Theologen proben Aufstand
“Instrumentalisieren die zum guten Teil bekannten Kritiker die gegenwärtige Zölibats-Diskussion?”
Mehr als ein Drittel deutschsprachiger Professoren unterzeichnet Reformkatalog – Deutsche Bischofskonferenz begrüsst Beteiligung an Dialogprozess, sieht aber Klärungsbedarf – ZdK unterstützt Forderungen – Forum Deutscher Katholiken übt scharfe Kritik
München/Bonn (DT/KNA/pd), 04.02.2011
Mehr als 150 Theologieprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz votieren für tiefgreifende Reformen in der katholischen Kirche. In der im Internet unter memorandum-freiheit.de veröffentlichten Erklärung mit dem Titel “Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch” plädieren die Theologen unter anderem für eine stärkere Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung von Amtsträgern, die Priesterweihe auch von Verheirateten, eine verbesserte kirchliche Rechtskultur und mehr Respekt vor individuellen Lebensentscheidungen.
Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften oder als wiederverheiratete Geschiedene Liebe und Treue lebten, dürften nicht einfach ausgeschlossen werden.
“Im vergangenen Jahr sind so viele Christen wie nie zuvor aus der katholischen Kirche ausgezogen”, heisst es in dem Text mit Blick auf den Missbrauchsskandal. Sie hätten der Kirchenleitung ihre Gefolgschaft gekündigt oder ihr Glaubensleben privatisiert. Die Kirche müsse diese Zeichen verstehen “und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen, um neue Lebenskraft und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen”. Die “tiefe Krise unserer Kirche” fordere, auch jene Probleme anzusprechen, die nicht unmittelbar etwas mit dem Missbrauchsskandal zu tun hätten. Die “Freiheitsbotschaft des Evangeliums” bilde den Massstab für eine glaubwürdige Kirche. Mit ihrer Erklärung wenden sich die Theologen “an alle, die es noch nicht aufgegeben haben, auf einen Neuanfang in der Kirche zu hoffen und sich dafür einzusetzen”. Sie beziehen sich dabei auch auf “Signale zu Aufbruch und Dialog, die einige Bischöfe während der letzten Monate in Reden, Predigten und Interviews gesetzt haben”.
Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte durch ihren Generalsekretär Hans Langendörfer SJ am Freitag: “Mit ihrem Memorandum wollen zahlreiche Professorinnen und Professoren der Katholischen Theologie zum Gespräch über die Zukunft von Glauben und Kirche in Deutschland beitragen. Zu diesem Gespräch haben die deutschen Bischöfe eingeladen. Es benötigt anregende und weiterführende Einsichten und Überlegungen.” Es sei ein gutes Signal, dass sich auch die Unterzeichner daran beteiligen wollten.
“Das Memorandum trägt im Wesentlichen häufig diskutierte Ideen nochmals zusammen. Insofern ist es nicht mehr als ein erster Schritt. In einer Reihe von Fragen steht das Memorandum in Spannung zu theologischen Überzeugungen und kirchlichen Festlegungen von hoher Verbindlichkeit. Die entsprechenden Themen verlangen dringend eine weitere Klärung. Man benötigt ja mehr als nur ein Entgegenkommen der Bischöfe, um den in der Tat schwierigen Herausforderungen der Kirche in Deutschland zu begegnen”, so Langendörfer. Die Kirche in Deutschland suche mit neuer Lebendigkeit danach, wohin sie ihr Pilgerweg heute führt. Fehler und das Versagen der Vergangenheit sollen, genauso wie die Defizite und Reformerfordernisse der Gegenwart, besprochen und anerkannt werden. Sperrigen Themen ist dabei nicht zu entkommen. “Angst ist in der Tat kein guter Ratgeber. Im Dialog dürfen akademische Weitsicht und intellektueller Scharfsinn, die eine besondere Chance der akademischen Theologie sind, nicht fehlen. Die kommende Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz will ihrerseits Vorschläge erarbeiten, die hoffentlich anregend und weiterführend sein werden.”
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) äusserte sich positiv zu der Erklärung. Sie sei ganz im Sinne der von der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK angestossenen Dialoginitiative, sagte ZdK-Sprecher Theodor Bolzenius der KNA in Bonn. “Wir begrüssen, dass das Gespräch jetzt weiter in Gang kommt und ganz verschiedene Gruppen sich äußern.” Die Themen deckten sich weithin mit denen, die auch das ZdK als wichtig ansehe.
Die Kirchenvolksbewegung “Wir sind Kirche” erklärte, der Aufruf der Professoren zu einem offenen Dialog über Macht- und Kommunikationsstrukturen der Kirche spreche der “grossen Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken aus dem Herzen”. Der Kirche fehle es auf allen Ebenen an Dialog. “Solange nicht alle Bischöfe zu einem Dialog ohne Denkverbote über die Zukunft der Kirche bereit sind, wird die Glaubwürdigkeit der Kirche weiter sinken.”
Kritik äusserte der Sprecher des Forums Deutscher Katholiken, Hubert Gindert. In einer Stellungnahme sagte er (Freitag): “Das Memorandum der Theologen “Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch” bringt nichts Neues. Die bekannten Forderungen der Kirchenvolksbegehrer von anno 1995 werden unter einer neuen Schlagzeile in die Öffentlichkeit transportiert!” Die Verfasser des “Memorandums”, zum guten Teil bekannte Kirchenkritiker, instrumentalisierten nur die gegenwärtige Zölibats-Diskussion, um sich mit ihren uralten Forderungen in Erinnerung zu bringen, so Gindert. Von einem “Aufbruch” könne schon deswegen nicht die Rede sein, weil darin das Wesentliche fehle, nämlich der biblische Aufruf zum Umdenken und zur Umkehr, die für die notwendige Neuevangelisierung in unserem Land Voraussetzung seien. Gindert wörtlich: “Das Forum Deutscher Katholiken fordert alle Katholiken auf, sich durch das “Theologen-Memorandum” nicht beirren zu lassen, sondern die ganze Kraft und Aufmerksamkeit auf einen wirklichen katholischen Neuaufbruch im Glauben, und zwar an der Seite des Hl. Vaters, zu richten!“
Anmerkung der Redaktion: Kaum ein Mitglied einer anderen Glaubensgemeinschaft dürfte sich heute so “genötigt” fühlen, wie jene Katholiken, die seit Jahrzehnten stillschweigend betend die Verschwendung der Resourcen und den gleichzeitlichen Niedergang der eigenen Kirche mitansehen müssen!
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