E supremi apostolatus

Antrittsenzyklika ‘E supremi apostolatus’ von Papst Pius X.

E supremi apostolatus (Wortlaut) – kathPedia
E Supremi (4. Oktober 1903) | PIUS X. (vatican.va)
Papst Pius X. (35)
Hl. Geist (63)

Enzyklika von Papst Pius X. über die Wiederherstellung aller Dinge in Christus

Für die Patriarchen, Primas, Erzbischöfe, Bischöfe und andere Ordinarien in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl

Verehrte Brüder,
Gesundheit und der Apostolische Segen.

Wenn wir uns zum ersten Mal vom Stuhl des höchsten Apostolats aus an euch wenden, zu dem Wir durch die unergründliche Disposition Gottes erhoben worden sind, ist es nicht nötig, euch daran zu erinnern, mit welchen Tränen und mit welchem herzlichen Beispiel Wir Uns angestrengt haben, um diese gewaltige Last des Pontifikats abzuwehren. Obwohl Wir mit dem hl. Anselm ungleich an Verdiensten sind, scheint es uns, dass Wir uns in Wahrheit die Worte zu eigen machen können, in denen er klagte, als er gegen seinen Willen und trotz seiner Kämpfe um die Ehre des Episkopats gezwungen wurde. Denn um zu zeigen, mit welchen Gemüts- und Willensdispositionen Wir Uns der schwersten Aufgabe unterworfen haben, die Herde Christi zu weiden, können Wir wohl dieselben Beweise der Trauer anführen, die er für sich selbst anruft. “Meine Tränen sind Zeugen”, schrieb er, “und die Töne und das Stöhnen, die aus der Qual meines Herzens kommen, wie ich mich nie erinnern kann, dass sie aus irgendeinem Kummer von mir gekommen sind, vor jenem Tag, an dem das große Unglück des Erzbischofs von Canterbury über mich zu kommen schien.

Und diejenigen, die an jenem Tag ihren Blick auf mein Gesicht richteten, konnten es nicht übersehen . . . Ich, der ich in seiner Farbe eher einem Toten als einem lebenden Menschen glich, war bleich vor Erstaunen und Besorgnis. Bisher habe ich mich so weit wie möglich gewehrt, die Wahrheit gesagt, meine Wahl oder vielmehr die Gewalt, die mir angetan wurde. Nun aber bin ich gezwungen zu bekennen, ob ich will oder nicht, dass die Gerichte Gottes meinen Bemühungen immer größeren Widerstand entgegensetzen, so dass ich keinen Ausweg sehe, ihnen zu entkommen. Darum, so besiegt ich auch bin durch die Gewalt, nicht so sehr von Menschen, als von Gott, gegen die es nichts zu richten gibt, so sehe ich ein, dass mir nichts übrig bleibt, nachdem ich so viel gebetet habe, als ich konnte und mich bemüht habe, dass dieser Kelch nach Möglichkeit von mir vorübergehen möge, ohne dass ich ihn trinke, sondern mein Gefühl und meinen Willen beiseite zu legen und mich ganz dem Plan und dem Willen Gottes zu ergeben.”

2. In Wahrheit fehlte es nicht an zahlreichen und gewichtigen Gründen, um diesen Unseren Widerstand zu rechtfertigen. Denn abgesehen davon, daß Wir Uns durch Unsere Kleinheit der Ehre des Pontifikats ganz und gar unwürdig hielten; wen hätte es nicht beunruhigt, sich zum Nachfolger dessen bestimmt zu sehen, der, nachdem er fast sechsundzwanzig Jahre lang die Kirche mit höchster Weisheit regiert hatte, sich mit einer solchen Erhabenheit des Geistes und einem solchen Glanz jeder Tugend geschmückt zeigte, dass er selbst die Bewunderung von Gegnern auf sich zog und sein Andenken in glorreichen Errungenschaften prägte?

