Sanija Ameti entschuldigt sich

Sanija Ameti entschuldigt sich – Churer Bischof ruft zur Vergebung auf  – Die Schweizer Politikerin Sanija Ameti benutzte ein Bild von Maria und Jesus als Zielscheibe für Schießübungen. Die Reaktionen reichen von Parteiausschluss bis Solidarisierung

Quelle
Inakzeptable Zielscheibe für Schiessübungen | Bistum Chur (bistum-chur.ch)
Sanija Ameti wird vergeben, aus christlicher Pflicht | Bistum Chur (bistum-chur.ch)

13.09.2024

Dorothea Schmidt

Das Foto eines Plakates mit den von Schusslöchern übersäten Gesichtern von Jesus und Maria geht viral. Was die Schweizer Politikerin der Grünliberalen Partei (GLP) und Züricher Stadträtin, Sanija Ameti, eine Schussübung nannte, löste weltweit Entsetzen aus. Die Aktion der Jungpolitikerin reiht sich ein in eine Reihe von Vorfällen in jüngster Zeit, in denen der christliche Glaube nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst wurde – wie etwa die Darstellung des Abendmahls bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris. Ametis Schuss jedenfalls ging buchstäblich nach hinten los.

Ihre eigene Partei hat ein Ausschlussverfahren gegen Ameti eingeleitet. Das Beratungsunternehmen “Farner Group”, für das Ameti arbeitete, teilte dieser per E-Mail mit, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Morddrohungen und Hasstiraden prasselten auf die 32-jährige Jungpolitikerin ein, weshalb sie samt Familie unter Polizeischutz steht. Aber es gibt auch Solidarität von Politiker-Kollegen. Und die Schweizer Bischöfe reagierten zwar mit Missbilligung auf die Tat selbst, begrüßten aber Ametis an den Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain gerichtete Entschuldigung. Dieser rief die Gläubigen auf, Ameti zu vergeben.

“Es tut mir unendlich leid”

Ameti hatte nach ihrer sogenannten Schießübung auf ein Plakat, das Jesus und dessen Mutter darstellt, Bilder von dem durchlöcherten Plakat gemacht und mit dem Kommentar “Abschalten” ins Netz gestellt. Aufgrund des darauffolgenden Shitstorms löschte sie die Bilder, die bereits im Umlauf waren, und entschuldigte sich. Auf der Plattform X schrieb sie: “Ich entschuldige mich bei den Leuten, die sich durch meinen Beitrag verletzt fühlten. Ich habe ihn sofort gelöscht, als ich seinen religiösen Inhalt erkannte. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Es tut mir unendlich leid.”

Sie habe die Schüsse aus etwa zehn Metern Entfernung geübt und das Plakat lediglich als “groß genug” für ein geeignetes Ziel empfunden, erklärte Ameti, die Berichten zufolge als Schusswaffenliebhaberin gilt und Anwältin mit Fachkenntnissen in Cybersicherheit ist. Die Entschuldigung nimmt ihr nicht jeder ab.

Plakat zeigt Gemälde aus dem 14. Jahrhundert

Bei Ametis fragwürdiger Zielscheibe handelt es sich um ein Plakat  des Aktionshauses Koller, das Details des Werks “Madonna mit Kind und Erzengel Michael” des italienischen Malers Tommaso del Mazza aus dem 14. Jahrhundert zeigt. Dieses Gemälde soll am 20. September versteigert werden. Gaudenz Freuler, der das Bild für das Aktionshaus kunsthistorisch analysiert hat, nannte die Entschuldigung eine “faule Ausrede”.

Jedem, insbesondere einer Person mit Universitätspromotion, sollte klar sein, dass man damit eine gewisse Personengruppe verletze und viel Raum für Spekulationen rund um die Absichten lasse, sagte der emeritierte Professor für Kunstgeschichte. Er ist nicht der einzige, der sich über Ametis Tat empörte.

“Das war eine kalkulierte Provokation”

Im aktuellen Podcast “Politbüro” des Schweizer Tages-Anzeigers sprachen die Chefredakteurin des Blattes, Raphaela Birrer, sowie die Redakteurinnen Larissa Rhyn und Jacqueline Büchi mit dem Podcast-Gastgeber Philipp Loser, ebenfalls Redakteur des Tages-Anzeigers, über den Fall. Sie sind der Meinung, dass Ameti genau gewusst haben müsse, was sie getan hat. Eine der Tages-Anzeiger-Redakteurinnen sprach von einer “kalkulierten Provokation”. Ameti sei keine Anfängerin, wenn es um Provokationen gehe. Sie wisse, “wie man auf sich aufmerksam macht”. 

