Benedikt sieht sich nicht als „Gescheiterten“
‘Ich bin Gott dankbar, dass diese Verantwortung, die ich nicht mehr tragen könnte, nicht mehr auf mir lastet“
Und es gab sie: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat in dem Interviewbuch von Peter Seewald „Letzte Gespräche“ bestätigt, dass es während seines Pontifikats eine homosexuelle Seilschaft im Vatikan gab. Er habe sie zerschlagen lassen, so der heute 89-Jährige. „Ob sich wieder was bildet, weiss ich nicht“, fügt Benedikt hinzu. In dem Buch, das an diesem Freitag in Deutschland und anderen Ländern erschienen ist, nimmt der emeritierte Papst auch Stellung zu den Skandalen um pädophile Priester und korrupte Machenschaften im Vatikan: Es sei ihm nicht gelungen, die Kirche so vom „Schmutz“ zu reinigen, wie er sich das gewünscht habe. Immerhin habe er jedoch Hunderte pädophiler Priester entlassen.
Als „Gescheiterten“ sehe er sich trotz dieser Skandale nicht, auch wenn diese Fälle die katholische Kirche in ihren Grundfesten erschüttert hätten, so Benedikt XVI. Für Unruhe gesorgt hätten – neben den Missbrauchsfällen – auch der sogenannte Vatileaks-Skandal, bei dem vatikaninterne Dokumente an die Öffentlichkeit gelangten, sowie „der blödsinnige Fall Williamson“, wie Benedikt wörtlich sagte. Der Papst hatte 2009 die Exkommunikation für die vier Bischöfe der traditionalistischen Piusbruderschaft, darunter Williamson, aufgehoben. Der Brite leugnet öffentlich den Holocaust. Dass es überhaupt zum Fall Williamson kommen konnte, sei der zuständigen Kommission im Vatikan anzurechnen. Diese habe ihn über dessen Vergangenheit nicht informiert. „Ich sehe die Schuld nur bei dieser Kommission“, sagt er nun und kritisiert eine „riesige Propagandaschlacht“ gegen die Kirche. Die der Glaubenskongregation angegliederte Kommission „Ecclesia Dei“ stand von 2000 bis 2009 unter der Leitung des kolumbianischen Kardinals Darío Castrillón Hoyos, der noch im Jahr der Vorfälle 80-jährig in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Zu seinem Amtsverzicht im Februar 2013 sagt Benedikt, es sei „völliger Unsinn“, Spekulationen zu glauben, der Grund sei eine Verschwörung gewesen. Zu der Entscheidung geführt hätte ihn vor allem die körperliche Schwäche. Der Entschluss sei schon im August 2012 gefallen. „Es ging mir nicht so gut“, so der emeritierte Papst. Die Reise nach Mexiko und Kuba habe ihn extrem angestrengt, und den 2013 anstehenden Weltjugendtag in Rio de Janeiro hätte er nicht mehr verkraftet.
Das Amt als Papst vermisse er nicht, lässt Benedikt XVI. wissen. „Im Gegenteil, ich bin Gott dankbar, dass diese Verantwortung, die ich nicht mehr tragen könnte, nicht mehr auf mir lastet.“ Die Macht habe er als etwas „Schweres und Belastendes“ empfunden.
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rv 09.09.2016 mg
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