Nicht aus einem Guss

Auch das Arbeitspapier der kommenden Synode lässt unterschiedliche Meinungen zu

Pfarrer-von-Ars doppelDie Ehe gibt es nur zwischen Mann und Frau, irreguläre Beziehungen in die Kirche integrieren, Homosexuelle respektieren.

Von Guido Horst

Die Tagespost, 24. Juni 2015

Die Ehe gibt es nur zwischen Mann und Frau, jeder Mensch ist zu respektieren, ungeachtet seiner sexuellen Orientierung, und Paare in nicht regulären Beziehungen oder zivil wiederverheiratete Geschiedene sind in das kirchliche Leben zu integrieren: Das sind die zentralen Aussagen des Arbeitsdokuments der kommenden Bischofssynode zu Ehe und Familie, wie sie in der Öffentlichkeit aufgenommen worden sind. Dass sich in der Wahrnehmung der kommenden Vierzehnten Ordentlichen Synode in Rom eine gewisse Zuspitzung auf die Behandlung der Wiederverheirateten und der Homosexuellen ergeben hat, ist dem bisherigen Verlauf des sogenannten synodalen Prozesses geschuldet, der mit dem Schlüsselreferat von Kardinal Walter Kasper vor dem Kardinalskonsistorium im Februar 2014 in seine heisse Phase getreten ist.

Am Dienstag hat der Generalrelator der vergangenen und der kommenden Familiensynode, der ungarische Primas Peter Kardinal Erdö, in Rom das Arbeitsdokument der nächsten Bischofsversammlung, das “Instrumentum laboris”, der Öffentlichkeit vorgestellt, assistiert vom Generalsekretär der römischen Bischofssynode, Kardinal Lorenzo Baldisseri, und dem Sondersekretär der Synode, Erzbischof Bruno Forte von Vasto-Chieti. Wie schon bekannt war, besteht das “Instrumentum laboris” aus dem Abschlussbericht, der “Relatio synodi”, die die Synodenväter Ende Oktober vergangenen Jahres dem Papst übergeben haben, in den zusätzlich einige Ergebnisse der Befragung der Ortskirchen eingearbeitet wurden, die das Synodensekretariat mit einem entsprechenden Fragenkatalog organisiert hatte. Es gab 99 Antworten von Bischofskonferenzen, Orden und anderen dazu berechtigten Einrichtungen sowie 359 Stellungnahmen von Pfarreien, Bewegungen, Verbänden und Einzelpersonen.

Vor allem der erste Teil des Arbeitsdokuments, den Kardinal Erdö zusammenfasste, stellt sich mit grossem Realismus den kulturellen Gegebenheiten von heute und den Herausforderungen an das christliche Bild von Ehe und Familie: Das Dokument nennt die Angst, sich auf Dauer zu binden, Familien mit wechselnden Partnerschaften, die Trennung von Sexualität und Fortpflanzung, die hohen Scheidungszahlen, den allgemeinen Individualismus und den Geburtenrückgang.

Grundsätzlich gibt das “Instrumentum laboris” den Stand der Beratungen und Abstimmungen am Ende der zurückliegenden Synode wieder. Was auch bedeutet, dass in einigen strittigen Fragen wie der Kommunionzulassung der Wiederverheirateten und des pastoralen Umgangs mit Menschen homosexueller Orientierung eine gewisse Bandbreite der Meinungen zur Arbeitsgrundlage auch der kommenden Synode festzustellen ist. Nach der Synode ist vor der Synode. Was von der Bischofsversammlung selber zu sagen ist – sie hat keine Entscheidungen zu fällen, sondern dem Papst nur Empfehlungen zu geben –, gilt erst recht für das “Instrumentum laboris”. Es enthält keine klare Linie, sondern gibt Stimmen wieder. Auch wenn diese sich widersprechen.

Bisher ist das “Instrumentum laboris” nur in italienischer Sprache verfügbar. Die kritischen und von der Öffentlichkeit besonders wahrgenommenen Abschnitte befinden sich im dritten Teil, der der “Mission der Familie heute” gewidmet ist und dann auch die Sorge um die nicht regulären Beziehungen und die sogenannten “verletzten Familien” behandelt. In einer Arbeitsübersetzung hat die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) die Absätze ins Deutsche übertragen, die sowohl während der letzten Familiensynode als auch in der theologischen und öffentlichen Debatte im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.

