Das Denken von Robert Spaemann *UPDATE

“Wer sich an seine Kindheit als eine “heile Welt” erinnern könne, werde “leichter mit der unheilen fertig”

Literatur: Robert Spaemann: Rezensionen
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Quelle: Denken
80.Geburtstag
Das unsterbliche Gerücht: Die Frage nach Gott und der Aberglaube der Moderne

Spaemann gilt als Vertreter einer aristotelisch geprägten Naturphilosophie. In seinen Beiträgen zur Rechtsphilosophie betont er die “Aktualität des Naturrechts”. In dem Streit um das Naturrecht erkennt er kein Argument gegen, sondern eines für dieses Recht. Denn “gäbe es kein von Natur Rechtes, so liesse sich über Fragen der Gerechtigkeit gar nicht sinnvoll streiten”. Die Existenz dieses Rechts bedeute nicht, dass es für jedermann offensichtlich ist, sondern “dass in der Richtung, die dieser Name bezeichnet, sinnvollerweise etwas zu suchen sei”. Das Naturrecht lasse sich nicht mehr als ein Normenkatalog beziehungsweise eine Art Metaverfassung verstehen. Eher sei es eine Denkweise, die “alle rechtlichen Handlungslegitimationen noch einmal kritisch” prüfe. 

Für Spaemann bildet die Vernünftigkeit des Glaubens an Gott den Mittelpunkt seiner Philosophie.

Er erläutert die traditionellen philosophischen Gottesbeweise und weist darauf hin, dass diese Gottesbeweise auch im 20. Jahrhundert noch philosophische Bewunderer gefunden haben. Er setzt einen Kontrapunkt zu Philosophen wie Ernst Tugendhat, die meinen, dass die Haltung der Religion “mit der intellektuellen Redlichkeit heute nicht mehr vereinbar” sei. Mit seiner eigenen Argumentation zur Gottesfrage schliesst Spaemann an Nietzsche an, der einmal schrieb: “Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben”.

Seiner Meinung nach hat die Aufklärung ihr Werk getan und ist im Moment in Gefahr, sich wieder selbst abzuschaffen. “Wir müssen lernen, ohne Wahrheit zu leben”, so Nietzsche. Die Frage stellt sich nun, mit welcher Lüge man am besten lebt. Was bleibt, ist dann nur noch Kampf gegen den banalen Nihilismus einer Spassgesellschaft. Für Spaemann ist die Spur Gottes in der Welt der Mensch, der nach seinem Ebenbild geschaffen wurde, “im Gegensatz zu Nietzsches Menschenbild vom findigen Tier”. Gottesebenbildlichkeit des Menschen bedeutet, dass der Mensch als freies, endliches, aber wahrheitsfähiges Wesen geschaffen wurde. 

Seit Jahrzehnten befasst er sich als Philosoph mit der Religion. Dass die Frage nach Gott eine heutige sei, dass ihre Erörterung durchaus der Vernunft bedürfe und sich für die Philosophie lohne, betonte Spaemann schon immer. Spaemann hat keinen Respekt vor “geistlosen” Menschen, welche die Antwort auf die Frage nach Gott als nicht so wichtig und Zeitverschwendung abtun. Schliesslich glaubten die moslemischen Selbstmordattentäter auch an Gott, ja gerade dieser Glaube motiviere sie zu ihren Verbrechen. 

Der Gottesglaube hat für Spaemann Bestand. Er nennt ihn deshalb das “unsterbliche Gerücht”. Universalistische Religionen wie das Christentum könnten auf Mission nicht verzichten. Sie müssten ihre Standpunkte in den allgemeinen Diskurs einbringen. Er ist davon überzeugt, dass zwischen verschiedenen religiösen Standpunkten eine fruchtbare Auseinandersetzung möglich ist. 

Fragen der Erziehung stehen nach Spaemanns Auffassung “am Anfang aller Ethik”. In den 70er Jahren nahm er Stellung zu den Ideen einer “emanzipatorischen Erziehung”. Sinnvoll sei die Idee der Emanzipation dort, “wo Menschen hinsichtlich der Organisation der Rahmenbedingungen ihres Handelns von fremder Vormundschaft befreit werden”. Dieser Begriff von Emanzipation bezeichne “einen Vorgang, der jedesmal einen Anfang und ein Ende” habe, das als Mündigkeit bezeichnet werde. Die Idee der “emanzipatorischen” Erziehung, die er Emanzipationsideologie nennt, meinte dagegen “einen unendlichen und zudem als universal gedachten Prozess” als Erziehungsideal. Er diene dazu, den Kreis derjenigen zu erweitern, die “als unmündig erklärt werden” und legitimiere eine “massive Herrschaftsideologie der Pädagogen”. Die Emanzipationsideologie verwehre dem Kind das Recht auf Möglichkeiten zur Identifikation und Persönlichkeitsentfaltung. Er gehörte 1978 zu den Veranstaltern des Kongresses “Mut zur Erziehung”, der sich gegen emanzipatorische Bildungsexperimente mit Kindern richtete. Aufgabe der Erzieher ist es Spaemann zufolge, das Kind ” an die eigenständige und widerständige Wirklichkeit heranzuführen”. Das Kind müsse zunächst aus “seiner subjektiven Empfindungswelt behutsam und zielstrebig an die Realität” geführt werden. Entscheidend sei, dass “die Wirklichkeit zunächst als hilfreich und freundlich erfahren” werde. Die Stiftung dieser Grunderfahrung – die Psychologie spricht vom Urvertrauen – sei das Wichtigste, “was Erziehung überhaupt zu leisten vermag”. Denn wer sich an seine Kindheit als eine “heile Welt” erinnern könne, werde “leichter mit der unheilen fertig”.

Im Focus, erklärte er in einem Interview über den Weltuntergang  folgendes: Ich glaube nicht, dass die Menschheit noch eine sehr lange Zukunft hat. Ob das jetzt 500 oder 3.000 Jahre sind, weiss ich nicht. Aber dass die Menschheit noch Jahrtausende leben wird, halte ich für extrem unwahrscheinlich.” Eine Ursache hierfür sieht er im zunehmenden Fortschritt von Wissenschaft und Technik, ohne einen nötigen Bewusstseinswandel.

 

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