Ich will es — sei rein!

Impuls zum 6. Sonntag im Jahreskreis B

Münster, 13. Februar 2015, Msgr. Dr. Peter von Steinitz

Im heutigen Sonntagsevangelium wird von einem Aussätzigen berichtet, der Jesus um Hilfe bittet. Der Herr hat Mitleid mit ihm, er berührt ihn und sagt: “Ich will es, werde rein!“ (Mk 1,42)

In der alten Zeit war Lepra eine Geissel der Menschheit. Sie war unheilbar, wenngleich man damit (wenn auch sehr eingeschränkt) leben konnte. Wegen der Gefahr der Ansteckung waren die Aussätzigen jedoch aus dem normalen Leben der Menschen ausgestossen und waren verpflichtet, alle anderen vor sich selbst zu warnen. Sie lebten ausserhalb der menschlichen Ansiedlungen, meistens in Höhlen ausserhalb der Orte, und sobald sie von anderen gesehen wurden, mussten sie laut rufen “Unrein! Unrein!“ Also neben der furchtbaren Krankheit zusätzlich eine ständige Demütigung.

Dass man Menschen, die so sehr im Elend sind, außerdem schlecht behandelt, wäre heute nicht denkbar. Sagen wir es ruhig: in Sachen Feinfühligkeit und Rücksichtnahme haben wir einen wirklichen Fortschritt erreicht.

Anders aber sieht es bei den grundlegenden Fragen des moralischen Verhaltens aus.

Zu allen Zeiten hat die christliche Morallehre (es gibt sie auch heute noch) unter dem Begriff der Reinheit auch die sittliche Reinheit verstanden. Gleichzeitig war es eine allgemeine Erfahrung, dass ein sittlich lauterer Mensch etwas höchst Erfreuliches ist. Ein Mädchen, ein junger Mann, der – wie man damals sagte –’‚auf sich hält’, war (und ist) ein angenehmer Zeitgenosse.

Dazu gehört natürlich, dass man bestimmte Dinge nicht mitmacht. Was wiederum diejenigen zum Widerspruch reizt, die nach der Devise ‘Machs mit!’ leben.

Bis vor etwa fünfzig Jahren war in sexuellen Dingen ziemlich klar, was ‘ging’ und was nicht. Leider war damals schon der Wurm drin, denn der vernünftigen Moral hatte man das Gift der Heuchelei zu trinken gegeben. Viele verhielten sich – oft nur äusserlich – ‘anständig’, nicht aus Liebe zu Gottes Gebot, sondern nur nach der Maxime ‘Was sollen die Leute sagen?’

Soweit so normal.

Nun leben wir aber heute in einer besonderen Zeit. Getreu der Anweisung des Anti-Kirchenvaters Friedrich Nietzsche erleben wir ausserhalb und innerhalb der Kirche die von ihm geforderte ‘Umwertung aller Werte’.

Es ist gut, sich diesen Begriff zu merken. Er wird immer wieder vorkommen. Er bedeutet: was früher als schlecht galt, ist heute nicht nur ‘nicht so schlimm’, sondern ganz und gar positiv. Was dagegen früher gut war, ist heute schlecht.

Bei der globalen Auflösung der Moral haben wir in den letzten fünfzig Jahren schon viel erlebt, aber vieles steht uns noch bevor.

Damals war Abtreibung ein strafwürdiges Verbrechen – heute gilt es als Menschenrecht.

Damals war Ehebruch eine starke moralische Verfehlung – heute hat ein ‘Seitensprung’ eine anerkannte therapeutische Wirkung.

Damals war Euthanasie ein Verbrechen (das höchstens bei den Nazis akzeptiert wurde) – heute sollen wir es den unerleuchteten Niederländern nachmachen und das Töten von Kranken, Alten und sogar Kindern legalisieren.

Die Liste wird immer länger, denn mit allen Mitteln der Medien wird weiter um die Umwertung gekämpft.

Auf der Agenda stehen noch als nächstes Inzest und Sex mit Tieren.

Hier muss der entsetzte Zeitgenosse eigentlich sagen: Soll das christliche Abendland zur Kloake verkommen? Und auch hier wieder werden einige fragen: Wie kann Gott das alles denn zulassen?

Wahrscheinlich würden sich viele Menschen beklagen, wenn Gott das nicht zuliesse. Wir machen ja, was wir wollen, und Gott soll sich da heraushalten.

Bei alledem zeigt sich im öffentlichen Leben genauso wie im persönlichen Bereich: wird der Sünde erst einmal Raum gegeben, wird es kompliziert. Die Heuchelei führt zu weiterer Unlauterkeit. Die sündhaften Strukturen erzeugen nicht nur schlechtes Gewissen, sondern obendrein hohe Kosten, die dann auf die Allgemeinheit umgewälzt werden (indem man z.B. Abtreibungen durch die Krankenkassen bezahlen lässt).

Um wie viel einfacher und friedvoller dagegen gestaltet sich ein Leben, das Gottes Gebot berücksichtigt: “Ich will, sei rein!“

Die Tugend der Reinheit macht den Menschen nobel und schön. Gewiss ist sie nicht immer leicht, und es gibt im Leben der meisten Menschen immer einmal Zeiten, wo man da sehr zu kämpfen hat. Aber es lohnt sich. Das wird jeder bestätigen, der einen solchen Kampf lieber gegen sich selber führt, als gegen andere. Besonders wenn die anderen ungeborene Kinder sind.

Vor wenigen Tagen feierte die Kirche das Fest Unserer Lieben Frau in Lourdes. Bei ihrer letzten Erscheinung im Jahre 1858 sagte Maria von sich selbst: “Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“. Bitten wir die ganz Reine um ihre Fürsprache und Hilfe, wenn es gilt, den jungen Menschen, die jetzt auch schon im Kindergarten sexualisiert werden sollen, die Schönheit der Tugend der Reinheit zu erklären und vor allem vorzuleben.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz, war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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