Statement von Generalvikar Dr. Martin Grichting

Sitzung des Corpus Catholicum, 31. Oktober 2012 in Chur

Betreffend die Schwangerschaftsberatungsstelle “adebar”

1. Zuerst möchte ich dem Präsidium des Corpus Catholicum danken, dass es meinen Antrag betreffend die Schwangerschaftsberatungsstelle “adebar” traktandiert und Ihnen diesen Antrag zugestellt hat. Sie können sich so selbst ein Bild machen.

2. Ich möchte gleich eingangs noch einmal betonen, was ich bereits letztes Jahr anlässlich der Sitzung des Corpus Catholicum festgehalten habe: Es ist ein wichtiges Anliegen, Frauen zu helfen, die durch eine Schwangerschaft in eine Notsituation geraten sind. Für dieses Anliegen sollte es meiner Ansicht nach auch mehr finanzielle Mittel geben als lediglich jährlich CHF 15’000, zumal von einer staatskirchenrechtlichen Körperschaft, die gemäss Bilanz 25 Millionen Franken, das Fünffache des eigenen Jahresbudgets, auf dem Konto hat.

3. Sie haben mit meinem Antrag auch einen Gegenvorschlag der Verwaltungskommission erhalten. Dieser sieht vor, den bisher gesprochenen Beitrag an “adebar” weiter auszurichten, aber nur noch für Tätigkeiten von “adebar”, die nicht im Widerspruch stehen zur Lehre der katholischen Kirche über die Bewahrung des Lebens.

Ich lehne diesen Gegenvorschlag ab. Er verlangt von “adebar” etwas, das diese Organisation gar nicht tun darf. Denn “adebar ist gesetzlich in ihrer Beratungstätigkeit verpflichtet, über Abtreibungsmethoden zu beraten. Davon kann “adebar” sich gar nicht distanzieren. Deshalb ist der Gegenvorschlag der Verwaltungskommission nicht glaubwürdig.

Auf die Bescheinigung, welche “adebar” ausstellt und die es unter 16jährigen Frauen ermöglicht, abzutreiben, bin ich in meinem Antrag eingegangen. “adebar” schafft die rechtlich unabdingbare Voraussetzung für die Vornahme von Abtreibungen. Dabei ist nicht die konkrete Zahl der daraus resultierenden Abtreibungen entscheidend. Entscheidend ist vielmehr die moralische Qualifikation einer Handlung. Unsere Staatsanwaltschaften ermitteln auch nicht erst beim fünften oder zehnten Mord, sondern schon beim ersten.

Auch die übrige Beratungstätigkeit von “adebar” ist geprägt von der Mentalität der Abtreibung. Bei der Verhütungsberatung wird die “Pille danach” propagiert. “adebar” propagiert ferner in ihrer Aufklärungsarbeit an den Schulen auch die Spirale. Die Kirche setzt diese beiden Praktiken mit der Abtreibung gleich, weil sie darauf ausgerichtet sind, einen Embryo an der Einnistung zu hindern und ihn so abzutreiben. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat diesbezüglich im Jahr 2009 in der Instruktion “Dignitas personae” (Nr. 23) festgehalten, “dass bei denen, welche die Einnistung eines möglicherweise empfangenen Embryos verhindern wollen und deshalb solche Mittel wünschen oder verschreiben, im Allgemeinen die Vorsätzlichkeit zur Abtreibung vorhanden ist”.

Es ist somit klar, dass man “adebar” nicht aufspalten kann: hier ein gutes “adebar”, das hilft und mit dem auch die katholische Kirche finanziell verflochten sein darf. Und dort ein böses “adebar”, das Tötungslizenzen ausstellt. Diese Organisation ist insgesamt einem Gedankengut verpflichtet, das im Widerspruch zur Lehre der Kirche steht. Gemäss Art. 1 der Verfassung der “Katholischen Landeskirche von Graubünden” ordnet diese die landes-kirchlichen Verhältnisse “unter Berücksichtigung der Gesetze der katholischen Kirche”. Sie kann deshalb nicht eine Organisation unterstützen und auch öffentlich mit ihr in Verbindung gebracht werden, die im Widerspruch zur Lehre der Kirche handelt. Die “Katholische Landeskirche von Graubünden” muss sich deshalb von einer solchen Organisation als ganze distanzieren.

