Rolle der Großeltern im Leben der Enkel

Gottes Aufgabe für die Großeltern ist es, den Glauben an die nächste Generation weiterzugeben, davon ist Michael Shaughnessy überzeugt. Deshalb hat er “Grandly – der strategische Großelternclub” gegründet

Quelle
The Strategic Grandparent: Your Most Important (and Fun) Role Yet
Großeltern verkünden den Glauben  | Die Tagespost (die-tagespost.de)

07.07.2024

Anna Weber

“Lerne Deutsch, antwortete mir mein Großvater vor 60 Jahren auf die Frage, ob ich eine Fremdsprache erlernen sollte.” Das erzählt Michael Shaugnessy in seinem Buch “Die strategischen Großelten”, einer Anleitung für Großeltern, die ihren Enkeln den Glauben vermitteln möchten. Der Amerikaner aus Minnesota lernte dann wirklich Deutsch, studierte später Deutsch und katholische Theologie.

Mit seinem Abschluss war er dann 30 Jahre lang in den USA und in London in der katholischen Jugendarbeit tätig, immer wieder auch mit Jugendlichen aus Deutschland, eben weil sein Deutsch so gut war. Was das alles mit dem Thema dieses Textes zu tun hat? Nun, nach seinem langen Berufsleben im Dienst der Jugendarbeit bekam Michael eines Tages einen Anruf. Hören wir mit seinen eigenen Worten, wie die Geschichte weitergeht.

Den Glauben neu entdeckt

“Eine junge Frau, mit der ich damals in Deutschland gearbeitet hatte, erzählte mir von ihrer Glaubenskrise. Während wir redeten, stellte sich heraus, dass sie einige Freunde, die sie vom Glauben abbrachten, zurücklassen musste, um ihren Glauben in einem christlichen Umfeld neu zu entdecken. Ich war zu diesem Zeitpunkt Leiter eines freiwilligen christlichen Jahres (Missionsjahres) und lud sie ein, nach Amerika zu kommen. Das tat sie und es veränderte ihr Leben.

Als sie nach Deutschland zurückkehrte, erzählte sie einem jungen Mann von ihrem Glauben, der sich daraufhin bekehrte; die beiden heirateten und zogen neben ihren älteren Bruder, der seinen Glauben schon Jahre zuvor verloren hatte. Bald schon teilte sie ihren Glauben mit ihm, seiner Frau und ihren Kindern. Sie entdeckten ihren Glauben wieder und sind nun aktiv im christlichen Leben der Kirche. Ich sehe einen direkten Zusammenhang zwischen der Konversation mit meinem Großvater und diesen jungen Familien in Deutschland. Mein Großvater wurde von Gott auf eine Art und Weise geführt die er selbst zu Lebzeiten nicht erkannt hatte.”

Kleiner Satz, große Wirkung

Diese junge Frau war ich, Anna. Und ich danke Michaels Großvater, dass er Michael damals zum Deutschlernen geschickt hat. Eine kleine Bemerkung hatte einen riesigen Welleneffekt über Generationen hinweg. Michael ist 72 Jahre alt, hat weiße, dicke Haare und einen Bart. Seine Augen blitzen vor Witz und Offenheit. Er lebt als Laie in einer ökumenischen Bruderschaft, den “Servants of the Word”, und ist noch immer Jugendarbeiter aus tiefstem Herzen. Über Jahrzehnte hinweg hat er Kindern und Jugendlichen die frohe Botschaft nahegebracht, ihnen erzählt, was Gott in seinem Leben getan hat – so auch mir.

Als ihn sein Freund Bill eines Tages beim Golfspielen nach Ideen für ein Geschenk für seinen Enkelsohn fragt, beginnt es in Michael zu arbeiten. Bill möchte seinem Enkelsohn die Teilnahme an einem Missionseinsatz finanziell ermöglichen. Er erzählt Michael, wie er immer wieder versucht, seinen Enkeln das Evangelium näher zu bringen und sich aktiv an deren Leben zu beteiligen. Er zahlt ihnen die Fahrt zu einer christlichen Veranstaltung, kauft ihnen die Bibel als Audiobuch oder ruft die ganze Familie dazu auf, eine Woche lang für ein bestimmtes Thema zu beten.