3. Andererseits, um andere Motive wegzulassen, waren Wir über alles andere erschrocken über den katastrophalen Zustand der heutigen menschlichen Gesellschaft. Denn wer kann nicht sehen, daß die Gesellschaft in der heutigen Zeit, mehr als in irgend einem früheren Zeitalter, an einer schrecklichen und tief verwurzelten Krankheit leidet, die sich jeden Tag entwickelt und in ihr Innerstes frisst und sie ins Verderben reißt? Ihr versteht, verehrte Brüder, was diese Krankheit ist – der Abfall von Gott, als der in Wahrheit nichts mehr mit dem Verderben verbunden ist, gemäß dem Wort des Propheten: “Denn siehe, die sich von Dir entfernen, werden umkommen” (Ps. 1xxii., 17). Wir sahen also, daß Wir uns kraft des Amtes des Pontifikats, das Uns anvertraut werden sollte, beeilen müßten, ein Heilmittel für dieses große Übel zu finden, indem Wir jenes göttliche Gebot als an Uns gerichtet betrachteten: »Siehe, Ich habe dich heute über die Völker und Königreiche gesetzt, um zu entwurzeln und niederzureißen, und zu verwüsten und zu zerstören und zu bauen und zu pflanzen« (Jerem. I., 10). Aber im Bewußtsein Unserer Schwäche schreckten Wir erschrocken vor einer ebenso dringenden wie mühsamen Aufgabe zurück.

4. Da es aber dem göttlichen Willen wohlgefällig war, Unsere Niedrigkeit zu einer solchen Erhabenheit der Macht zu erheben, so fassen Wir Mut in Dem, der Uns stärkt; und indem wir uns auf die Kraft Gottes verlassen, verkünden wir, dass wir im Pontifikat kein anderes Programm haben als das, “alles in Christus wiederherzustellen” (Epheser I, 10), damit “Christus alles und in allem sei” (Koloss III, 2). Gewiß werden sich einige finden, die, indem sie die göttlichen Dinge nach menschlichen Maßstäben messen, versuchen werden, unsere geheimen Ziele zu entdecken, indem sie sie zu irdischem Ausmaß und zu parteiischen Plänen verzerren. Um alle eitlen Täuschungen für solche zu beseitigen, sagen Wir ihnen mit Nachdruck, dass Wir nicht sein wollen und mit dem göttlichen Beistand niemals etwas anderes vor der menschlichen Gesellschaft sein werden als der Diener Gottes, dessen Autorität Wir sind. Die Interessen Gottes werden Unser Interesse sein, und für diese sind Wir entschlossen, all Unsere Kraft und Unser ganzes Leben einzusetzen. Sollte uns also jemand um ein Symbol als Ausdruck Unseres Willens bitten, so werden Wir dieses und kein anderes geben: “Um alle Dinge in Christus zu erneuern.” Bei der Übernahme dieser herrlichen Aufgabe sind Wir sehr beseelt von der Gewißheit, daß Wir euch alle, Ehrwürdige Brüder, als großherzige Mitarbeiter haben werden. Hätten Wir daran gezweifelt, müssten Wir euch zu Unrecht entweder als unbewußt oder unachtsam gegenüber jenem frevelhaften Krieg betrachten, der jetzt fast überall gegen Gott angezettelt und geschürt wird. Denn in Wahrheit: »Die Völker haben gewütet und die Völker eitle Dinge ersonnen« (Ps.ii., 1.), so häufig ist der Ruf der Feinde Gottes: »Weicht von uns« (Hiob xxi., 14). Und wie nicht anders zu erwarten, finden wir unter der Mehrheit der Menschen jede Achtung vor dem Ewigen Gott erloschen und keine Rücksichtnahme auf den Höchsten Willen in den Offenbarungen des öffentlichen und privaten Lebens – nein, jede Anstrengung und jeder Kunstgriff wird verwendet, um das Gedächtnis und die Erkenntnis Gottes völlig zu zerstören.

