Unter Brüdern

Treffen im Vatikan – Franziskus’ Erbe lebt: Der Erzpriester der Vatikanbasilika organisiert das dritte “Welttreffen für die menschliche Geschwisterlichkeit”. Jetzt hat er es vorgestellt

Quelle
Vatikan richtet drittes “Welttreffen der Geschwisterlichkeit” aus – Vatican News

03.09.2025

Guido Horst

Wer glaubt, dass der Petersdom mit dem Grab des Apostelfürsten das liturgische Herz des Vatikans ist, ein Ort des stillen Gebets und der feierlichen Gottesdienste, hat die Rechnung ohne den Erzpriester der Basilika, Kardinal Mauro Gambetti, gemacht. Papst Franziskus hatte den ehemaligen Generalkustos des Franziskanerkonvents von Assisi beim Konsistorium vom November 2020 in das Kardinalskollegium aufgenommen und ihn im Februar des darauffolgenden Jahres zum Generalvikar für den Vatikanstaat, zum Erzpriester der Petersbasilika und zum Präsidenten der Dombauhütte von Sankt Peter ernannt.

Gambetti gehört zu denen, die das Erbe von Papst Franziskus lebendig halten möchten, und organisiert als solcher die “Welttreffen für die menschliche Geschwisterlichkeit”, die Franziskus 2023 ins Leben gerufen hatte. Träger und mit der Organisation dieses Meetings betraut ist die vatikanische Stiftung “Fratelli tutti“, benannt nach der gleichnamigen Enzyklika des verstorbenen Papstes aus dem Jahr 2020 über “die Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft”, die ganz aus dem Geist des in Abu Dhabi von Papst Franziskus zusammen mit Scheich Ahmad al-Tayyib von der Azhar in Kairo unterzeichneten “Dokuments über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt” lebt. Generalsekretär der Stiftung “Fratelli tutti” ist der Jesuit Francesco Occhetta. Als das Welttreffen zum ersten Mal im Juni 2023 in Rom stattfand, lag Franziskus im Krankenhaus. Kardinal Gambetti vertrat ihn damals auf dem Petersplatz.

Brüderlichkeit als neue Ordnung

Gambetti und Occhetta waren es auch, die jetzt in Rom vor Journalisten das nächste Welttreffen dieser Art vorgestellt haben, das vom 13. bis 15. September in Rom seine dritte Auflage erleben soll. Gambetti zieht es vor, nicht als Kardinal, sondern im schwarzen Anzug als Manager aufzutreten. Und das Organisieren von großen Events ist eine Spezialität des Erzpriesters von Sankt Peter. Wie bei den ersten Welttreffen sind Nobelpreisträger und Künstler vertreten und es gibt “runde Tische” für die Vertiefung der unterschiedlichsten Themen. Am Freitag, den 12. September, tagen zunächst 15 Arbeitsgruppen zu Fragen der Politik, der Nachhaltigkeit, Kunst und Literatur, der Wirtschaft und Finanzen sowie der Politischen Bildung, der Künstliche Intelligenz und Gesundheit an symbolträchtigen Orten in Rom. Ihre Ergebnisse fließen ein in eine gemeinsame Sitzung auf dem römischen Kapitol am darauffolgenden Samstag. Bei dieser Sitzung werden Nobelpreisträger und weitere Prominente zu Wort kommen. Der Samstagabend gehört einem Kultur-Event auf dem Petersplatz, bei dem unter anderen der italienische Tenor Andrea Bocelli sowie die US-Sänger Pharrell Williams und John Legend auftreten werden.

“Unser bescheidenes Anliegen ist es”, erklärte Kardinal Gambetti bei der Präsentation des Meetings, “der Welt den Horizont der Brüderlichkeit als Schlüssel zu einer neuen politischen Ordnung, einer neuen wirtschaftlichen Ordnung und einer neuen sozialen Ordnung für die menschliche Existenz vorzuschlagen. Das Prinzip der universellen Brüderlichkeit kann die Koordinaten bieten, um die Geschichte dieses epochalen Wandels auf konstruktive Weise zu schreiben: aufmerksam gegenüber den Menschen, respektvoll gegenüber den Unterschieden, in Harmonie mit der Schöpfung und als Garant für die Freiheit und die gleiche Würde jedes Menschen.”

Franziskus’ Rückkehr in den Petersdom

Auch der Jesuit Francesco Occhetta kam bei der Präsentation zu Wort. “Die Welt leidet”, stellte er fest. “Kriege, Einsamkeit, neue Armut. Aus diesem Grund halten wir inne und fragen uns: Was bedeutet es heute, Mensch zu sein? Wir werden dies unter Menschen unterschiedlicher Kulturen und Traditionen, Sprachen und Religionen, Generationen und Herkunftsländer tun.” Die 15 Runden Tische seien eine Art “kultureller und spiritueller Prozess”, erklärte er, ohne allerdings zu präzisieren, aus welcher spirituellen Quelle diese Prozesse ihre Kraft beziehen. Zu den Teilnehmern der Arbeitsgruppen wird auch die Journalistin Maria Ressa von den Philippinen gehören. Wegen ihres Eintretens für die Pressefreiheit in ihrem Land erhielt sie 2021 den Friedensnobelpreis. Auch sie soll dabei helfen, wie Occhetta sagte, “in jedem Bereich des sozialen Lebens die Wurzel der gemeinsamen Menschlichkeit wiederzuentdecken”. Jeder wisse, “wie unglaublich dünn die Linie ist, die das Menschliche vom Unmenschlichen trennt. Und um sie nicht zu überschreiten, braucht es eine Gemeinschaft der Köpfe und Herzen und auch des Mutes. So unterschiedlich die Teilnehmenden von ihrer Kultur, Tradition, Sprache, Religion oder Generation auch sind – alle wollen auf denselben Horizont schauen.”

Auch wenn für manche im Vatikan die römischen “Welttreffen für die menschliche Geschwisterlichkeit” eher den Geist der Freimaurerei versprühen als eine von der göttlichen Offenbarung getragene christliche Spiritualität, soll Papst Leo die Teilnehmer des Meetings am Freitagvormittag empfangen, wie Kardinal Gambetti ankündigte. Gespannt sein kann man auch auf das Kultur-Event am Samstagabend: Dann sollen 3000 Drohnen das Konterfei von Papst Franziskus auf die Fassade des Petersdoms werfen. Der Manager im Gewand des Erzpriesters der Basilika macht es möglich.

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