Die Ego-Kirche macht taub

Zwei berühmte Sätze über die zwei Kirchenbilder

freundeDie Tagespost, 8. April 2013

So viel Beifall war lange nicht. Papst Franziskus erntet für seinen Ruf nach Erneuerung viel Zustimmung. Auch in der Kirche des deutschen Sprachraums. Das ist gut. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Veränderungs- und Reformbedarf haben irgendwie vor allem die anderen. Als Papst Franziskus noch Kardinal Bergoglio war, hat er im Vorkonklave jene inzwischen berühmten Sätze über die zwei Kirchenbilder gesprochen. Die eine Kirche, die aus sich herausgeht und das Evangelium verkündet, stellte er der anderen, der verweltlichten gegenüber, deren Selbstbezüglichkeit krank macht. Diese Rede muss auf die im Vor-Konklave versammelten Kardinäle grossen Eindruck gemacht und mit dazu beigetragen haben, dass mehr als zwei Drittel der Papstwähler in der Sixtina im Laufe des zweiten Konklavetages ihre Stimme genau jenem Mann gaben, dessen rasche Wahl dann einer Sensation gleichkam.

Ganz offensichtlich hat der spätere Papst Franziskus mit seiner dramatischen Warnung vor einer selbstbezüglichen Kirche, die mehr um das Ego ihrer Vertreter als um das Du Gottes kreist, einen überaus wunden Punkt getroffen. Das zeigt nicht nur die grosse Zustimmung der Kardinäle, das zeigen auch die Reaktionen im deutschen Sprachraum. Merkwürdig ist allerdings, dass man die flammenden Worte aus Bergoglios Brandrede hierzulande vor allem auf Rom und die Kurie anwendet: Der Papst bekämpft Dünkel und Eitelkeit im Vatikan. Bravo! Wenn aber vor lauter Beifall der Eindruck erweckt wird, im eigenen Haus stehe alles zum Besten, dann ist der laute Applaus nur eine neue Art, sich taub zu stellen gegenüber dem Anliegen des Heiligen Vaters.

Als Papst Benedikt in Freiburg die Kirche zur Entweltlichung aufrief, wurde hinterher eilig erklärt, was er alles nicht gemeint hat. Nun, da Papst Franziskus genau diesen Kurs fortsetzt, wird schnell bedeutet, wer gemeint ist. Und gemeint sind komischer Weise immer die anderen: die Kurie, der Vatikan, der römische Hofstaat.

Es trifft zu, dass es auch dort Veränderungsbedarf gibt, aber mit dem Finger nach Rom zu zeigen, dort Reformen einzufordern und sich selbst genügsam zurückzulehnen, um den neuen Papst einen guten Mann sein zu lassen, da läuft etwas gewaltig schief. Die selbstbezogene Kirche ist keine Frage von diesseits und jenseits der Alpen. Die Gefahr zur Ichbezogenheit ist in wohlstandsgesättigten, spirituell verarmten Ortskirchen besonders gross. Dem eine geistliche Erneuerung entgegenzusetzen, ist eine Aufgabe, die alle kirchlichen Lager betrifft. Selbstbespiegler und Ego-Zelebranten gibt es links wie rechts. Die selbstreferenzielle Kirche ist auch kein rein klerikales Phänomen, sondern genauso unter Laien anzutreffen. Wo das eigene Licht für die Sonne der Gerechtigkeit gehalten wird, da ersetzen Befindlichkeiten die Theologie und Imagepflege die Verkündigung, da wird das eigene “Ich” gesalbt, statt dem Anderen die Füsse zu waschen. So verliert das Evangelium seinen Glanz und die Kirche ihre Glaubwürdigkeit. Das hat Kardinal Bergoglio wohl gemeint, ehe er als Papst Franziskus das Konklave verliess. Und damit setzt er deutlich die Linie Benedikts fort. Die Antwort darauf kann nicht lauten, was muss sich jetzt in Rom ändern, sondern: Was muss ich jetzt bei mir, was muss sich bei uns ändern.

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