Ukraine: Schewtschuk hofft auf russischen Kollaps
In den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine ist katholische Seelsorge praktisch zum Erliegen gekommen. Das sagte der griechisch-katholische Großerzbischof Swiatoslaw Schewtschuk in einem Video-Gespräch mit einer kroatischen katholischen Zeitung
Im Donbass, dem südlichen Teil von Saporischschja sowie auf der schon 2014 von Russland besetzten Krim ist es “für katholische Priester so gut wie unmöglich, ihre Arbeit zu tun”, so Schewtschuk. “Der Grund dafür ist, dass der einzige Ausdruck religiösen Lebens, der in diesen Gebieten erlaubt ist, die russisch-orthodoxe Kirche ist. Katholiken, Protestanten, Juden und Muslime werden als gefährlich angesehen und von den russischen Kräften angegriffen.”
Allerdings bestehe die Kirche ja “nicht nur aus ihrer Struktur und dem Klerus”, so der Kirchenführer. “Wenn mich jemand fragt, ob die Kirche in den besetzten Gebieten präsent ist, sage ich: Natürlich, denn unsre Leute sind dort, unsere Gemeinschaften, unsere Pfarreien, selbst ohne Priester.”
Wie zu Sowjetzeiten: Kirche im Untergrund
Laien träfen sich weiterhin an Sonntagen, um zu beten; viele versuchten, die Liturgie online mitzuverfolgen. Die Lage erinnere ihn “an die Untergrundkirche in Sowjetzeiten”. In dieser Kirche sei auch er selbst aufgewachsen.
“Wenn wir Debatten über Friedensvorschläge für die Ukraine hören und darüber, ob die besetzten Gebiete an Russland abgetreten werden sollten, dann blutet mir das Herz”, so der Großerzbischof. “Unsere Gläubigen dort schreien jeden Tag zu Gott und bitten darum, dass die Eucharistie zu ihnen zurückkommt.”
“Das Geheimnis unseres Sieges … besteht im Durchhalten”
Dass Menschen des Krieges langsam überdrüssig würden – inner- wie außerhalb der Ukraine –, sei normal. “Aber ich bitte Sie: Werden Sie nicht müde. Das Geheimnis unseres Sieges … besteht im Durchhalten.” Auch wenn es allmählich aus den internationalen Schlagzeilen verschwinde, gehe das Leiden in der Ukraine unvermindert weiter.
Auf die Frage, ob er einen Ausweg aus dem Krieg sehe, versetzte Erzbischof Schewtschuk: “Wunder passieren”. So wie einst das “Monster” Sowjetunion zusammengebrochen sei, könne es auch dem russischen Aggressor ergehen. “Im Moment scheint Russland ein mächtiger Nuklearstaat zu sein (…), aber er könnte von einem Moment auf den anderen kollabieren. Wann? Das wissen wir nicht…”
Viel Erklärungsbedarf zur Haltung des Papstes
In dem Gespräch mit “Glas Koncilia” äußert sich Schewtschuk auch zur Ukraine-Politik des Papstes. Franziskus vermeidet es, Russland deutlich als Aggressor zu brandmarken, um eine eventuelle Vermittlung des Vatikans zwischen Moskau und Kiew nicht von vornherein unmöglich zu machen.
Schewtschuk gesteht zu, dass die Diplomatie des Heiligen Stuhls “beiden Seiten gleich nahe und gleichweit von beiden entfernt” sein müsse, “um zu verstehen, zu vermitteln, zu dienen”. Allerdings werde eine solche Neutralität des Vatikan “in der Ukraine derzeit nicht sehr akzeptiert”.
“Jeder erwartet vom Heiligen Vater, den Aggressor zu verurteilen. Wir als Katholiken müssen unseren orthodoxen Geschwistern und anderen Christen sowie den einfachen Bürgern der Ukraine ständig erklären: Lasst den Heiligen Vater seine Aufgabe als höchster Schiedsrichter wahrnehmen, denn wir können von seiner Rolle als Vermittler auch profitieren.”
Diskrete Vermittlung des Heiligen Stuhls ist längst Realität
Durch Vermittlung des Heiligen Stuhls seien schon Tausende von Kriegsgefangenen wieder freigekommen. Im übrigen zeige sich Papst Franziskus “sehr emphatisch gegenüber der Ukraine”, so Schewtschuk unter Verweis auf den Brief, den der Papst letztes Jahr an die Ukrainer geschrieben hat.
glas koncilia – sk, 20. März 2023
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