Enzyklika ‘Mater et Magistra’
Enzyklika ‘Mater et Magistra’ von Papst Johannes PP. XXIII.
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50 Jahre Enzyklika ‘Mater et Magistra’
An die ehrwürdigen Brüder, Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und die anderen Oberhirten, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl leben, sowie an den gesamten Klerus und die Christgläubigen des katholischen Erdkreises über die jüngsten Entwicklungen des gesellschaftlichen Lebens und seine Gestaltung im Licht der christlichen Lehre.
Ehrwürdige Brüder, geliebte Söhne,
Gruss und Apostolischen Segen
Einleitung
1. Mutter und Lehrmeisterin der Völker ist die katholische Kirche.
Sie ist von Christus Jesus dazu eingesetzt, alle, die sich im Lauf der Geschichte ihrer herzlichen Liebe anvertrauen, zur Fülle höheren Lebens und zum Heile zu führen. Dieser Kirche, der “Säule und Grundfeste der Wahrheit” (1 Tim 3, 15), hat ihr heiliger Gründer einen doppelten Auftrag gegeben: Sie soll ihm Kinder schenken; sie soll sie lehren und leiten. Dabei soll sie sich in mütterlicher Fürsorge der einzelnen und der Völker annehmen in ihrem Leben, dessen erhabene Würde sie stets hoch in Ehren hielt, über das sie wachte und das sie beschützte.
2. Christi Lehre verbindet ja gleichsam Erde und Himmel; sie erfaßt den Menschen in seiner Ganzheit, Leib und Seele, Vernunft und Willen; sie führt seinen Sinn von den wechselvollen Gegebenheiten dieses irdischen Lebens zu den Gefilden des ewigen. Dort soll er einmal unvergängliche Seligkeit und Frieden genießen.
3. Die heilige Kirche hat so zwar vor allem die Aufgabe, die Seelen zu heiligen und ihnen die Teilnahme an den himmlischen Gütern zu schenken. Sie bemüht sich aber auch um die Bedürfnisse des menschlichen Alltags. Dabei geht es ihr nicht nur um das Lebensnotwendige. Sie kümmert sich auch um der Menschen Wohlstand und Wohlergehen in den verschiedensten Kulturbereichen, sowie es jeweils die Zeit erfordert.
4. Damit verwirklicht die heilige Kirche den Auftrag Christi, ihres Gründers. Dieser meint vor allem das ewige Heil des Menschen, wenn er einmal sagt: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben” (Joh 14, 6), und bei anderer Gelegenheit: “Ich bin das Licht der Welt” (Joh 8, 12). Wenn er aber beim Anblick der hungernden Menge bewegt ausruft: “Mich erbarmt des Volkes” (Mk 8, 2), zeigt er, wie sehr ihm auch die irdischen Bedürfnisse der Völker am Herzen liegen. Diese Sorge beweisen im Leben unseres göttlichen Erlösers nicht nur seine Worte, sondern auch seine Taten. So hat er, den Hunger der Menge zu stillen, mehrfach wunderbar das Brot vermehrt.
5. Mit diesem Brot, dem Leib zur Speise gegeben, kündigte er jene himmlische Seelenspeise zeichenhaft an, die er “am Abend vor seinem Leiden” den Menschen geben wollte.
6. Kein Wunder also, wenn die katholische Kirche, Christi Lehre aufgreifend und Christi Gebot erfüllend, seit nunmehr zweitausend Jahren, von den Diensten der alten Diakone an bis auf unsere Tage, unentwegt die Fackel der Liebe hochhält. Sie tut es nicht nur in ihrer Lehre. Sie gibt auch das Beispiel der Fülle ihres Tuns. Diese Liebe verbindet harmonisch in sich das Gebot der Zuneigung, die wir zueinander haben sollen, und seine Erfüllung. Wunderbar trägt sie in sich den doppelten Auftrag der Kirche, zu geben: die Gabe der sozialen Lehre und die Gabe der sozialen Tat.
7. Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis dieser von der Kirche im Laufe der Jahrhunderte entfalteten sozialen Lehre und Tat ist nun unstreitig das Rundschreiben Rerum novarum Unseres Vorgängers Leo XIII. Siebzig Jahre sind es jetzt, seit er in ihm seine Grundsätze zur Lösung der Arbeiterfrage im Sinn der christlichen Lehre vortrug.
8. Nur selten fand ein Papstwort einen so weltweiten Widerhall wie dieses. Grund dafür ist sowohl die Gewichtigkeit und Weite seines Inhalts wie die unvergleichliche Kraft seiner Sprache. Inder Tat wurden jene Richtlinien und Mahnungen so bedeutsam, daß sie aus dem Gedächtnis der Nachwelt nicht mehr auszulöschen sind. Seither weitet sich das Wirken der katholischen Kirche sichtbar. Ihr Oberhirt macht sich gewissermaßen die Leiden, die Klagen, die Bestrebungen der unteren Schichten und der Unterdrückten zu eigen. Er tritt auf als Anwalt und Schützer ihrer Rechte.
9. Seitdem ist nun schon ein langer Zeitraum verstrichen. Trotzdem ist bis heute die Kraft jener Botschaft wirksam. Sie ist wirksam in den Verlautbarungen der Nachfolger Leos XIII. auf dem päpstlichen Stuhl. Immer wieder greifen sie in ihren Worten zu Wirtschaft und Gesellschaft auf das Rundschreiben Leos XIII. zurück: bald führen sie es weiter aus; bald stellen sie seine Tragweite deutlicher heraus; bald regen sie, von ihm ausgehend, erneut den Eifer der katholischen Christen an. Die Botschaft ist auch wirksam im Recht vieler Staaten. Vertieft man sich nur gründlich in die Grundsätze, die praktischen Richtlinien und die in väterlicher Liebe ausgesprochenen Mahnworte dieses bedeutenden Rundschreibens Unseres großen Vorgängers, so wird offenkundig, daß sie auch in unsern Tagen noch ihre alte Autorität behaupten; ja daß sie darüber hinaus den Menschen von heute neue und lebendige Anregungen geben können, den Inhalt und Umfang der sozialen Frage, so wie sie sich heute stellt, richtig zu beurteilen und die entsprechende Verantwortung zu übernehmen…..Quelle/Vollständiges Original-Dokument
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