Stille nach dem Papstbesuch
Nanu keiner da?
Die Tagespost, 30.09.2011, Markus Reder
Gemessen am Geräuschpegel vor der Papstreise nach Deutschland ist es danach erstaunlich still. Nanu keiner da? Hat es allen die Sprache verschlagen? Was wurde vorher nicht alles an Erwartungen geäussert, an Warnungen ausgesprochen und an Blödsinn in die Mikrophone gebellt. Und jetzt? Schweigen im deutschen Walde. Denken alle noch nach? Das wäre die beste Erklärung für die Stille nach dem Papstbesuch.
Benedikt XVI. hat zahlreiche Ansprachen gehalten, jede davon hat es in sich. Zwei Reden kann man ohne jede Übertreibung als päpstliche Paukenschläge bezeichnen: Die Ansprache im Deutschen Bundestag und die Freiburger Konzerthausrede. Die Bundestagsrede war wohl das intellektuell Anspruchsvollste, was in diesem Hohen Haus bislang zu hören war. Sicher, dafür hätte sich der Papst gar nicht so sehr anstrengen brauchen. Aber weniger Anspruch wäre unter seinem Niveau gewesen. Dass manchen Hörern dieser Rede nur das Lob für die ökologische Bewegung im Gedächtnis geblieben ist, zeigt leider, wie wenig sie verstanden haben.
Darum heisst es jetzt: Nachlesen, nachdenken, nacharbeiten. Da kommt viel Arbeit auf katholische Akademien und Fakultäten zu. Und die eingestaubten Bücher über das Naturrecht müssen wohl auch wieder aus dem Keller, wenn man es ernst meint mit dem Dialog mit Politik und Welt.
Noch lauter war freilich der Freiburger Paukenschlag des Papstes: An Benedikts Vision einer Kirche reich an lebendigem Glauben, arm an Institutionellem, an Geld, an Macht und politischem Taktieren hat das katholische Establishment in Deutschland schwer zu kauen. Das Anliegen des Papstes ist sonnenklar: Nicht die Kirche weltlicher, sondern die Welt christlicher machen. Wer da etwas von Weltflucht gehört haben will, sollte dringend zum Ohrenarzt. Wieder einmal hat sich gezeigt: Dieser Papst erfüllt die vorgefassten Erwartungen nicht, er überbietet sie. Das gibt in der Tat zu denken. Mal sehen, ob zumindest die Bischöfe nach der Herbstvollversammlung in der nächsten Woche ihre Sprache wiederfinden.
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