5. Wenn man dies alles in Betracht zieht, hat man guten Grund zu befürchten, dass diese große Verkehrtheit gleichsam ein Vorgeschmack und vielleicht der Anfang jener Übel sein könnte, die für die letzten Tage reserviert sind; und dass es in der Welt schon den “Sohn des Verderbens” gebe, von dem der Apostel spricht (II. Thess. II., 3). Das ist in Wahrheit die Kühnheit und der Zorn, die überall angewandt werden, um die Religion zu verfolgen, um die Dogmen des Glaubens zu bekämpfen, um alle Beziehungen zwischen dem Menschen und der Gottheit zu entwurzeln und zu zerstören! Auf der anderen Seite, und das ist nach demselben Apostel das Kennzeichen des Antichristen, hat sich der Mensch mit unendlicher Kühnheit an die Stelle Gottes gesetzt und sich über alles erhoben, was Gott genannt wird; und zwar so, dass er, obwohl er nicht alle Erkenntnis Gottes in sich selbst völlig auslöschen kann, Gottes Majestät verachtet und gleichsam aus dem Universum einen Tempel gemacht hat, in dem er selbst angebetet werden soll. “Er sitzt im Tempel Gottes und zeigt sich, als wäre er Gott” (II. Thess. II., 2).

6. Wahrlich, niemand mit gesundem Verstand kann an diesem Wettstreit zwischen dem Menschen und dem Allerhöchsten zweifeln. Der Mensch, der seine Freiheit missbraucht, kann das Recht und die Majestät des Schöpfers des Universums verletzen; aber der Sieg wird immer bei Gott sein – nein, die Niederlage ist nahe in dem Augenblick, wo der Mensch sich unter dem Wahn seines Triumphes mit größter Kühnheit erhebt. Dessen wird uns in den heiligen Büchern von Gott selbst zugesichert. Er ist sich seiner Stärke und Größe gleichsam nicht bewußt und »übersieht die Sünden der Menschen« (Wisd. xi., 24), erwacht aber schnell, nach diesen scheinbaren Rückzügen, »erwacht wie ein Starker, der mit Wein überschüttet ist« (Ps. 1xxvii., 65), »er wird seinen Feinden die Köpfe zerbrechen« (Ps. 1xxvii., 22), damit alle erkennen, »daß Gott der König der ganzen Erde ist« (Ib. 1xvi, 8), »damit die Heiden erkennen, dass sie Menschen sind« (Ib. IX, 20).

7. All dies, ehrwürdige Brüder, glauben und erwarten Wir mit unerschütterlichem Glauben. Aber das hindert uns auch nicht daran, uns nach dem Maß, das jedem gegeben wird, anzustrengen, um das Werk Gottes zu beschleunigen – und zwar nicht bloß durch inbrünstiges Gebet: »Steh auf, o Herr, laß den Menschen nicht gestärkt werden« (Ib. ix., 19), sondern, was noch wichtiger ist, indem wir sowohl durch Wort als auch durch Tat und im Licht des Tages bekräftigen: Gottes höchste Herrschaft über den Menschen und alle Dinge, damit sein Recht zu befehlen und seine Autorität voll verwirklicht und respektiert werden können. Dies wird uns nicht nur als natürliche Pflicht auferlegt, sondern durch unser gemeinsames Interesse. Denn, ehrwürdige Brüder, wer kann es vermeiden, entsetzt und betrübt zu sein, wenn er inmitten eines Fortschritts in der Zivilisation, der mit Recht gepriesen wird, den größten Teil der Menschheit so heftig untereinander kämpfen sieht, dass es scheint, als ob Streit allgemein wäre? Der Wunsch nach Frieden ist gewiß in jeder Brust vorhanden, und es gibt niemanden, der ihn nicht inbrünstig anruft. Aber den Frieden ohne Gott zu wollen, ist eine Absurdität, denn wo Gott abwesend ist, fliegt auch die Gerechtigkeit, und wenn die Gerechtigkeit weggenommen wird, ist es vergeblich, die Hoffnung auf Frieden zu hegen. »Der Friede ist das Werk der Gerechtigkeit« (Jes xxii., 17). Wir wissen sehr wohl, dass es viele gibt, die sich in ihrer Sehnsucht nach Frieden, d.h. nach der Ruhe der Ordnung, zu Gesellschaften und Parteien zusammenschließen, die sie zu Ordnungsparteien stilisieren. Hoffnung und Arbeit verloren. Denn es gibt nur eine Partei der Ordnung, die in der Lage ist, inmitten all dieses Aufruhrs den Frieden wiederherzustellen, und das ist die Partei Gottes. Es ist also diese Partei, die wir voranbringen und zu ihr so viele wie möglich anziehen müssen, wenn uns wirklich die Liebe zum Frieden drängt.

