Fastenzeit ein geistlicher Neuaufbruch
Von Bier, Nächstenliebe, Sehnsucht und Freiheit: Der Abt von Stift Heiligenkreuz, Maximilian Heim, erklärt, wie die Mönche die Fastenzeit leben
Quelle
Buße als Tauferneuerung | Die Tagespost
Stift Heiligenkreuz (38)
Alle sieben Jahre “Heilige Stadt” | Die Tagespost
28.02.2025
Dorothea Schmidt
Abt Maximilian, früher tranken die Mönche in der Fastenzeit Bier. Wie ist es bei Ihnen?
Wir haben einen relativ geringen Bierkonsum im Kloster. Wenn es Bier gibt, dann vor allem am Sonntag. Die Sonntage gehören im strengen Sinn ja nicht zur Quadragesima (zur Fastenzeit). In unserem Kloster gab es Jahrhundertelang den Weinanbau. In der Fastenzeit verzichten wir montags, mittwochs und freitags auf Alkohol. An diesen Tagen gibt es auch ein einfaches (fleischloses) Essen. Es soll uns daran erinnern, dass wir durch Verzicht zu innerer Freiheit gelangen sollen. Das Fasten ist aber auch im Kloster eher etwas Persönliches und soll unauffällig geschehen. Denn der Herr schaut auf das Herz.
Sie leben nach der Regel des heiligen Benedikt. Was sagte er über die Fastenzeit?
Für den heiligen Benedikt war die Fastenzeit so wichtig, dass er den Mönchen empfahl, das ganze Leben als eine Art Fastenzeit zu sehen, um den Blick auf Ostern immer frei zu halten. “Das geschieht dann in rechter Weise, wenn wir uns von allen Fehlern hüten und uns um das Gebet unter Tränen, um die Lesung, die Reue des Herzens und um Verzicht mühen.” (RB 49,4) Was der einzelne Mönch sich in der Fastenzeit vornimmt, soll er – wie es der heilige Benedikt sagt – seinem Abt unterbreiten; heute ist es eher der geistliche Begleiter bzw. Beichtvater, dem man sich öffnen soll, damit keine Übertreibungen geschehen.
Wie sieht das konkret aus?
Mönche sollen sich immer, aber besonders in der Fastenzeit, in der Gottes- und Nächstenliebe üben, einander gegenseitig tragen und ertragen, das heißt in Frieden miteinander leben. Zudem intensivieren wir das Gebet und die geistliche Lesung, verzichten auf Trank, Nahrung und Schlaf, auf Albernheiten und unnötiges Geschwätz — nicht aber auf die Freude. Denn sie wird uns durch den Heiligen Geist geschenkt, wenn wir mit Sehnsucht auf Ostern zugehen. Er zeigt uns den Weg zu freudiger Gelassenheit und zur Barmherzigkeit. So wird die Fastenzeit ein geistlicher Neuaufbruch, ja eine Art “kopernikanische Wende”, wie es Benedikt XVI. formulierte: Nicht ich selbst bin das Zentrum, um das sich alles dreht, sondern Gott, der uns allen wie die Sonne Heil und Licht schenkt.
Als Ordensmann lebt man im Vergleich zur Welt ohnehin schon asketisch. Ist die Fastenzeit dann nicht manchmal sehr anstrengend?
Die Fastenzeit ist eine uralte menschliche und biblische Praxis. Es ist dieser Dreiklang von Gebet, Fasten und Werken der Barmherzigkeit. Verzicht nimmt nicht; er gibt Kraft, das Leben bewusster zu leben. Das Ziel ist letztlich, frei zu werden für Gott und für die Gemeinschaft, für Arme und Notleidende. Umkehr ist also immer eine Ausrichtung auf Christus hin und mit ihm und durch ihn zum Vater im Heiligen Geist.
Kann dieses Fasten als Lebensmodell, wie der heilige Benedikt es formulierte, ein Motor sein für die Erneuerung der Kirche?
Letztlich brauchen wir eine Art der inneren Reform. Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sich ändern müsse, damit sich die Kirche reformiere. Sie antwortete: “Sie und ich!” Der Ruf zur Umkehr im Evangelium ist für uns alle verbindlich. Wer sich Gott zuwendet, wendet sich auch seinem Nächsten zu, vor allem denjenigen, die in unsere Gesellschaft aber auch in den Gemeinschaften am Rand sind, wie es uns Papst Franziskus lehrt. Denn die Gottesliebe hat in der Nächstenliebe ihren Ernstfall.
Der heilige Petrus Chrysologus, Kirchenlehrer und Bischof von Ravenna, erläutert: “Das Gebet klopft an, das Fasten erfleht, die Barmherzigkeit empfängt … Niemand reiße die drei auseinander, sie vertragen keine Trennung. Wer also betet, der faste auch; wer fastet, übe auch Barmherzigkeit; wer selbst gehört werden will, der höre auf den Bittenden; wer sein Ohr dem Bittenden nicht verschließt, der findet Gehör bei Gott.” Ich glaube, diese Art der geistigen Neuorientierung brauchen wir alle in regelmäßigen Abständen.
Machen Sie die Erfahrung, dass das Fasten des Einzelnen der ganzen Gemeinschaft zu Gute kommt?
Das gemeinsame Fasten verbindet und hilft gegenseitig, auf dem Weg der Tugenden voranzugehen. So wird es zu einem geistlichen Prozess, der auch untereinander verbindet und Freude schenken kann. Zudem ist die Fastenzeit eine Gelegenheit, gemeinsam das Wiedererwachen der Natur im Frühjahr wahrzunehmen, sei es durch den gemeinsamen Kreuzweg im Freien, durch Spaziergänge, um in der Schöpfung die Größe Gottes zu erahnen, oder beim Chorgebet in der Früh das Singen der Vögel zum Lobpreis Gottes zu vernehmen.
Sie sagten vorhin, dass Sie mit Sehnsucht auf Ostern zugehen. Das fordert auch der heilige Benedikt. Wie entfachen Sie die Sehnsucht neu, wenn sie verschüttet ist?
Der Mönch ist berufen ein Leben lang Gott zu suchen. Diese Sehnsucht wird gehalten von einer tiefen Sehnsucht nach Gott. Das Suchen wird einmal seine Erfüllung finden, aber die Sehnsucht nach ihm bleibt, weil die Liebe niemals aufhört. Ganz in diesem Sinne schreibt der heilige Benedikt im Kapitel 49 seiner Regel: „Mit geistlicher Sehnsucht und Freude erwarte er (der Mönch) das heilige Osterfest“. In einer Zeit, die oft von Ungeduld geprägt ist und vom Wunsch nach sofortiger Erfüllung, lehrt uns die Fastenzeit, als Mönche Pilger der Hoffnung zu bleiben, deren Sehnsucht nach Gott auf dem ganzen Lebensweg nicht abnehmen, sondern wachsen soll. Denn wo die Sehnsucht stirbt, endet auch das Suchen. Die Sehnsucht kann wiederentfacht werden in der Begegnung mit Christus in seinem Wort und in den Sakramenten, vor allem auch im Bußsakrament, denn hier komme ich mit dem Vertrauen eines Kindes und weiß, dass Gott mich annimmt und meine Sünden verwandeln will in Gnade.
Viele Menschen verbinden die Fastenzeit mit Anstrengung. Welchen Tipp hätten Sie, um die Fastenzeit neu zu konnotieren und positiv zu erfahren?
Vor Jahren habe ich von einem bereits verstorbenen Beichtvater einen wichtigen Hinweis bekommen, den ich auch aufs Fasten anwenden kann: Bleibe in Deinen Vorsätzen bescheiden und gehe kleine, konkrete und konsequente Schritte. Das heißt: Nimm Dir nicht zu viel vor. Wenn die Vorsätze klein sind, dann bleibe ich demütig; wenn sie konkret sind, vergesse ich sie nicht und wenn ich sie konsequent einhalte, dann geben sie mir selber Halt. Ziel ist es letztlich, dass die Seele frei wird und erkennen kann, dass Gott derjenige ist, der zu mir spricht, damit ich nicht Sklave meiner selbst werde.
