Orthodoxe Spaltung und Verlogenheit

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. ist ein Brandstifter, der sich als Feuerwehrmann präsentiert

Quelle
Russland ist verwundbar | Die Tagespost

03.06.2025

Stephan Baier

In pathetischen Worten hat das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, die Einheit der Christgläubigen beschworen: “…wenn wir mit einem Mund und einem Herzen den Glauben an die Heilige Dreifaltigkeit bekennen und am einen Kelch Christi teilnehmen”. Aus Anlass des 1700. Jahrestages des Ersten Ökumenischen Konzils in Nicäa analysierte Kyrill die besiegte arianische Häresie und formulierte in klassisch orthodoxer Ekklesiologie: “Der Heilige Geist lehrt die Kirche, den Herausforderungen der Zeit mit konziliarer Vernunft und brüderlichem Dialog zu begegnen.” So sei es seit dem Jerusalemer Apostelkonzil gewesen und so solle es “bis ans Ende der Zeit sein”.

Kirchennahe Kreise interpretierten dies prompt als Wunsch nach einem gesamtorthodoxen Konzil, zumal Kyrill unterstrich, dass “die Orthodoxie weltweit eine sehr schwierige Zeit durchmacht und ein tiefes theologisches Verständnis der ekklesiologischen Probleme erforderlich ist”. Jedoch war es die russische Orthodoxie mit Patriarch Kyrill an der Spitze, die das über Jahrzehnte sorgsam vorbereitete Panorthodoxe Konzil im Jahr 2016 auf Kreta durch ihren Boykott scheitern ließ. Zwar blieben auch andere orthodoxe Kirchen – etwa die unter Moskaus Einfluss stehende georgische Orthodoxie – dem Konzil fern, doch erst das Gewicht der zahlenmäßig größten Kirche, also der russischen Orthodoxie, nahm dem Konzil von Kreta seine globale Wirkung.

Machtpolitik statt kirchlicher Geist

Es war das von Kyrill geleitete Patriarchat, das die von ihm beschworene “konziliare Vernunft” ignorierte, den “brüderlichen Dialog” verließ und die Einheit sprengte. Im Streit um die Stellung und Zukunft der Orthodoxie in der Ukraine kündigte Moskau einseitig die eucharistische Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und mit allen orthodoxen Kirchen auf, die seiner Entscheidung folgend die Autokephalie der ukrainischen Orthodoxie anerkannten. Moskau sprengte jene eucharistische Gemeinschaft, die im orthodoxen Denken Kirchengemeinschaft ausdrückt und festigt – einseitig und aus machtpolitischen Motiven.

Wiederum – wie im Fall des Arius – sind es nicht allein pragmatische oder taktische Fragen, die die Einheit der Kirche verletzen. Kyrill und seine Entourage im Moskauer Patriarchat haben nicht einfach die Einheit mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin der Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchen und der weltweiten Orthodoxie vorgezogen. Vielmehr folgt das Moskauer Patriarchat einer Irrlehre, die die Orthodoxie bereits 1872 als “Ethnophyletismus” verurteilt hat: sie versteht die Kirche als Trägerin der nationalen Identität, ja sie stellt die ideologisch interpretierte Sendung der russischen Zivilisation über die christliche Berufung aller Getauften. Kyrill gibt dem Imperialismus Putins einen ideologischen Überbau, aber der Gemeinschaft der orthodoxen Kirchen hat er damit schweren, vielleicht irreparablen Schaden zugefügt.

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