Katholiken, raus aus der Schmollecke

Der Blick in die USA zeigt: Gerade Katholiken können Politik vordenken. Wann wird das auch in Deutschland so sein?

Quelle
Amerika (212)

14.11.2024

Sebastian Sasse

Ganz abgesehen davon, wie das parlamentarische Procedere nun weitergehen wird und wann wir dann tatsächlich wählen werden, die Vertrauensfrage stellt sich längst nicht mehr nur mit Blick auf den Kanzler, sie ist zum generellen Problem dieses Landes geworden. Deutschland war über Jahre der Inbegriff von Stabilität und Prosperität. Zumindest in den Regionen der Welt, in denen es den Menschen trotz Ampel-Chaos wesentlich schlechter geht als uns, genießt dieses Land auch heute noch diesen Ruf. Wäre es anders, gäbe es nicht das Migrationsproblem. Jedenfalls wird Deutschland schon seit längerer Zeit, wahrlich nicht erst seit Beginn der Ampel-Koalition, schon gar nicht wegen deren Ende, von dem Gefühl bestimmt, irgendwie ginge alles den Bach runter. Verbunden ist dies mit einer Mischung aus Fatalismus und Lethargie.

“Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen” – dieser Satz von Helmut Schmidt ist falsch, übrigens wie so vieles von dem zu Unrecht zum Mythos verklärten Altkanzler. Freilich bringt er eine Grundeinstellung zum Ausdruck, die über Jahrzehnte den mentalen Zustand dieses Landes geprägt hat. Dabei brauchen wir nichts so dringend wie eine Vision für die Zukunft dieses Landes. Dass der Status quo mit Stabilität gleichzusetzen sei, ist ein typischer deutscher Fehlschluss. Dass sich gar in der bloßen Sicherung eines solchen Zustandes schon ein konservatives Politik-Programm ausdrücke, ist ebenfalls unzutreffend. Doch genau in diese Falle droht die Union zu tappen, obwohl sie nun als Führerin der Opposition inhaltlich auftrumpfen könnte. Alles deutet auf eine neue Große Koalition hin – die freilich mittlerweile eine kleine wäre.

Die große Ideenlosigkeit der deutschen Christdemokratie

Es hängt neben dem Gespür für die Grundstimmungen – der deutsche Michel schimpft zwar gerne, er will aber letztlich keine Zäsuren – auch mit einer großen Ideenlosigkeit innerhalb der deutschen Christdemokratie zusammen. Zwar ist es mit dem neuen Grundsatzprogramm der CDU besser geworden und dem Generalsekretär Carsten Linnemann kann man abnehmen, dass er zumindest begriffen hat, dass es im politischen Machtkampf auch immer um die intellektuelle Deutungshoheit geht. Aber das reicht nicht.

Und damit sind wir bei der Rolle, die lehramtstreue Katholiken in diesem Zusammenhang spielen könnten. Darin, die vielen programmatischen Lücken aufzuspüren, sind sie in der Regel unübertroffen. Aber wie sieht es mit dem politischen Praxistest aus? Lücken können nur geschlossen werden, wenn Menschen bereit sind, diese eben auch auszufüllen. Man mag über die trumpistischen Republikaner denken, was man will, aber eines lässt sich wohl schwer leugnen: Die Rolle, die Katholiken, die auch als solche bewusst politisch denken, als intellektuelle Zulieferer hier spielen, ist unübersehbar. Diese Lage ist Lichtjahre von den deutschen Verhältnissen entfernt. Natürlich kann man nicht alles vergleichen. Aber trotzdem: Die Amerikaner werden gerne von uns arrogant als “große Kinder” belächelt. Aber ist es nicht vielleicht genau das, was uns fehlt? Die kindliche Zuversicht und Hoffnung, mit seinen Ideen und Zielen zum Erfolg zu kommen, wenn man sich denn nur bemüht und anstrengt?

In Deutschland beschäftigt man sich lieber mit fruchtloser Kirchenpolitik oder sucht den Ausweg in der Flucht in aussichtslose Kleinstparteien. Der Sinn für Macht drückt sich darin aus, tatsächlich etwas machen zu wollen. Zu viele fühlen sich aber in der Schmollecke wohl. Das muss sich ändern. Denn die Katholiken müssen dabei mithelfen, dass die Deutschen wieder Vertrauen zu sich selbst finden.

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