Im Blickpunkt: Kardinäle, nicht Technokraten
Grosser Bahnhof in Rom
Die Tagespost, 17.02.2012, von Guido Horst
Grosser Bahnhof in Rom: Gestern ist Papst Benedikt mit den Kardinälen der Kirche zusammengetroffen, um die drängenden Fragen des Glaubens zu besprechen. Allen voran die Neu-Evangelisierung. Der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan, der heute die Kardinalswürde erhält, hielt das Einführungsreferat. Am Donnerstag empfing Benedikt XVI. europäische und afrikanische Bischöfe, die in Rom ein Symposium veranstaltet hatten – eine Frucht der Afrika-Synode von 2009. Man will die pastorale Zusammenarbeit stärken. Bereits am Dienstag und Mittwoch traf sich der internationale Kardinalsrat, der die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Vatikan zu überwachen hat.
Man prüfte die beiden getrennten Haushalte, den des Heiligen Stuhls und den des Vatikanstaats. Die Zahlen gibt es im Sommer. Und vorgestern machten die Spitzen der Kirche Italiens in ihren beiden Ausformungen, die säuberlich auseinanderzuhalten sind, Regierungschef Mario Monti und Ministern seines Kabinetts ihre Aufwartung: Kardinal Angelo Bagnasco vertrat als deren Vorsitzender die Bischofskonferenz, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone den Vatikan. Dass dem Willen der Regierung zufolge nun auch die Kirche für die Gebäude Immobiliensteuer zahlen muss, in der sie kommerziellen Tätigkeiten nachgeht, war dem Vernehmen nach kein Thema bei diesem “Gipfeltreffen”.
Im Vergleich zu diesem geschäftigen Treiben in und im Umfeld der römischen Kirchenführung nimmt sich die Ernennung der 22 neuen Kardinäle heute im Petersdom als der wohl feierlichste, aber auch etwas bunte Teil einer bewegten Vatikan-Woche aus. Ist eine Kirchenführung, die sich in den unterschiedlichsten Gremien um Finanzen, Steuern, internationale Kooperationen und Strategien der Neu-Evangelisierung kümmert, nicht die eigentlich moderne Form des Kirchenregiments, während auf dem “roten Senat” des Papstes, der auf eine über tausendjährige Geschichte zurückblicken kann, bereits der Goldglanz des Vergangenen liegt?
Immerhin, noch immer ist es dieser erlesenste Club der Welt, der im Konklave den Papst zu wählen hat. Aber ansonsten? Was ist ein Kardinal? Der rote Purpur erinnert noch daran: Die Kardinäle sollen Männer sein, auf die sich der Papst hundertprozentig verlassen kann und die im Ernstfall bereit sind, ihre Treue zur Kirche Jesu Christi bis zum Vergiessen des Blutes zu beweisen. Bei allem, was in den vergangenen Wochen über den Vatikan und sein Innenleben und seine Finanzen zu lesen war: Auch heute noch stehen an der Spitze der Kirche keine Technokraten. Möge das Konsistorium dies wieder einmal sichtbar machen.
DieneuenKardinäle im Detail
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