Glauben an die Enkel weitergeben

Michael überlegt: Was, wenn Großeltern die Weitergabe des Glaubens an ihre Enkel so strategisch angehen würden, wie es Bill tat? Auch die Erinnerung an die oben erzählte Begebenheit mit seinem Großvater führt Michael dazu, sich Gedanken über die Rolle der Großeltern im Leben ihrer Enkel zu machen. Was, wenn man Großeltern Ideen und Wissen an die Hand geben könnte, die ihnen helfen, aktiv in das Glaubensleben ihrer Enkel hinein zu sprechen, strategisch zu denken und eine tragende Rolle zu spielen? Was, wenn Großeltern eine Art christliche Jugendarbeiter werden könnten, die ihren Enkeln dabei helfen, Gott kennenzulernen?

Als ich Michael treffe, erzählt er mir, die Rolle der Großeltern erinnere ihn an die eines Steinmetzes beim Bau einer der großen Kathedralen. Dieser verbrachte Stunden damit, die lockige Wolle eines Schafes aus Marmor herauszuarbeiten. Ein winziger Teil dieser großen Kathedrale, deren Bau der Steinmetz nicht von Anfang bis Ende miterleben würde. Ein Steinmetz, der sein Wissen an seine Kinder und Enkel weitergibt, damit auch diese die Arbeit an der Kathedrale weiterführen können, an diesem monumentalen Bau zur Ehre Gottes, der auch heute noch Ehrfurcht erweckt.

Der Steinmetz war davon überzeugt, dass diese Arbeit der Liebe den kommenden Generationen dienen würde, und die Hoffnung darauf ließ ihn sein Bestes geben. Michael vergleicht diesen Bau der Kathedrale mit dem Bau des Tempels aus lebendigen Steinen im Ersten Petrusbrief 2,5. Auf den Schultern der Großeltern ruht die Zukunft. Auch heute ist das noch richtig. Während die Aufgabe, die eigenen Kinder großzuziehen, hinter ihnen liegt, geht es nun darum, den Glauben, die Tugenden und Fähigkeiten an die Enkel weiterzugeben, um das Königreich Gottes aufzubauen.

Auch Großeltern dürfen strategisch denken

2015 hat Michael “Grandly – the Strategic Grandparents Club” gegründet: “Großartig – der strategische Großelternclub”, ein Wortspiel, das auch auf Deutsch funktioniert. Damit möchte er Großeltern ermutigen, eine maßgebliche Rolle im Glaubensleben ihrer Enkel zu spielen. Er zitiert aus der Bibel: “Vergiss nicht die Ereignisse, die du mit eigenen Augen gesehen, und die Worte, die du gehört hast! Lass sie dein ganzes Leben lang nicht aus dem Sinn! Präge sie deinen Kindern und Kindeskindern ein!” (Deuteronomium 4,9) Gottes Aufgabe für die Großeltern ist es, den Glauben an die nächsten Generationen weiterzugeben, davon ist Michael überzeugt.

Er zeigt mir ein Video von Leah. Leah ist Studentin und erzählt davon, wie die letzten Wochen im Leben ihrer Großmutter sie nachhaltig geprägt haben. Diese Zeit führte Leah dazu, nachzusinnen über das Leben ihrer Großmutter. Die letzten Worte ihrer Großmutter waren, dass sie so viel Schönheit in ihren Enkeln sehe und sie sehr liebe.

Gott hatte diese Beziehung gestiftet

Nach dem Tod ihrer Großmutter fing Leah an, ihr eigenes Leben zu hinterfragen und einen Vergleich zum Leben ihrer Großmutter zu ziehen. Leahs Leben bestand hauptsächlich aus oberflächlichen Freundschaften, Partys und der Suche nach Anerkennung von anderen Menschen. Im Gegensatz dazu sah sie die Liebe ihrer Großmutter, den Einsatz für ihre Familie (nie hatte sie eine sportliche Aktivität ihrer Enkel verpasst), die christlichen Werte, die sie lebte und den Glauben, den sie im Herzen trug und der ihr in diesen letzten Wochen Halt gab.

Leah fing an, nach Gott zu suchen und Schritte auf ihn zuzugehen. Am Ende des Videos erzählt Leah davon, dass es ihrer Oma sicher nicht bewusst war, was für einen Einfluss sie auf das Leben ihrer Enkelin hatte, aber dass sie es jetzt im Himmel bestimmt wisse. Und dass Gott besonders diese Beziehung gestiftet hat, damit Leah ihn finden durfte.

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