4. Es ist argumentiert worden, die katholische Kirche dürfe sich nicht aus der Beratung von Schwangeren in Notlagen zurückziehen. Das ist auch meine Überzeugung. Aber ich fordere, dass diese Beratung nicht im Widerspruch zur kirchlichen Lehre geschieht. Die Eidgenossenschaft hat die Abtreibung im Jahr 2002 weitgehend legalisiert. Bei unter 16jährigen verlangt das Schweizerische Strafgesetzbuch (Art. 120) eine zwangsweise Beratung durch eine unabhängige Stelle. In diesem Sinn hat der Kanton Graubünden “adebar” als eine solche unabhängige Stelle beauftragt und somit gesetzlich verpflichtet, über Abtreibung zu beraten. Hier kann die Kirche nicht mehr mit dem Staat mitgehen. Das ist allerdings auch nicht nötig. Denn die Regierung des Kantons Graubünden hat erst kürzlich in ihrem Bettagsmandat (2012) festgehalten: Kirche und Staat tragen “eine gemeinsame Verantwortung für die Lösung brennender Gegenwarts- und Zukunftsfragen. Gemeinsame Verantwortung tragen heisst nun aber nicht, für alles gemeinsame Lösungen zu suchen und diese Lösungen auch gemeinsam zu verwirklichen. Gemeinsame Verantwortung kann auch dadurch sinnvoll wahrgenommen werden, indem jede Institution das zur Problemlösung beiträgt, was zu ihren Kernaufgaben gehört” (S. 2). Letztlich berührt die Diskussion um “adebar” die gleichen Grundfragen wie in den 1990er Jahren die Debatte über die Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland. Auch damals handelte es sich darum, durch das Ausstellen einer Bescheinigung über die Beratung letztlich die Abtreibung zu ermöglichen. Papst Johannes Paul II. hat 1998 diesbezüglich festgehalten: “Dass die Kirche den Weg des Gesetzgebers in einem konkreten Punkt nicht mitgehen kann, wird ein Zeichen sein, das gerade im Widerspruch zur Schärfung des öffentlichen Gewissens beiträgt und damit letztlich auch dem Wohl des Staates dient”. Und die Enzyklika “Evangelium vitae” (Nr. 101) zitierend, hat er ausgeführt: “Wenn die Kirche die unbedingte Achtung vor dem Recht auf Leben jedes unschuldigen Menschen – von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Tod – zu einer der Säulen erklärt, auf die sich jede bürgerliche Gesellschaft stützt, will sie lediglich einen humanen Staat fördern: Einen Staat, der die Verteidigung der Grundrechte der menschlichen Person, besonders der schwächsten, als seine vorrangige Pflicht anerkennt”.

5. Abschliessend habe ich eine Bitte an die Verwaltungskommission, auch im Namen unseres Bischofs Vitus: Bitte unterstützen Sie, wenn möglich mit einer höheren Summe als bisher aufgewendet, fortan eine Organisation, die in Not geratenen Schwangeren im Sinn der Kirche hilft. Wir empfehlen die Organisation “Ja zum Leben Region Ostschweiz und Graubünden” und sind gern bereit, dazu die notwendigen Informationen zu liefern.

6. Auch im Namen des Diözesanbischofs bitte ich Sie somit, sehr geehrte Damen und Herren, meinem Antrag gemäss vorliegendem Antragsschreiben zuzustimmen. Dies wird es ermöglichen, in Zukunft mehr Geld zu sprechen für eine Hilfe für in Not geratene Schwangere, im Sinn des katholischen Glaubens und damit im Dienst der Würde aller Menschen, auch der Ungeborenen.

Dr. Martin Grichting
Generalvikar des Bistums Chur

Quelle
Antrag
InstruktionDignitasPersonae: Über einige Fragen der Bioethik
EvangeliumVitae: Über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens
CorpusCatholicum

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