Kritik am Assessment-Verfahren der Schweizer Bischofskonferenz
Wie CNA Deutsch berichtete, führte die Schweizer Bischofskonferenz am 31. März 2025 ein verbindliches, mehrstufiges Abklärungsverfahren zur psychologischen Eignungsprüfung zukünftiger Seelsorger ein
Kritik am Assessment-Verfahren der Schweizer Bischofskonferenz
30.1.2022: Missbrauch | Glaubenswahrheit.org: Predigten von Prof. Dr. Georg May
Von Alexander Folz
Redaktion – Montag, 29. September 2025
Zunehmend gerät das von der Schweizer Bischofskonferenz eingeführte Assessment-Verfahren gegen Missbrauch im kirchlichen Dienst in die Kritik, wie “swiss-cath.ch” berichtete. Ein aktueller Fall macht offenbar die Probleme des Verfahrens deutlich und wirft Fragen über das Klima in den Schweizer Bistümern auf.
Wie CNA Deutsch berichtete, führte die Schweizer Bischofskonferenz am 31. März 2025 ein verbindliches, mehrstufiges Abklärungsverfahren zur psychologischen Eignungsprüfung zukünftiger Seelsorger ein.
Das Verfahren besteht aus vier Teilen: Psychologischen Tests, einem kompetenzorientierten Gespräch mit Evaluationsexperten, einem forensisch-klinischen Gespräch zur Identifikation von Risikofaktoren sowie einem Abschlussgespräch mit der Bistumsverwaltung.
Ein Priester, der nach Jahren in einer anderen Schweizer Diözese in sein Heimatbistum zurückkehren wollte, wurde von seinem Bischof zu einer psychologischen Abklärung aufgefordert. Obwohl er dem Bischof die Wahl der Abklärungsart überließ, sah er sich plötzlich einem vollständigen Assessment-Verfahren gegenüber.
Besonders das forensisch-klinische Gespräch stößt auf Kritik. Der betroffene Priester beschrieb, dass die zuständige Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie ihre Tätigkeit nicht preisgeben wollte und schlecht vorbereitet wirkte. Das Gespräch beinhaltete detaillierte Fragen zur Familiengeschichte, zu möglichen Selbstmorden von Familienmitgliedern, zum Alkoholkonsum und insbesondere zum Sexualleben des Priesters.
Die Fragen zur Sexualität umfassten unter anderem Erfahrungen in der Jugend, die Häufigkeit von Verliebtheiten, Details zu Selbstbefriedigung und Pornografie sowie die Frage: “Was zieht Sie sexuell an?” Dabei wurde auch explizit nach einer möglichen Neigung zu Minderjährigen gefragt. Im Nachhinein ärgerte sich der Priester, das Gespräch nicht abgebrochen zu haben.
Zunächst erklärte sich der Priester bereit, seine Erfahrungen trotz Anonymisierung zu veröffentlichen, auch wenn ihm bewusst war, dass die Bistumsverwaltung seine Identität erkennen könnte. Die Redaktion von “swiss-cath.ch” hatte ihn ausdrücklich auf mögliche negative Konsequenzen hingewiesen.
Kaum nach der Veröffentlichung des Artikels meldete sich der Priester jedoch und zog seine Einwilligung zurück. Er befürchtete nun doch negative Konsequenzen. Die Redaktion kam diesem Ersuchen nach und wertete den Rückzug als Zeichen vom “derzeit herrschenden repressiven Klima in den Schweizer Bistümern”.
Kritik am Verfahren
Das Assessment-Verfahren wurde unter Mitwirkung von Jérôme Endrass, einem forensischen Psychologen am Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich, entwickelt. Endrass hat sich auf die Risikoeinschätzung bei Gewalt- und Sexualstraftätern spezialisiert. Die Kosten pro Assessment belaufen sich auf rund 5.000 Franken und werden durch Kirchensteuern finanziert.
Kritisiert wird, dass das Dekret der Schweizer Bischofskonferenz keine Rekursmöglichkeit gegen den Ablauf, die Durchführung oder das Ergebnis eines Assessments vorsehe.
Bischof Joseph Maria Bonnemain erklärte dazu wörtlich: “Wenn die psychologischen Fachpersonen bei einer bestimmten Person klar von einer künftigen Beschäftigung als Seelsorger oder Seelsorgerin abraten, werde ich mich an diese Empfehlung halten.”
Gleichzeitig gibt Jérôme Endrass an: “Wir legen Ergebnisse vor, geben aber keine direkte oder gar bindende Empfehlung ab.” Diese Widersprüchlichkeit schafft Rechtsunsicherheit für die Betroffenen, betonen Kritiker.
Intime Fragen und sexuelle Orientierung
Außerdem wird dem Verfahren zur Last gelegt, mit seiner intimen Fragestellung im Widerspruch zu kircheneigenen Schutzkonzepten zu stehen. Der Verhaltenskodex des Bistums Chur fordert beispielsweise: “Ich bringe der Privat- und Intimsphäre der Menschen ein Maximum an Respekt entgegen” und “In jedem Fall unterlasse ich offensives Ausfragen zum Intimleben und zum Beziehungsstatus.”
Der Vatikan definierte indessen in seiner “Leitlinie für die Anwendung der Psychologie bei der Aufnahme und Ausbildung von Priesterkandidaten” aus dem Jahre 2008 beispielsweise auch, dass die “Fähigkeit zur Enthaltsamkeit von sexuellen Handlungen” nicht ausreiche. Es sei auch notwendig, die “sexuelle Orientierung [der Kandidaten] zu berücksichtigen”.
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