Papst: Gabe der Fügsamkeit wiederentdecken
Franziskus bedauert, dass nicht mehr “so viel über Gelehrigkeit gesprochen” wird
Quelle
Papst: “Superman-Priester nehmen kein gutes Ende”
Papst Pius XI. (30)
Dostojewski
Franziskus bedauert, dass nicht mehr “so viel über Gelehrigkeit gesprochen” wird. Fügsam zu sein sei nämlich “eine Gabe, um die wir bitten müssen”, sagte der Papst an diesem Donnerstagmittag bei einer Audienz für ein italienisches Priesterseminar aus der mittelitalienischen Region Marken im Vatikan.
Mario Galgano – Vatikanstadt
Fügsamkeit sei eine Tugend, die nicht nur erworben, sondern auch empfangen werden müsse, sagte der Papst abweichend vom Redemanuskript den Priesteramtskandidaten und den Leitern des Seminars “Pio XI” bei der Audienz im Vatikan. “Es ist für jeden von Ihnen wichtig, sich immer wieder zu fragen: ‘Bin ich fügsam? Bin ich rebellisch, oder ist mir das völlig egal, ich mache, was ich will?’ Nein: Fügsamkeit ist eine konstruktive Haltung des Berufes und auch der Persönlichkeit. Ohne Fügsamkeit kann niemand wachsen und reifen”, so der Papst in seiner Ansprache.
Nur durch das Wort Gottes werde ein Gläubiger verwandelt, fügte Franziskus an. Er bat die Seminaristen darum, in der Lage zu sein, “Worte des Lebens zu vermitteln”.
Er erinnerte auch an den Apostel Paulus, der “zu seinem geliebten Jünger Timotheus” gesagt habe: “Denk an deine Mutter und Grossmutter, an deine Wurzeln”, so der Papst. Und dann empfahl er einige Schriftsteller zu lesen, die es verstanden hätten, in die menschliche Seele zu blicken:
“Ich denke zum Beispiel an Dostojewski, der in den elenden Ereignissen des irdischen Schmerzes die Schönheit der rettenden Liebe zu enthüllen vermochte. Aber einige von Ihnen werden vielleicht sagen: Aber was hat Dostojewski hier zu suchen? Diese Dinge sind für die Literaturwissenschaftler! Nein, nein: Sie sind für das Wachsen in Menschlichkeit. Lesen Sie die grossen Humanisten. Ein Priester kann sehr diszipliniert sein, er kann die Theologie gut erklären, sogar die Philosophie und viele Dinge. Aber wenn er kein Mensch ist, ist er nutzlos. Er soll rausgehen und Professor werden. Aber wenn er nicht menschlich ist, kann er kein Priester sein: Ihm fehlt etwas. Fehlt ihm die Sprache? Nein, er kann sprechen. Ihm fehlt das Herz. Seid Experten für Menschlichkeit.”
Die vier Dimensionen der Priesterausbildung
Der Papst gab den “angehenden Priestern” einige Gedanken mit zu “vier Dimensionen der Ausbildung”: menschlich, spirituell, intellektuell und pastoral. “Und diese vier Dimensionen passen zusammen, und eine implementiert die andere: Sie gehen zusammen: die menschliche Dimension, die spirituelle Dimension, die intellektuelle Dimension und die pastorale Dimension”, so der Papst und erzählte dann eine Anekdote:
“Wenn ich sehe – oder besser gesagt, einmal sah ich das: Ich ging Hemden kaufen, als ich noch ausgehen durfte, jetzt kann ich es nicht mehr … [er macht eine Geste, lacht und die anderen lachen, Anm. d. Red.] Da ging ich zu Euroclero gegenüber dem Vatikan. Da war ein junger Mann, Seminarist oder Priester, der nach ein paar Hemden suchte … Ich schaute ihn an … er schaute in den Spiegel … Und dieser Satz kam mir: der feiert sich selbst, und das wird er auch vor dem Altar tun. Bitte, lasst nicht jede liturgische Feier eine Feier unserer selbst sein.”
Der wahre Hirte löse sich nicht vom Volk Gottes, so der Papst; er sei in Gottes Volk, entweder vorne – um den Weg zu zeigen – oder in der Mitte, um es besser zu verstehen, oder hinten, um denen zu helfen, die ein wenig zurückbleiben, erläuterte Franziskus.
“Und auch um das Volk, die Herde, mit der Nase darauf hinzuweisen, wo es neue Mahlzeiten, also Weiden, gibt. Der wahre Hirte muss sich ständig an diesen drei Stellen bewegen: vorne, in der Mitte und hinten. Manchmal lese ich Bücher oder sehe Kongresse über das Priestertum, die diesen oder jenen Aspekt berühren… Es ist wahr, man muss das studieren; aber: wenn all diese Aspekte nicht in der Zugehörigkeit zum heiligen, gläubigen Volk Gottes verwurzelt sind, sind es nur akademische Überlegungen, die nichts nützen. Sie sind ein Priester des heiligen, gläubigen Volkes Gottes; Sie sind Priester, weil Sie als Getaufte alle zur Priesterschaft berufen sind und das können Sie nicht leugnen.“
Austausch mit älteren Priestern
In den vier Dimensionen – menschlich, pastoral, gemeinschaftlich und spirituell – könnten Priester als Professoren, Ausbilder, geistliche Leiter tätig sein oder mit diesen genannten Berufsgruppen sich austauschen. Vor allem sollten sie in ihren Diözesen die älteren Priester aufsuchen, “jene, die die Weisheit des guten Weines haben”, so der Papst:
“Also jene, die euch mit ihrem Zeugnis lehren werden, wie man pastorale Probleme lösen kann; jene, die als Pfarrer die Namen von jedem, von jedem ihrer Gläubigen kannten, sogar den Namen von Haustieren in eurer Gemeinde: das ist es, was mir einer von ihnen einmal sagte. Aber woher wissen Sie – sagte ich ihm – das alles? Er hatte vier Pfarreien, zwar nicht viele Leute, nicht viele, aber vier Pfarreien… ‘Das kann jeder’, sagte er mir und zwar mit Demut. Aber hatte er es geschafft, alle kennen zu lernen? Ja, er kannte den Namen von jedem, sogar den Namen der Hunde der Gemeindemitglieder. Bravo, sagte ich ihm. Ein Priester muss so nah bei den Menschen sein, und auch so nah am Tabernakel: Dieser Priester wachte über alle und tat dies aus dem Glauben heraus und dank der Geduld in Jesus. Alte Priester, die so viele Probleme des Volkes auf ihren Schultern getragen haben und ihnen geholfen haben, mehr oder weniger gut zu leben, und allen geholfen haben, gut zu sterben, sind ein Reichtum. Sprechen Sie mit diesen Priestern, die der Schatz der Kirche sind. So viele von ihnen … manchmal sind sie vergessen oder in einem Altersheim: Gehen Sie hin und besuchen Sie sie. Sie sind ein Schatz.”
vatican news, 10. Juni 2021
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