Die Welt zu Gast bei Putin

Der BRICS-Gipfel wird zum Schaulaufen für Russlands und Chinas “neue Weltordnung”, doch eine Wertegemeinschaft ist BRICS nicht

Quelle
Alleine kann Selenskyj nicht siegen | Die Tagespost
Generalaudienz vom 18. Oktober 2006 | BENEDIKT XVI.

22.10.2024

Stephan Baier

Weitgehend isoliert schien Wladimir Putins Russland unmittelbar nach der Invasion in der Ukraine: Nur fünf Staaten hielten dem Aggressor die Treue, aber 141 Staaten verurteilten per Resolution der UN-Vollversammlung am 2. März 2022 den Überfall Russlands auf seinen Nachbarn. Zweieinhalb Jahre später kann von internationaler Isolation keine Rede sein: Repräsentanten von 36 Staaten geben sich im russischen Kasan in dieser Woche ein Stelldichein, darunter 24 Staats- oder Regierungschefs. Gastgeber des BRICS-Gipfels, der an diesem Dienstag beginnt, ist Wladimir Putin.

Für den Kreml ist das BRICS-System mehr als nur eine Alternative zu G7, mehr als eine von Amerika und der Europäischen Union abgekoppelte Wirtschaftsgemeinschaft. Moskau und Peking sehen darin ein anti-westliches Bündnis, eine Form des organisierten Widerstands gegen den “kollektiven Westen” und die weltpolitische wie weltwirtschaftliche Dominanz der USA. Konsensfähiger ist unter den BRICS-Mitgliedern aber die These, es handle sich um einen Baustein der “multipolaren Welt”.

BRICS ist keine Wertegemeinschaft

Antikolonialistisches Pathos ist hier aber völlig unangebracht: Gemeinsam repräsentieren die BRICS-Mitglieder 45 Prozent der Weltbevölkerung und 35 Prozent des globalen BIP. Einige BRICS-Staaten praktizieren neue Formen von Kolonialismus, Ausbeutung und Unterdrückung, etwa die BRICS-Führungsmacht China oder die wahhabitische Königsdiktatur Saudi-Arabien. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), der Iran, Brasilien und Russland können sich wohl kaum glaubwürdig zur Stimme des unterprivilegierten Südens aufschwingen.

Eine Wertegemeinschaft ist BRICS noch viel weniger: Da sitzen anti-westliche Staaten (wie Russland, Iran und China) mit pro-westlichen Ländern (wie Saudi-Arabien und Ägypten), kommunistische und islamistische Tyranneien sowie – mit China und Indien – sogar erklärte Gegner an einem Tisch. Viele Regierungen, die zuletzt bei BRICS andockten, wollen sich geopolitisch einfach alle strategischen Optionen offenhalten. Diese Tendenz führte nun sogar den Präsidenten des NATO-Mitglieds Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, nach Kasan. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić beließ es bei einem ausführlichen, freundschaftlichen Telefonat mit Putin.

Kein Zweifel: Die globale Führungsrolle der USA wird weltweit hinterfragt. Autokraten unterschiedlicher ideologischer und (anti-)religiöser Verortung finden zusammen und suchen nach Formaten, die ihnen Macht und Einfluss verheißen. Eine multipolare Weltordnung zeichnet sich ab, die weniger demokratisch, weniger rechtsstaatlich und weniger freiheitlich ist. Und gewiss auch nicht friedlicher.

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