Die Politik der radikalen Alten

Früher galt mit Konrad Adenauer: “Keine Experimente!” Heute gilt mit Trump und Putin: “Zum Teufel mit der alten Weltordnung!

Quelle

11.04.2025

Marc Stegherr

Das Alter galt bisher als Abschnitt der Reife, der Vernunft, der Weisheit. Man überblickt ein langes Leben, kann den Jungen raten, ihren Übereifer bremsen.

Von wegen “Alte weise Männer”

Irgendwann schlich sich das abfällige Urteil ein, gerade alte weiße Männer seien an vielem, wenn nicht allem schuld. Sieht man sich nüchtern um, sind es nicht die alten und weisen, sondern die alten Männer, die um jeden Preis jugendlich sein wollen, die die Probleme verursachen.

Der weise französische Aphoristiker La Rochefoucauld meinte: “Leidenschaftlichkeit, die je älter, desto heftiger wird, kommt der Tollheit nahe.” Vor etlichen Jahrzehnten hüteten sich die grauhaarigen Männer vor dieser Tollheit. Konrad Adenauer warnte bekanntlich auf seinen Wahlplakaten vor Experimenten, aus der eigenen leidvollen Erfahrung mit einer politischen Bewegung, die in Gewalt und Hass auf die alte Ordnung den Weg in eine glorreiche Zukunft sah. Gerade die anarchisch und radikal veranlagte Jugend ließ sich von dieser falschen Dynamik verleiten und stand irgendwann vor Trümmern. Kaiser Franz Joseph, der irgendwann nur noch der “alte Kaiser” war, obwohl er sehr jung angefangen hatte, war derart vorsichtig und jeder drastischen Maßnahme abhold, daß ihn der jugendlich radikale Nationalismus seiner Völker überholte und überfuhr.

Das Gemessene, mit dem das angeblich alte Europa lange gut gefahren war, auf das es seine Kultur und Lebensart, seine politische Kunst gebaut hat, ist heute wieder in Verruf geraten, obwohl der jugendliche Überschwang in der Politik nichts Gutes gebracht hat, wenn das Alte nicht als Gegengewicht dagegenhält. Die Vereinigten Staaten gelten seit Goethe als das Gegenmodell zum alten Europa – unbelastet durch eine lange Geschichte, ohne starre Traditionen. Dort gilt Dynamik, das kraftstrotzende Machertum als Leitbild, auch wenn man links und rechts des Weges vom Tellerwäscher zum Millionär Trümmer und zerstörte Existenzen hinterlässt.

Alternde Platzhirsche lassen sogar John Wayne jung aussehen

Dieses brachiale Machertum, das sich mit entblößtem Oberkörper hoch zu Roß abbilden lässt und Frauen als hübsche Dekoration und Zeitvertreib betrachtet, teilt der US-amerikanische Donald neuerdings mit seinem russischen Freund Wladimir. Gemeinsam ist den beiden Berufsjugendlichen, die sich im knackigen achten Lebensjahrzehnt für die dritte beziehungsweise ungezählte Präsidentschaft rüsten, auch die Neigung zu überlebten Projektionen einer heldenhaften, männlicheren Vergangenheit in die Gegenwart.

Ganz im Gegensatz zu gesetzten, weisen älteren Herren, die Respekt für die Schwächen des anderen aus der Erfahrung des Alters für eine Tugend halten, verachtet der juvenile Bauspekulant im Weißen Haus wie auch der halbstarke Kremlfürst Erfolglosigkeit, Zwischentöne, das vergängliche Schöne. Wohlerzogener Austausch mit den Abhängigen, äh, Verbündeten der eigenen Hemisphäre finden beide schlicht dekadent, westlich, modern – ganz im Gegensatz zu maskulinen Treffen mit dem vermeintlich ebenso potenten Platzhirschen der anderen Seite. Der breitbeinige John Wayne war dagegen ein Waisenknabe. Die Crux (oder auch die Hoffnung) ist aber, dass dieser brutale, pseudo-jugendliche Machismo der alternden Platzhirsche nicht nur die Angst vor der eigenen Hinfälligkeit, sondern auch die des eigenen Reiches kompensiert, je leidenschaftlicher, desto toller.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Hier kostenlos erhalten!

Themen & Autoren

Marc Stegherr
Konrad Adenauer
Traditionen
Wladimir Wladimirowitsch Putin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel