Generation Angst

Kolumne von Pfr. Guido Rodheudt: Generation Angst – Junge Menschen sind geplagt von Furcht. Sie haben Angst vor dem Klimawandel, vor dem dritten Weltkrieg, ja sogar vor Speisekarten. Spätestens jetzt schlägt die Stunde der Christen, die mit Gelassenheit auf das Kreuz schauen.

Quelle
Klerus – Katholische Pfarrgemeinde St. Gertrud (st-gertrud.info)
Paul Watzlawick – Warum wir nicht NICHT kommunizieren können | SWR2 Wissen Podcast (youtube.com)
Paul Watzlawick: Menschliche Kommunikation (5 Axiome) (youtube.com)
100 Jahre Paul Watzlawick – Der Mann für eine geglückte Kommunikation – Kultur – SRF
Paul Watzlawick – Wikipedia

14. Juli 2024

Von Guido Rodheudt

Um es gleich vorwegzusagen: Ich bin kein Freund von Generationenkriegen. Im Gegenteil. Als Pfarrer einer normalen Gemeinde mit überregionalem und generationenübergreifendem Zulauf schätze ich den Wert der Familiarität. Wenn im Sonntagshochamt Kinderwagen und Rollatoren einmütig nebeneinander im Seitenschiff der Kirche geparkt werden, ist das ein Ausdruck der Katholizität.

Denn die umfasst nicht nur Menschen aller Nationen und Regionen, sondern verbindet auch Generationen in einem einmütigen, zeitlosen und daher immer jungen Bekenntnis zu einem Gott, der nicht alt wird und an keinen Ort gebunden ist. Rassismus und Nationalismus sind dem Katholizismus als weltumspannender Religion genauso fremd wie ein Kampf der Altersklassen.

Entsprechend fehlt mir als jemand, dessen Aufgabe die Seelsorge in allen Schichtungen, Altersgruppen und Problemzonen ist, das Verständnis für die fortschreitende Segmentierung unserer Gesellschaft. Ü30, U30, Ü60, U100. Gruselig! In der Folge immer weniger Plätze, an denen sich die unterschiedlichen Gruppen begegnen.

Die Sprengung der privaten und gesellschaftlichen Familie

Wenn die bunte Vielfalts- und Diversitätsdiktatur eines geschafft hat, dann die Sprengung der Familie – der privaten und der gesellschaftlichen. Von daher bin ich froh, von Menschen aller Zuschnitte im Alter, in der sozialen Stellung, Einkommensgruppen und Gewichtsklassen umgeben zu sein und von daher schon keine Ressentiments gegenüber einzelnen Teilmengen entwickeln zu dürfen.

Aha! “Teilmenge”! Ja, ich bin ein Boomer der Generation Mengenlehre! Ich bin in einer für Kinder merkwürdig unbeschwerten Welt des für sie irrealen Kalten Krieges aufgewachsen und habe deswegen damals zusammen mit meinen Artgenossen die Angst vor der Zukunft nicht gekannt. Die durchlebten Ängste unserer Eltern im Zweiten Weltkrieg waren für uns Geschichte und ad acta. “Nie wieder Krieg!” galt als nicht weiter zu begründendes Naturgesetz.

In meiner Gymnasial- und Studienzeit kamen mir deswegen die Ängste mancher Arafat-Schal tragender Klassenkameraden und Kommilitonen übertrieben vor. Zumal ich das Glück hatte, katholisch erzogen worden zu sein und allein aus diesem Grund eine gewisse Resistenz gegen diejenigen entwickelt hatte, die uns den Sinn für Angst einzuimpfen versuchten.

Eine Imprägnierung gegen das Grundübel Hoffnungslosigkeit

Morgen- und Abendgebet, Sonntagsmesse und Wallfahrten ließen eine Imprägnierung gegen das Grundübel Hoffnungslosigkeit entstehen. Ich bin dankbar für diese Entspannungspolitik in der Erziehung meiner Jugendjahre, die es vermochte, jenseits eines naiv unbedenklichen In-den-Tag-Hineinlebens die Gewissheit ins Herz zu senken, gewollt, getragen, gerufen, gesegnet zu sein – und erlöst von der Ungewissheit über die mögliche Sinnlosigkeit meiner Existenz.

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Als ich mit dem Gedanken spielte, Priester zu werden, geriet mir ein kleines Gebetsheftchen in die Hände, das das “Informationszentrum Berufe der Kirche” in Freiburg herausgegeben hatte. Es trug den Titel “Euer Herz sei ohne Angst!”, der in Anlehnung an ein Wort Jesu formuliert war, das im Johannesevangelium dokumentiert ist (Joh 14,1).

Diese Kleinschrift hatte einen festen Platz auf meinem Nachttisch und strahlte schon durch sein Umschlagbild mit dem segnenden auferstandenen Jesus Frieden aus. Einen Frieden, der nicht aus den Köpfen der Menschen stammt, sondern aus dem Herzen Gottes, und der deswegen auch in den Herzen der Menschen einen Platz erhalten kann, wenn sie glauben, dass es jenseits des irdischen Gartenzäunchens einen Frieden gibt, den die Welt nicht geben kann, der sich aber gleichwohl in dieser Welt ausbreiten kann, wenn er von Herz zu Herz weitergegeben wird.

Angst gehört zum Menschsein dazu – und Unterdrücker wissen das zu nutzen

Nun ist es dennoch nicht zu bestreiten, dass die Angst zum Menschsein gehört. Angst vor dem Verlust des Glücks, Angst vor dem Verlust geliebter Menschen, Angst vor der eigenen Vernichtung, vor Versagen, Verlieren und Unterliegen und vor dem Dunkel der Zukunft. In dieser Hinsicht ist es von alters her die Strategie aller Unterdrücker und Diktatoren, sich die Angst der Menschen zu Nutze zu machen. Denn die Angst ruft nach Hilfe und Sicherheit und erhöht in den Menschen die Bereitschaft zur Unterordnung unter alle, die genau dies versprechen.

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