Tatsächlich ist Ameti für markige Äußerungen bekannt. So machte sie im Vorfeld der Bundesratswahlen 2022 mit einer Bemerkung zu Politikerkollegen von sich reden. Auf die Frage einer Journalistin in einer Talksendung, welchen der beiden Kandidaten der Schweizerischen Volkspartei (SVP) —Hans-Ueli Vogt (52) und Albert Rösti (55) —  sie als “grüneren Bundesrat” einschätzen würde, antwortete sie: “Beides sind stramme SVP-Politiker, und ich kann mir wahrscheinlich politisch betrachtet auch keinen von ihnen schöntrinken.” Wenn sie allerdings “Rösti” höre, habe sie immerhin eine gute kulinarische Assoziation.

Aufruf zur Vergebung

Die Schweizer Bischöfe bemühten sich nun freilich um eine differenzierte Reaktion. In einer Anfang der Woche auf der Internetseite der Schweizer Bischofskonferenz veröffentlichten Erklärung verurteilten sie „dieses inakzeptable Verhalten“. „Selbst wenn man von der religiösen Darstellung der Muttergottes – die dieses Bild sehr deutlich zeigt – absieht, zeugt die Verwendung dieses Bildes von Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber der menschlichen Person.“ In der Gesellschaft bleibe es „von entscheidender Bedeutung, dass Bildung und Erziehung aktiv zum Respekt der menschlichen Person und ihrer religiösen Überzeugungen beitragen“.

Andererseits zeigten sie sich dankbar darüber, dass Ameti den Churer Bischof Bonnemain in einem handgeschriebenen Brief um Verzeihung gebeten hat. Dieser schrieb in einem weiteren Statement, dass er der Politikerin vergeben habe und “alle gläubigen Katholiken, Christen, Muslime, jeder, der sich in seinen religiösen, menschlichen Gefühlen verletzt fühlt” darum bitte, es ihm gleichzutun. Denn Hass und Verfolgung könnten nicht die Antwort sein. Vergebung sei “einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Begriff in der Bibel”. Weiter erklärte er, Vergebung sei ein Geschenk Gottes, “das uns dazu bringt, immer wieder aufeinander zuzugehen”. Sanija Ametis Leben verdiene denselben Respekt und Schutz, “den wir uns für jeden Menschen wünschen, genauso wie für unsere Glaubensüberzeugungen”. Für weitere Aussagen war der Bischof nicht zu erreichen.

Ametis eigene Partei geht mit ihr härter ins Gericht: Die GLP erklärt auf ihrer Internetseite: “Mit ihrem Instagram-Post hat sie unzählige Menschen verletzt. Ein Post, in dem Ameti zeigt, dass sie mit einer Schusswaffe mehrfach auf ein Bild von Maria und das Jesuskind geschossen hat, entspricht keinesfalls den Werten unserer Partei. Ein solcher Post kann als Ausdruck von Hass und Gewalt verstanden werden. Das hat in der GLP keinen Platz.” Die Züricher Gemeinderätin habe das Ansehen der Grünliberalen beschädigt. Damit sei “die Voraussetzung erfüllt, um ein Ausschlussverfahren zu starten”. “Parteischädigend” nannte der GLP-Chef das Verhalten in einem Interview mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).

Vergebung ist “völlig angebracht”

Für die Schweizer Politologin Sarah Bütikofer ist der Parteiausschluss folgerichtig. Auf Anfrage der “Tagespost” erklärte sie: “Wenn durch eine Provokation das Fundament der Beziehung zwischen Partei und Mitglied erschüttert wird, folgte eine harte Reaktion der Partei.” Allerdings hält sie sie Kampagne gegen Ameti für “beispiellos und nicht mehr zu tolerieren als Teil des politischen Systems”. Aus christlicher Sicht sei Vergebung daher “völlig angebracht”.

Die aus dem heutigen Bosnien stammende Ameti bezeichnet sich selbst mal als muslimisch, mal als agnostisch. Sie galt als enormes Polit-Talent, stieg rasant in Führungsriegen auf. Folgt nun der Fall? Zumindest die “Operation Libero”, eine progressive “Bewegung”, deren Co-Präsidentin Ameti ist, werde ihr nach Einschätzung der Bütikofers “wohl treu” bleiben. Ob es andersherum auch der Fall sein werde, komme “auf Ameti selbst und ihre Resilienz an”.

 

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