8. Aber, ehrwürdige Brüder, es wird uns niemals, so sehr wir uns auch anstrengen, gelingen, die Menschen zur Majestät und zum Reich Gottes zurückzurufen, es sei denn durch Jesus Christus. »Niemand«, ermahnt uns der Apostel, »kann ein anderes Fundament legen als das, was gelegt worden ist, nämlich Jesus Christus.« (I. Kor.,iii., II.) Es ist Christus allein, “den der Vater geheiligt und in diese Welt gesandt hat” (Jes x., 36), “der Glanz des Vaters und das Bild seines Wesens” (Hebr.i, 3), wahrer Gott und wahrer Mensch: ohne den niemand Gott erkennen kann mit der Erkenntnis zum Heil, “und niemand kennt den Vater als nur den Sohn und den, dem es wohlgefällig sein wird, ihn zu offenbaren”. (Matth. xi., 27.) Daraus folgt, dass es ein und dasselbe Ziel ist, alles in Christus wiederherzustellen und die Menschen zur Unterwerfung unter Gott zurückzuführen. Diesem obliegt es Uns also, Unsere Sorge zu widmen – die Menschheit unter die Herrschaft Christi zurückzuführen; Wenn wir das getan haben, werden Wir es zu Gott zurückgebracht haben. Wenn Wir zu Gott sagen, meinen Wir nicht jenes träge Wesen, das sich nichts Menschliches ansieht, wie es sich der Traum der Materialisten vorgestellt hat, sondern den wahren und lebendigen Gott, einen in der Natur, dreifach in der Person, den Schöpfer der Welt, den weisesten Ordensmann aller Dinge, den gerechtesten Gesetzgeber, der die Bösen bestraft und für die Tugend eine Belohnung bereithält.

9. Nun ist der Weg zu Christus nicht schwer zu finden: Es ist die Kirche. Zu Recht schärft Chrysostomus ein: »Die Kirche ist deine Hoffnung, die Kirche ist dein Heil, die Kirche ist deine Zuflucht.« (Hom. de capto Euthropio, Nr. 6.) Aus diesem Grund gründete Christus sie, indem er sie um den Preis seines Blutes gewann, sie zum Verwahrer seiner Lehre und seiner Gesetze machte und ihr gleichzeitig einen unerschöpflichen Gnadenschatz zur Heiligung und Errettung der Menschen schenkte. Ihr seht also, verehrte Brüder, die Pflicht, die Uns und euch gleichermaßen auferlegt worden ist, die menschliche Gesellschaft, die jetzt der Weisheit Christi entfremdet ist, wieder in die Disziplin der Kirche zu bringen; die Kirche wird sie dann Christus unterwerfen und Christus Gott. Wenn Wir durch die Güte Gottes Selbst diese Aufgabe zu einem glücklichen Ende bringen, werden Wir uns freuen, zu sehen, wie das Böse dem Guten Platz macht, und zu unserer Freude “eine laute Stimme vom Himmel hören, die spricht: Jetzt ist das Heil gekommen und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Kraft seines Christus.” (Apoc. xii., 10.) Aber wenn unser Wunsch, dies zu erreichen, erfüllt werden soll, müssen wir alle Mittel einsetzen und all unsere Energie aufwenden, um das völlige Verschwinden der ungeheuren und verabscheuungswürdigen Bosheit herbeizuführen, die für unsere Zeit so charakteristisch ist – die Ersetzung Gottes durch den Menschen; Nachdem dies geschehen ist, bleibt es übrig, die heiligsten Gesetze und Ratschläge des Evangeliums wieder an ihren alten Ehrenplatz zurückzugeben; die von der Kirche gelehrten Wahrheiten und ihre Lehren über die Heiligkeit der Ehe, über die Erziehung und Zucht der Jugend, über den Besitz und Gebrauch des Eigentums, die Pflichten, die die Menschen denen schulden, die den Staat leiten, laut zu verkünden; und schließlich das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Klassen der Gesellschaft gemäß den christlichen Geboten und Sitten wiederherzustellen. Das ist es, was Wir, indem Wir Uns den Offenbarungen des göttlichen Willens unterwerfen, während Unseres Pontifikats anstreben, und Wir werden all unseren Fleiß einsetzen, um es zu erreichen. Es liegt an euch, verehrte Brüder, Unsere Bemühungen durch eure Heiligkeit, euer Wissen und eure Erfahrung und vor allem durch euren Eifer für die Ehre Gottes zu unterstützen, mit keinem anderen Ziel, als dass Christus in allen geformt werde.

