selbst gekreist, doch es müssten konkrete Ergebnisse her. Vielen Wortmeldungen war die Forderung nach einer ersten gesamtdeutschen Synode zu entnehmen, noch mehr aber eine Fortsetzung des Prozesses auch nach 2015.
Bischof Bode meinte in seinem abschliessenden Statement, dass die Dinge nicht dramatisch genug angesprochen worden seien. Kardinal Marx stellte in seinem Schlusswort fest: “Was in Zukunft auf uns zukommt wird uns noch dramatischer bewegen.“ Er bat um Geduld. Das Magdeburger Gremium könne keine Synode ausrufen, “nur weil man gerade ratlos ist“. Gegenüber KNA betonte er, dass auch die Bischöfe ein Interesse an einem kontinuierlichen Austausch mit Theologen sowie Vertretern aus kirchlichen Einrichtungen und Verbänden hätten. Es gelte jedoch zunächst, die Ergebnisse der laufenden Dialoginitiative in einer verbindlichen Form festzuhalten. Der in Magdeburg gesetzte “Doppelpunkt“ müsse nun konkretisiert werden, betonte der Kardinal auf der Abschlusspressekonferenz. Die Ressourcen seien gross. Auf die Nachfrage, wen oder was er genau mit den Ressourcen meine, antwortete er dieser Zeitung: “Die Menschen. Wir haben 24 Millionen Katholiken.“ Nicht alle davon seien aktiv, aber alle seien getauft und fast alle gefirmt. “In ihnen wirkt der Geist Gottes, das ist unsere Überzeugung.“ Er könne nicht sagen, dass die Kirche so schlecht aufgestellt sei. “Zwar ist der Geist manchmal ein bisschen müde geworden und wir blicken nur auf das, was wir nicht haben. Wenn wir aber von den Möglichkeiten ausgehen, die vorhanden sind, entsprechen wir mehr der Pädagogik Jesu, der auch nicht gejammert hat, dass viele Leute wegbleiben. Er hat auf die geschaut, die da sind. Und gesagt: Glaubt doch!”
Ohne auf alle zitierten Fehlleistungen eingehen zu wollen nur stellvertretend: Wenn Bischof Bode ein Bild “Jesu, der auch nicht gejammert hat, dass viele Leute wegbleiben”, hat, möchte er es durch Lektüre von Lk 17,17f korrigieren.
Dient etwa der Dialog nur dazu, dass die je eigenen Vorstellungen gemeinsam in Jesus projiziert werden? Vielleicht wäre der Kirche besser gedient, wenn sich gelegentlich am Wort Gottes orientiert würde …