Können Sie dies an einem Beispiel veranschaulichen?
Beim Fasten geht es nicht nur um Essen und Trinken. Auch schon früher kannte man das Fasten mit den Augen oder Ohren. Wie oft lassen wir uns ablenken und verlieren dabei den Blick für das Wesentliche. Wie oft lassen wir uns berieseln durch Medien und verlieren dabei die Fähigkeit, die Stimme Gottes in uns zu hören. Es muss wieder still in uns werden. Entspannungsübungen ober regelmäßige Spaziergänge helfen, den Dreiklang von ora, lege et labora – bete, lies und arbeite —konsequenter zu leben. Gleichzeitig erfahren wir, wie es einmal Josef Pieper gesagt hat, dass ohne Muße das Leben müßig wird.
Gibt es etwas, das ganz spezifisch die Fastenzeit in Heiligenkreuz kennzeichnet?
Wir bieten verstärkt die Beichtgelegenheit in der Kreuzkirche an. Dieses Gotteshaus ist vom Wiener Mahler Clemens Fuchs neu gestaltet worden und lädt durch ihren Bilderzyklus ein, mit den Heiligen auf Christus zu schauen. Außerdem ist hier der Ort der eucharistischen Anbetung. Mutter Teresa, die uns 1988 besuchte, hat uns damals aufgefordert, die eucharistische Anbetung zu intensivieren. Ihrem Rat sind wir gefolgt. So ist die Kreuzkirche in Heiligenkreuz ein Ort der Gnade, wo Menschen wieder neu auftanken können, ja im stellvertretenden Gebet auch für diejenigen vor Gott eintreten, die ihn noch nicht erkannt haben.
Was bedeutet Fastenzeit für Sie persönlich?
Demut und Barmherzigkeit. Es ist eine Zeit der Erneuerung nicht zuletzt durch das Bußsakrament, um dem Herrn in Demut und Vertrauen das ganze Leben zu übergeben. Fastenzeit bedeutet somit auch Reinigung. Nicht nur die Beichte, sondern auch die geistliche Lesung können unser Inneres läuternd durchformen. Der heilige Benedikt spricht vom “frei sein für die geistliche Lesung”. So wird das Wort Gottes selbst für uns zur “glühenden Kohle”, die das Schlechte in uns ausbrennt und unser Herz wieder neu mit dem Feuer des Heiligen Geistes erfüllt.
Sie laden junge Männer zu (Kl)Ostertagen ein. Sie werben mit dem Slogan “Kloster authentisch erleben”. Was bedeutet hier authentisch; was erwartet die Männer?
Wir richten uns damit vor allem an junge Männer zwischen 17 und 35 Jahren, die sich für das Klosterleben interessieren. Sie können in der Gemeinschaft erleben, dass die Fastenzeit eine Zeit ist, in der man sich gemeinsam bemüht, den Weg der Liebe zu gehen, in der man sich selber im Herzen erkennt und Gott um Verzeihung und Kraft bittet, aus Seinem Wort, Seiner Gegenwart und aus den Sakramenten zu leben. Junge Menschen können die Freude erfahren, die aus dem gemeinschaftlichen Gebet fließt. Vielleicht können sie auch wieder darüber staunen, dass es möglich ist, Gott Zeit zu schenken und dennoch keine Zeit zu verlieren, sondern erfüllte Zeit zurückgeschenkt zu bekommen, die uns vor allem mit Jesus Christus verbindet. Dies ist der Weg Jesu, der sein Leben hingegeben hat aus Liebe, damit wir durch ihn zum Leben in Fülle gelangen. Höhepunkt dieser Klostertage ist das Triduum Paschale vom Gründonnerstag über den Karfreitag bis in die Osternacht. Den Tod und die Auferstehung Jesu miteinander zu feiern ist das Ziel und die Erfüllung unseres gemeinsamen Weges auf Oster hin.
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