10. Was die Mittel betrifft, die zur Erreichung dieses großen Zwecks angewandt werden sollen, so scheint es überflüssig, sie zu nennen, denn sie sind von sich aus offenkundig. Lasst eure erste Sorge darin bestehen, Christus in denen zu formen, die aus der Pflicht ihrer Berufung heraus dazu bestimmt sind, Ihn in den anderen zu formen. Wir sprechen von den Priestern, Ehrwürdige Brüder. Denn alle, die das Siegel des Priestertums tragen, müssen wissen, dass sie die gleiche Sendung für das Volk haben, in dessen Mitte sie leben, wie das, was Paulus ihm mit diesen zärtlichen Worten verkündet hat: »Meine Kinder, von denen ich wieder in Arbeit bin, bis Christus in euch Gestalt angenommen hat« (Gal. iv., 19). Aber wie werden sie diese Pflicht erfüllen können, wenn sie nicht zuerst selbst mit Christus bekleidet sind? und so mit Christus bekleidet, daß er mit dem Apostel sagen kann: »Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus lebt in mir« (ebd. ii, 20). »Christus ist es, daß ich lebe« (Phlipp. I., 21). Obwohl also alle in der Ermahnung enthalten sind, »nach dem vollkommenen Menschen im Maß des Alters der Fülle Christi vorzuschreiten« (Ephes. iv., 3), richtet sie sich vor allen anderen an diejenigen, die das priesterliche Amt ausüben; so werden diese ein anderer Christus genannt, nicht bloß durch die Mitteilung von Macht, sondern auch wegen der Nachahmung Seiner Werke, und sie sollten daher das Bild Christi auf sich tragen.

11. Wenn das so ist, verehrte Brüder, von welcher Art und Größe ist die Sorgfalt, die ihr bei der Bildung des Klerus zur Heiligkeit aufwenden müsst! Alle anderen Aufgaben müssen dieser Aufgabe weichen. Darum wird der Hauptteil eures Eifers darauf gerichtet sein, eure Seminare richtig zu leiten und zu ordnen, damit sie gleichermaßen in der Solidität ihres Unterrichts und in der Makellosigkeit ihrer Sitten gedeihen können. Betrachtet euer Seminar als die Freude eures Herzens und vernachlässigt für dieses Seminar keine jener Vorkehrungen, die das Konzil von Trient mit bewundernswerter Voraussicht vorgeschrieben hat. Und wenn die Zeit kommt, die jungen Kandidaten zu den heiligen Weihen zu befördern, ach! Vergesst nicht, was Paulus an Timotheus schrieb: “Lege niemandem leichtfertig die Hände auf” (I. Tim. V., 22), wobei man sich wohl vor Augen hält, dass die Gläubigen in der Regel so sein werden, wie diejenigen, die man zum Priestertum beruft. Achtet also nicht auf irgendwelche privaten Interessen, sondern habt nur Gott und die Kirche und das ewige Wohl der Seelen im Sinn, damit ihr, wie der Apostel ermahnt, »nicht an den Sünden der anderen teilhabet« (ebd.). Andererseits soll es nicht an Fürsorge für die jungen Priester mangeln, die soeben das Seminar verlassen haben. Aus der Tiefe Unseres Herzens ermahnen Wir Euch, sie oft nahe an Eure Brust zu bringen, die mit himmlischem Feuer brennen soll – sie zu entzünden, zu entflammen, damit sie allein nach Gott und dem Heil der Seelen streben können. Seid versichert, ehrwürdige Brüder, dass Wir auf unserer Seite die größte Sorgfalt walten lassen werden, um zu verhindern, dass die Mitglieder des Klerus in die Schlingen einer gewissen neuen und trügerischen Wissenschaft gezogen werden, die nicht nach Christus schmeckt, sondern mit maskierten und listigen Argumenten den Irrtümern des Rationalismus und Halbrationalismus Tür und Tor zu öffnen sucht; wovor der Apostel Timotheus warnte, auf der Hut zu sein, als er schrieb: »Behalte, was dir anvertraut ist, und meide die profanen Neuheiten der Worte und die Widersprüche der fälschlicherweise so genannten Erkenntnisse, die einige Verheißende in bezug auf den Glauben geirrt haben« (I. Tim. vi., 20 ff.). Das hindert Uns nicht daran, jene jungen Priester für lobenswert zu halten, die sich nützlichen Studien in allen Zweigen der Gelehrsamkeit gewidmet haben, um sich besser darauf vorzubereiten, die Wahrheit zu verteidigen und die Verleumdungen der Feinde des Glaubens zu widerlegen. Doch Wir können nicht verhehlen, nein, Wir verkünden auf die offenste Art und Weise, dass Wir diejenigen bevorzugen und immer bevorzugen werden, die, während sie kirchliche und literarische Gelehrsamkeit pflegen, sich durch die Ausübung jener Dienste, die einem Priester eigen sind, der auf die göttliche Herrlichkeit eifersüchtig ist, stärker dem Wohl der Seelen widmen. »Es ist ein großer Schmerz und ein beständiger Schmerz für unser Herz« (Röm IX, 2), die Klage Jeremias für unsere Zeit zutreffend zu finden: »Die Kleinen baten um Brot, und da war keiner, der es ihnen brach« (Klgl. iv., 4). Denn es fehlt unter der Geistlichkeit nicht an solchen, die sich nach ihrer Neigung zu Werken anpassen, die mehr dem Schein als der wirklichen Festigkeit entsprechen – aber vielleicht nicht so zahlreich sind diejenigen, die nach dem Beispiel Christi die Worte des Propheten zu sich nehmen: »Der Geist des Herrn hat mich gesalbt, hat mich gesandt, die Armen zu evangelisieren, um die Zerknirschten des Herzens zu heilen, um den Gefangenen die Freiheit zu verkünden und den Blinden das Augenlicht« (Lk IV., 18-19).