Die Passage zu einem Weg der Busse und Umkehr sowie einer möglichen Wiederzulassung zur Kommunion übersetzt KNA wie folgt: “Es besteht ein allgemeiner Konsens über die Möglichkeit eines Wegs der Versöhnung oder der Busse unter Aufsicht des Bischofs für die wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen, die sich in einer Situation des Zusammenlebens befinden, die nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Mit Bezug auf ‘Familiaris consortio‘ 84 hat man einen Weg der Bewusstwerdung des Scheiterns und der dadurch verursachten Wunden vorgeschlagen, mit Reue, Klärung einer eventuellen Nichtigkeit der Ehe, Bemühen um eine spirituelle Gemeinschaft und der Entscheidung, enthaltsam zu leben.

Andere wollen nach dem erlebten Scheitern durch einen Weg der Busse einen Prozess der Klärung und Neuorientierung herbeiführen, der von einem damit beauftragten Priester begleitet wird. Dieser Prozess sollte die Betroffenen zu einem ehrlichen Urteil über ihre Situation führen. In dem Prozess sollte auch die Bewertung des Priesters selbst reifen können, damit er von seiner Vollmacht Gebrauch machen kann, in einer der Situation angemessenen Weise zu binden oder zu lösen.

In Bezug auf die Vertiefung über die objektive Situation der Sünde und der moralischen Verantwortlichkeit schlagen einige vor, das ‘Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen Gläubigen‘ der Glaubenskongregation (14. September 1994) zu berücksichtigen und die Erklärung über die Zulassung zum Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte (24. Juni 2000).”

Zur Integration der Wiederverheirateten in das kirchliche Leben heisst es jetzt im “Instrumentum laboris” laut Arbeitsübersetzung von KNA: “Der kirchliche Weg der Eingliederung in Christus, der mit der Taufe beginnt, vollzieht sich auch für wiederverheiratete Geschiedene in Graden durch eine immerwährende Umkehr. Auf diesem Weg gibt es verschiedene Arten und Weisen, mit denen sie eingeladen sind, ihr Leben in Einklang mit Jesus Christus zu bringen, der sie mit seiner Gnade in der kirchlichen Gemeinschaft behütet. Wie bereits ‘Familiaris consortio‘ 84 vorschlägt, sind unter diesen Formen der Teilnahme das Hören von Gottes Wort, die Teilnahme an der eucharistischen Feier, das inständige Gebet, Werke der Nächstenliebe, gemeinschaftliche Initiativen zur Förderung der Gerechtigkeit, Erziehung der Kinder im Glauben, der Geist der Reue, unterstützt vom Gebet und von einem Zeugnis der Aufnahme durch die Kirche. Frucht einer solchen Teilnahme ist die Gemeinschaft des Gläubigen mit der ganzen Gemeinde, Ausdruck der wirklichen Einfügung in den kirchlichen Leib Christi. Was die geistliche Kommunion angeht, ist es notwendig, daran zu erinnern, dass sie die Umkehr und den Stand der Gnade voraussetzt und mit der sakramentalen Gemeinschaft verbunden ist.”

Auch die Tatsache, dass die orthodoxen Gemeinschaften eine von der Kirche zugelassene zweite Ehe kennen, hat Eingang in das “Instrumentum laboris” gefunden. Dazu heisst es: “Der Bezug, den einige auf die Ehepraxis der orthodoxen Kirchen hergestellt haben, muss die unterschiedliche theologische Konzeption der Eheschliessungen berücksichtigen. In der Orthodoxie gibt es die Tendenz, die praktizierte Segnung einer zweiten Verbindung auf den Begriff der ‘Ökonomie‘ (oikonomia) zurückzuführen, gedacht als seelsorgerisches Entgegenkommen gegenüber gescheiterten Ehen, ohne das Ideal der absoluten Monogamie infrage zu stellen. Diese Segnung ist für sich genommen eine Bussfeier, um die Gnade des Heiligen Geistes herabzurufen, damit er die menschliche Schwäche heilt und die Reumütigen zur Gemeinschaft mit der Kirche zurückführt.”

