Schützen,was heilig ist

Das ist schlimme Trittbrettfahrerei

Tagespost, 21. September 2012, von Markus Reder

Wer angesichts einer hochexplosiven Lage zusätzlich Öl ins Feuer giesst, den kann man nur als hirnverbrannt bezeichnen. Wie absurd, wenn die, die jetzt mit Ölkanistern am Brandherd spielen, sich für Helden der Nation und Retter der Freiheit halten. Mohammed-Karikaturen in Frankreich, in Deutschland zieht das Satire-Magazin “Titanic” nach: Das ist schlimme Trittbrettfahrerei. Werbung für sich selbst, die Zeche zahlen andere. Mit der Verteidigung einer freiheitlichen Gesellschaft hat das so wenig zu tun wie das Mohammed-Schmäh-Video mit Kunst.

Für Christen ist es eine Katastrophe, dass dieses unsägliche Video von einem Wahnsinnigen produziert wurde, der nun als “koptischer Christ” durch die Medien gereicht wird. Was das für die bedrängten Christen in islamischen Ländern heisst, kann sich jeder ausmalen. Sie zahlen mit ihrem Blut für den Wahnsinn Einzelner, weil deren irres Treiben – von radikalen Islamisten instrumentalisiert – allen Christen angelastet wird.

Fremdenfeindlichkeit, die Verachtung oder Verächtlichmachung anderer religiöser Bekenntnisse sind mit dem Christentum unvereinbar. Christ sein heisst, verbindlich Mass am Evangelium zu nehmen. Dieser Massstab ist für Christen weltweit alternativlos. Wer anders handelt und Hass sät, kann sich niemals auf das Christentum berufen.

Die Auseinandersetzung mit dem Schmäh-Video hat zur Diskussion über eine Verschärfung des Blasphemieverbots geführt. Tatsächlich zeigt sich das kulturelle Niveau und die Freiheitsliebe einer Gesellschaft nicht darin, tatenlos zuzusehen, wenn die religiösen Gefühle Zigtausender brutal verletzt werden. Entscheidend ist, ob es noch Dinge gibt, die eine Gesellschaft für unbedingt schützenswert hält, die ihr – religiös formuliert – heilig sind. Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, hat Ernst Wolfgang Böckenförde treffend formuliert. Folglich muss es Pflicht der Politik sein, mit besonderer Sensibilität auf jene Quellen zu achten, aus denen der Staat lebt. Dazu zählt die Religion in besonderer Weise die Religion. Der Blasphemieparagraf 166 des Strafgesetzbuches reicht nicht aus, um den nötigen Schutz zu gewährleisten. Religiöse Verunglimpfung muss generell unter Strafe gestellt werden. Nur so lassen sich inakzeptable Provokationen vermeiden. Zudem greift die bestehende Regelung nur, wenn “die öffentliche Ordnung gefährdet” ist. Das schützt unter Umständen wütende Muslime besser als Christen.

Eine Gesellschaft, die ihre religiösen Wurzeln weitgehend gekappt hat, läuft Gefahr, das Gefühl für inakzeptable Geschmacklosigkeiten ebenso zu verlieren wie das Bewusstsein für den rechten Gebrauch der Vernunft. Dass die Verhöhnung des Christentums bei uns zum Standardprogramm kritischer Aufklärung zählt, ist ein deutliches Indiz dafür, wohin sich “die Vernunft” versteigen kann. In dieser Situation genügen keine Appelle, doch bitte die Grenze zur Geschmacklosigkeit nicht zu überschreiten. Der Gesetzgeber ist gefragt. Es hilft nur das Recht als Schutzinstrument und bewusstseinsbildender Faktor. Wer Glaube und Religion nicht ausreichend schützt, macht die Gesellschaft nicht humaner und toleranter, er öffnet Intoleranz und Unfrieden die Tür. Die Freiheit von Kunst oder Satire darf nicht über dem stehen, was Menschen heilig ist.

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