12. Doch wer kann übersehen, Ehrwürdige Brüder, daß, während die Menschen von Vernunft und Freiheit geleitet werden, der Hauptweg, das Reich Gottes in ihren Seelen wiederherzustellen, die religiöse Unterweisung ist? Wie viele gibt es, die Christus nachahmen und die Kirche und das Evangelium mehr aus Unwissenheit als aus Schlechtigkeit verabscheuen, von denen man wohl sagen kann: “Sie lästern, was sie nicht wissen” (Judas II., 10). Dies ist nicht nur bei dem Volke im allgemeinen und bei den untersten Klassen der Fall, die dadurch leicht in die Irre geführt werden, sondern auch bei den Gebildeteren und bei denen, die überdies mit ungewöhnlicher Bildung ausgestattet sind. Die Folge ist für viele der Verlust des Glaubens. Denn es ist nicht wahr, dass der Fortschritt der Erkenntnis den Glauben auslöscht; Vielmehr ist es Unwissenheit, und je mehr Unwissenheit vorherrscht, desto größer ist die Verwüstung, die durch Ungläubigkeit angerichtet wird. Und deshalb hat Christus den Aposteln geboten: »Geht hinaus und lehrt alle Völker« (Matth. xxvii., 19).

13. Damit aber aus diesem Apostolat und diesem Eifer für die Lehre die ersehnte Frucht hervorgehe und Christus in allen geformt werde, sei daran erinnert, verehrte Brüder, daß kein Mittel wirksamer sei als die Liebe. “Denn der Herr ist nicht im Erdbeben” (III Könige XIX., II) – es ist vergeblich zu hoffen, durch bitteren Eifer Seelen zu Gott zu ziehen. Im Gegenteil, es wird häufiger Schaden als Nutzen angerichtet, wenn man die Menschen mit ihren Fehlern hart verhöhnt und ihre Laster mit Härte tadelt. Der Apostel ermahnte Timotheus zwar: »Klagt an, fleht, tadelt«, aber er achtete darauf, hinzuzufügen: »mit aller Geduld« (II. Tim.iv., 2). Jesus hat uns sicherlich Beispiele dafür hinterlassen. »Kommt her zu mir«, sagt er, »kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken« (Matth. xi., 28). Und mit denen, die arbeiten und belastet sind, meinte er nur diejenigen, die Sklaven der Sünde und des Irrtums sind. Welch eine Sanftmut war das, die der göttliche Meister an den Tag legte! Welch eine Zärtlichkeit, welch ein Mitleid mit allerlei Elend! Jesaja hat sein Herz wunderbar mit den Worten beschrieben: “Ich will meinen Geist auf ihn richten; er soll nicht streiten und nicht schreien; das gequetschte Schilfrohr wird er nicht zerbrechen, er wird den rauchenden Flachs nicht auslöschen” (Jes. xlii., I, s.). Diese »geduldige und gütige« (I. Kor xiii., 4.) wird sich auch auf diejenigen erstrecken, die uns feindlich gesinnt sind und uns verfolgen. “Wir sind geschmäht”, protestierte der heilige Paulus, “und wir segnen; wir werden verfolgt und wir leiden es; wir werden gelästert und flehen« (I. Kor., iv., 12, s.). Sie scheinen vielleicht schlimmer zu sein, als sie wirklich sind. Ihr Umgang mit anderen, Vorurteile, der Rat, der Rat und das Beispiel anderer und schließlich eine unüberlegte Scham haben sie auf die Seite der Gottlosen gezogen; Aber ihr Wille ist nicht so verdorben, wie sie selbst die Menschen glauben machen wollen. Wer hindert uns daran, zu hoffen, dass die Flamme der christlichen Liebe die Finsternis aus ihrem Sinn vertreiben und ihnen Licht und den Frieden Gottes bringen möge? Es mag sein, dass die Frucht unserer Arbeit nur langsam kommt, aber die Nächstenliebe ermüdet nicht des Wartens, da sie weiß, dass Gott seinen Lohn nicht für die Ergebnisse der Mühe, sondern für den guten Willen bereitet, der sich darin zeigt.