Zur Haltung gegenüber den Homosexuellen heisst es laut KNA: “Man bekräftigt, dass jede Person, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, in ihrer Würde respektiert und mit Sensibilität und Taktgefühl angenommen werden muss, sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Es wäre wünschenswert, wenn die Seelsorgeprojekte der Diözesen der Begleitung von Familien, in denen Personen mit homosexueller Orientierung leben, und den Betreffenden selbst eine besondere Aufmerksamkeit schenken würden.”

Wie bereits im Abschlussbericht der letzten Synode geschehen, bekräftigt auch das “Instrumentum laboris” die Unauflöslichkeit der Ehe von Mann und Frau: “Jesus selbst bestätigt unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Absicht hinsichtlich des menschlichen Paares die unauflösliche Verbindung von Mann und Frau, auch wenn er sagt: ‘Nur, weil ihr so hartherzig seid, hat Mose erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so’ (Mt 19, 8). Die Unauflöslichkeit der Ehe (‘Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen‘, Mt 19, 6) ist nicht vor allem als ein dem Menschen auferlegtes ‘Joch‘ zu verstehen, sondern als ein ‘Geschenk’ für die in der Ehe vereinten Menschen.”

Etwas ausführlicher als in der “Relatio sinodi” behandelt das neue Arbeitsdokument die Ehevorbereitung und die Frage der “Nullität“, der Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe. So heisst es jetzt im “Instrumentum laboris“: “Es wird eine Erweiterung der Bildungsthemen auf den Wegen der Ehevorbereitung gewünscht, so dass diese zu Kursen der Erziehung zum Glauben und zur Liebe werden. Sie sollten die Gestalt eines Weges annehmen, der an der Unterscheidung der persönlichen Berufung und der Berufung als Paar orientiert ist.” Ausdrücklich ist von der “Erneuerung der Familienpastoral” die Rede. Das “Instrumentum laboris” legt grossen Wert darauf, dass angehende Ehepaare und junge Verheiratete auf ihrem Weg auch von erfahrenen Paaren begleitet werden.

Zur Ehenichtigkeits-Feststellung wiederholt das Arbeitsdokument die Empfehlung der “Relatio sinodi”: “Eine grosse Zahl der Synodenväter hat die Notwendigkeit unterstrichen, die Verfahren zur Anerkennung der Nichtigkeit einer Ehe zugänglicher und schneller zu gestalten, und möglicherweise ganz auf Gebühren zu verzichten. Dazu werden unter anderem folgende Vorschläge gemacht: Die Notwendigkeit zweier gleichlautender Urteile aufzugeben; die Möglichkeit, einen Verwaltungsweg unter Verantwortung des Diözesanbischofs festzulegen; ein verkürztes Verfahren, das bei Fällen offenkundiger Nichtigkeit anzuwenden wäre. Einige Synodenväter haben sich dennoch gegen diese Vorschläge ausgesprochen, weil sie kein verlässliches Urteil garantieren würden. Es muss betont werden, dass es in all diesen Fällen darum geht, die Wahrheit über die Gültigkeit des Ehebundes zu ermitteln. Anderen Vorschlägen zufolge sollte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, mit Blick auf die Gültigkeit des Ehesakramentes der Rolle des Glaubens der Brautleute Gewicht zu verleihen, ohne dadurch infrage zu stellen, dass unter Getauften alle gültigen Ehen Sakrament sind.“ Dann aber wird im “Instrumentum laboris” neu hinzugefügt, dass Ehenichtigkeitsverfahren kostenlos sein sollen. Und dazu heisst es: “Was die Kostenlosigkeit angeht, empfehlen einige, in den Diözesen einen dauerhaften und kostenlosen Beratungsdienst einzurichten. Was die doppelten Urteilssprüche angeht, so besteht eine grosse Einigkeit, dass diese zu überwinden sind, abgesehen von der Möglichkeit, dass der Ehebandverteidiger oder eine der Parteien Rekurs einlegt. Dagegen liegt kein einstimmiger Konsens in der Frage vor, ob es die Möglichkeit eines administrativen Vorgehens unter der Verantwortung des Ortsbischofs geben soll.”

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