Ist nur ein kritischer Katholik ein guter Katholik?
Beitrag des “Kölner Stadtanzeigers”
Angesichts eines Beitrages des “Kölner Stadtanzeigers” über den Eucharistischen Kongress fragt man sich: Haben die gläubigen Katholiken in der Öffentlichkeit dasselbe demokratische Recht wie die Vertreter “kritischer Gruppen”? Von Petra Lorleberg
Köln, kath.net/pl, 5. Juni 2013
“Alles was katholische Volksfrömmigkeit aufzubieten hat, kommt einem mit Blick auf das am heutigen Mittwoch in Köln beginnende Gross-Event in den Sinn“. Das schreibt Harald Biskup, Redakteur des “Kölner Stadtanzeigers”, in seinem Beitrag anlässlich der unmittelbar bevorstehenden Eröffnung des Eucharistischen Kongresses.
Beim Stichwort “Eucharistischer Kongress” denke er nicht nur an “Weihrauchschwaden, Heerscharen von Messdienern, wehende Fahnen, Baldachine”, wie er gleich im ersten Satz offenlegt. Sondern auch an “die Monstranz, mit der Priester in wallenden Umhängen sich bekreuzigende und am Strassenrand in die Knie gehende Gläubige segnen.”
“Erwartet Köln ein kirchliches Retro-Spektakel, ein 60er Festival der besonderen Art, das die schöne heile katholische Welt der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil wiederaufleben lässt? Oder das zumindest sehnsüchtige Erinnerungen an unwiderruflich vergangene Zeiten wachrufen will?”, fragt der Redakteur daraufhin in seinem Bericht an prominenter Stelle (Seite 2) und fährt fort: “Nein, sagen die Verantwortlichen, der Eucharistische Kongress glorifiziere keine aus der Mode gekommenen Trends, sondern finde im Hier und Jetzt statt”. Auch wolle die Veranstaltung nach Aussagen der DBK und des Kölner Erzbistums kein “Antikirchentag” sein, “doch indem man den Akzent ausschliesslich darauf legt, ein “grosses Fest des Glaubens‘ zu feiern, und keinerlei kontroverse Themen zulässt, ist der Vorwurf kritischer Gruppen schwerlich zu entkräften, dass am Rhein eine Gegenveranstaltung zu den thematisch weit gefächerten und für die ganze Bandbreite des Katholizismus offenen Katholikentagen ablaufen wird. Zumal Kardinal Joachim Meisner, Initiator des Eucharistischen Kongresses, nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass ihm die Laientreffen nicht behagen. Die Grossveranstaltung zum Ende seiner eigenen Amtszeit dagegen ist ihm ein persönliches Anliegen.”
In Köln werde “sich nicht die katholische Basis versammeln, sondern es werden fromme und zum Grossteil konservativ orientierte Gläubige kommen, die sich ihrer Verbundenheit mit der ‘Kirche von oben‘ und mit Gleichgesinnten versichern“ wollten. Das Festival, vermutet Biskup weiter, “wird repräsentativ sein für jene ‘schweigende Minderheit‘, die sich auf kirchlichen Grosstreffen nicht zu Hause fühlt“, weil sie dort “theologische Beliebigkeit und eine Verwässerung der katholischen Glaubenssubstanz“ wittere. Doch, so überlegt er, werde wohl auch der “Lenkungsausschuss“ des Glaubensfestes, “in dem viele Bischöfe, kaum ‘Laien‘ und noch weniger Frauen“ vertreten gewesen seien, doch “vermutlich realistisch genug“ sein, “die ganz spezielle Katholizität der Kölner Tage als das zu bewerten, was sie sind: als eine absolute Ausnahmeerscheinung“.
Angesichts der Negativfärbung dieser Aussagen fragt man sich, wo genau Herr Biskup das Problem des Eucharistischen Kongresses sieht. Ist hier möglicherweise der katholische Glaube selbst zum Stein des Anstosses geworden? Das ist zunächst natürlich zumutbar, da dies ein normaler Bestandteil demokratischer Meinungsbildung ist und auch praktizierende Katholiken dies aushalten müssen.
Denn selbstverständlich kann die Berichterstattung über den Eucharistischen Kongress Kritik üben. Gerade von der säkularen Presse erwartet niemand ernsthaft, dass sie über dieses katholische Grossereignis nur Jubelberichte und Hofberichterstattung bringen wird. Presse darf auch gegenüber der Katholischen Kirche und ihren praktizierenden Gläubigen ihre wertvollen Aufgaben bei der gesellschaftlichen Meinungsfindung wahrnehmen.
Doch gleichzeitig erhoffen glaubende Katholiken, dass diese Kritik in Fairness vorgebracht wird.
Ja, praktizierende Katholiken müssen sich heute in einer plural gewordenen Welt selbstverständlich der Kritik stellen, die auch via Medien zu ihnen transportiert wird. Und möglicherweise mag sich in dieser Kritik für die Gläubigen ja tatsächlich das berühmte Körnchen Wahrheit enthüllen.
Doch wäre dazu allerdings eine sachliche Argumentation hilfreich.
Beispielsweise lässt Herr Biskup unerläutert, warum die eucharistischen Frömmigkeit einseitig zu Begriffen wie “kirchliches Retro-Spektakel“ “60er Festival“ zugeordnet wird. Oder warum er an anderer Stelle auf Zitate eines Historikers zurückgreift, der in Eucharistischen Kongressen “Triumphelemente“ des 19. Jahrhunderts sehen möchte, als Ausdruck einer Haltung, die sich gegen Liberalismus und Moderne in eine “autoritäre Defensive zurückgezogen hat“. Allein beispielsweise die Veranstaltungen bei den “Geistlichen Gemeinschaften“ könnten durchaus die Vermutung aufkommen lassen, dass auch heutige mündige Katholiken, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen, Bezug zu den katholischen Kernsätzen über die Eucharistie gefunden haben.
Ohne weitere Belege bleibt auch das Urteil des Redakteurs, dass sich in Köln nicht “die katholische Basis versammeln“ werde, sondern es würden “fromme und zum Grossteil konservativ orientierte Gläubige kommen, die sich ihrer Verbundenheit mit der ‘Kirche von oben‘ und mit Gleichgesinnten versichern“ wollten. Handelt es sich hier möglicherweise um eine Denkfigur, die praktizierende, glaubende Katholiken einfach aus der “katholischen Basis“ wegdefiniert? Doch wie sollte aus derartigen Denkfiguren ein konstruktiver Dialog entstehen, in dem “die ganze Bandbreite des Katholizismus“ ihren Platz findet?
So möchte sich Herr Biskup vielleicht nach seiner Kritik nun umkehrt auch fragen, ob jene angemeldeten 40.000 Teilnehmer (mehrheitlich Laien), die er auf dem Kongress sehen wird, möglicherweise inner- und ausserkirchlich dasselbe Recht haben wie die Vertreter “kritischer Gruppen“, deren Recht er in der katholischen Kirche zu verteidigen müssen meint: Nämlich das Recht, dass ihre Anliegen und Wünsche gehört werden.
Oder sollte es am Ende so sein, dass man von den gläubigen katholischen Laien zwar lautstark fordern kann, dass sie sich den Spielregeln der demokratischen Meinungsvielfalt einer stark säkular gewordenen Gesellschaft unterwerfen, sie diese Spielregeln aber keineswegs für sich selbst in Anspruch nehmen dürfen?
Also frei nach dem Motto: Nur ein kritischer Katholik ist ein guter Katholik?
Schreibe einen Kommentar