14. Es ist wahr, verehrte Brüder, daß bei dieser mühsamen Aufgabe der Wiederherstellung des Menschengeschlechts in Christus weder Sie noch Ihre Geistlichkeit jede Hilfe ausschließen sollen. Wir wissen, dass Gott jedem empfohlen hat, sich um seinen Nächsten zu kümmern (Pred. xvii., 12). Denn es sind nicht die Priester allein, sondern ausnahmslos alle Gläubigen, die sich um die Interessen Gottes und der Seelen kümmern müssen – natürlich nicht nach ihren eigenen Ansichten, sondern immer unter der Leitung und dem Befehl der Bischöfe; denn niemandem in der Kirche außer euch ist es gegeben, zu präsidieren, zu lehren, “die Kirche Gottes zu leiten, die euch der Heilige Geist zur Herrschaft eingesetzt hat” (Apg xx, 28). Unsere Vorgänger haben seit langem jene Katholiken anerkannt und gesegnet, die sich in Gesellschaften verschiedener Art zusammengeschlossen haben, aber immer religiös in ihrem Ziel waren. Auch wir zögern nicht, diese großartige Idee zu loben, und Wir wünschen ernstlich, sie in Stadt und Land verbreitet und gedeihen zu sehen. Wir wünschen aber, daß alle diese Vereinigungen in erster Linie und vor allem auf die beständige Erhaltung des christlichen Lebens unter denen, die ihnen angehören, abzielen. Denn wahrlich, es nützt wenig, Fragen mit schöner Feinheit zu erörtern oder beredt von Rechten und Pflichten zu reden, wenn dies alles nichts mit der Praxis zu tun hat. Die Zeit, in der wir leben, verlangt ein Handeln, aber ein Handeln, das ganz darin besteht, mit Treue und Eifer die göttlichen Gesetze und die Gebote der Kirche zu befolgen, im offenen und offenen Bekenntnis zur Religion, in der Ausübung jeder Art von wohltätigen Werken, ohne Rücksicht auf Eigennutz oder weltlichen Vorteil. Solche leuchtenden Beispiele, die das große Heer von Soldaten Christi gegeben hat, werden bei der Erregung und Anziehung der Menschen von viel größerem Nutzen sein als Worte und erhabene Abhandlungen; und es wird leicht geschehen, daß, wenn die Achtung der Menschen ausgetrieben und Vorurteile und Zweifel beiseite gelegt worden sind, eine große Zahl für Christus gewonnen wird, die ihrerseits Förderer seiner Erkenntnis und Liebe werden, die der Weg zu wahrem und festem Glück sind. Oh! Wenn in jeder Stadt und jedem Dorf das Gesetz des Herrn treu befolgt wird, wenn Heiliges geachtet wird, wenn die Sakramente gespendet werden und die heiligen Handlungen des christlichen Lebens erfüllt werden, werden wir sicherlich nicht mehr nötig sein, weiter zu arbeiten, um zu sehen, dass alles in Christus wiederhergestellt wird. Es wird auch nicht nur dem Erlangen des ewigen Wohlergehens dienlich sein – es wird auch weitgehend zum zeitlichen Wohlergehen und zum Vorteil der menschlichen Gesellschaft beitragen. Denn wenn diese Bedingungen gesichert sind, werden die oberen und wohlhabenden Klassen lernen, gerecht und wohltätig gegen die Niedrigen zu sein, und diese werden in der Lage sein, mit Ruhe und Geduld die Prüfungen eines sehr schweren Loses zu ertragen; die Bürger werden nicht der Lust, sondern dem Gesetz gehorchen, Ehrfurcht und Liebe werden als Pflicht gegenüber den Regierenden angesehen, “deren Macht nur von Gott kommt” (Röm. xiii., I). Und dann? Dann wird es endlich allen klar sein, dass die Kirche, wie sie von Christus eingesetzt wurde, sich der vollen und völligen Freiheit und Unabhängigkeit von jeder Fremdherrschaft erfreuen muss; und Wir, indem wir dieselbe Freiheit fordern, verteidigen nicht nur die heiligen Rechte der Religion, sondern konsultieren auch das Gemeinwohl und die Sicherheit der Nationen. Denn es gilt nach wie vor: »Die Frömmigkeit ist für alles nützlich« (I. Tim. iv., 8) – wenn sie stark ist und gedeiht, »wird das Volk« wirklich »in der Fülle des Friedens sitzen« (Jes. xxxii., 18).

15. Möge Gott, »der reich ist an Barmherzigkeit« (Ephes, II, 4), diese Wiederherstellung des Menschengeschlechts in Jesus Christus gnädig beschleunigen, denn »nicht von dem, der will, noch von dem, der läuft, sondern von Gott, der Barmherzigkeit erweist« (Röm IX, 16). Und lasst uns, verehrte Brüder, »im Geiste der Demut« (Dan. iii., 39) mit beständigem und dringendem Gebet dies von Ihm durch die Verdienste Jesu Christi erbitten. Wenden wir uns auch an die mächtigste Fürsprache der Göttlichen Mutter, um sie zu erhalten, indem wir diesen Unsrigen Brief an den Tag richten, der speziell für das Gedenken an den Heiligen Rosenkranz bestimmt ist, und alle Vorschriften Unseres Vorgängers in Bezug auf die Weihe des heutigen Monats an die erhabene Jungfrau durch das öffentliche Rosenkranzgebet in allen Kirchen anordnen und bestätigen; mit der weiteren Ermahnung, dass als Fürbitter bei Gott auch die reinste Braut Mariens, die Patronin der katholischen Kirche, und die heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus angerufen werden.

16. Und damit dies alles in Erfüllung Unseres sehnlichsten Wunsches verwirklicht werde und bei euch alles gedeihen möge, rufen Wir auf euch die reichlichsten Gaben der göttlichen Gnade herab. Und nun, als Zeugnis jener zärtlichsten Liebe, mit der Wir euch und alle Gläubigen, die Uns die göttliche Vorsehung anvertraut hat, umarmen, erteilen Wir euch, verehrte Brüder, dem Klerus und eurem Volk mit aller Zuneigung im Herrn den Apostolischen Segen.

 

Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 4. Oktober 1903, im ersten Jahr Unseres Pontifikats.

 

PIUS X.

 

 

 


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