Pilgern für Sportskanonen

Wenn der heilige Meinrad Humor hatte, wird er sich über das Wortspiel freuen: Dem Heiligen hinterherradeln kann man heute auf dem “MeinRadWeg” von Rottenburg nach Einsiedeln

Quelle
Klosterkirche St. Luzen – Wikipedia
Kloster – Kloster Hegne (kloster-hegne.de)
Kloster Fischingen
Idda von Toggenburg – die Geburt einer Legende (nationalmuseum.ch)
Meinrad von Einsiedeln – Ökumenisches Heiligenlexikon

05.06.2024

Annette Frühauf

Die Klosteranlage Einsiedeln thront 900 Meter hoch in der Zentralschweiz. Zu ihren Füßen liegt der gleichnamige Ort, umgeben von Bergen, Wiesen und Wäldern. Hier angekommen blickt man auf den bedeutendsten Marienwallfahrtsort des Landes und eine seiner prächtigsten Barockkirchen. Ohne den heiligen Meinrad gäbe es Einsiedeln heute nicht, denn das Kloster wurde 934 an der Stelle seiner Einsiedelei gegründet. Der heilige Meinrad gilt als Märtyrer der Gastfreundschaft und auf dem fünftägigen Radpilgerweg laden die Klöster Beuron, Reichenau, Fischingen und Einsiedeln sowie über 25 Radwegkirchen den sportlichen Pilger dazu ein, mehr über sein Leben zu erfahren – und vielleicht auch über sich selbst.

Meinrad, Sohn einer Adelsfamilie, kam kurz vor 800 im Sülchgau bei Rottenburg zur Welt. Die erste Etappe (20 Kilometer) des Pilgerradweges führt von der Stadt am Neckar nach Hechingen. Die Sülchenkirche liegt etwas außerhalb der historischen Bischofsstadt. Über Weiler, Dettingen und Bodelshausen, entlang des Hohenzollern-Radwegs, radelt man nach Hechingen, wo aus der Ferne bereits die Burg Hohenzollern zu sehen ist. Wer noch fit ist, kann die nächsten 70 Kilometer anhängen. Für einen gemütlichen Beginn lohnt sich eine Übernachtung in Hechingen, beispielswiese im Bildungshaus Sankt Luzen. Die Zollernstadt hat neben der Burg auch ein Römisches Freilichtmuseum und die Klosterkirche Sankt Luzen zählt dank ihrer Innenraumgestaltung zu den bedeutendsten Bauten der Spätrenaissance in Süddeutschland.

1300 Jahre Reichenau

Deutlich länger ist die zweite Etappe mit rund 70 Kilometern, die weiter nach Beuron führt. Die erste Herausforderung ist der Aufstieg zur Burg Hohenzollern. Von dort fährt man auf dem Hohenzollernradweg über Bisingen und Engstatt nach Balingen. Die Stadt liegt eingebettet zwischen den Balinger Bergen und dem Albtrauf. Hier fällt das Hochwasserdenkmal ins Auge und erinnert an die Überschwemmung der Eyach im Jahr 1895. In Endingen verlässt der MeinRadWeg die Route des Hohenzollern-Radwegs und führt über Weilstetten und Albstadt-Laufen hinauf auf die Schwäbische Alb. Von Tieringen geht es über Nusplingen zur Erzabtei Beuron im Donautal. Im Tal der jungen Donau liegt die Anfang des elften Jahrhunderts als Augustiner Chorherrenstift gegründete Erzabtei Sankt Martin, deren Gästeflügel Pilgern und Reisenden offensteht.

Die dritte Etappe mit 80 Kilometern führt auf die Insel Reichenau. Den Donau-Radweg entlang geht es Richtung Fridingen, ehe die MeinRadler nach Neuhausen ob Eck abbiegen. Das Freilichtmuseum des Ortes erzählt die Geschichte der Region zwischen Schwäbischer Alb, Schwarzwald und dem Bodensee. Von dort radelt man über Liptingen, Eigeltingen und Steißlingen an den Bodensee. Von Radolfzell folgt der MeinRadWeg dem Routenverlauf des Bodensee-Radwegs nach Hegne. Im Kloster Hegne lebt die Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern, die hilfsbedürftige Menschen beispielsweise bei der Alten- und Krankenpflege unterstützen. Die Reichenau im Blick fährt man weiter über den Damm auf die Klosterinsel, die in diesem Jahr ihr 1 300-jähriges Jubiläum feiert. Gleich drei Kirchen prägen das Bild der Insel, die zu den UNESCO-Welterbestätten zählt. Einmalig sind die wertvollen Wandmalereien in Sankt Georg in Oberzell aus der Zeit vor 1000. Meinrad wurde von seinen Eltern wohl bereits im Alter von fünf Jahren zur Ausbildung in die Klosterschule auf der Bodenseeinsel geschickt. Da er sich im Studium der Heiligen Schrift besonders auszeichnete, wurde er mit 25 Jahren Diakon und später Priester.

Ausblick über den Bodensee

Die 60 Kilometer lange vierte Etappe führt zurück über den Damm und weiter nach Konstanz. Durch die Altstadt geht es am Münster Unserer Lieben Frau vorbei, von dem sich der Ausblick über die Konzilsstadt und den Bodensee lohnt. Dann kommt auch bereits die Grenze und man fährt ins benachbarte Kreuzlingen. Hier mündet der MeinRadWeg in die Pilger-Route, welcher er bis nach Fischingen folgt. Weinfelden im Kanton Thurgau macht seinem Namen alle Ehre und durch malerische Reblandschaften geht es über Lommis nach Fischingen. Auf einer Anhöhe steht die ehemalige Klosterkirche Fischingen. Im Hintergrund erstrecken sich die Hügel des voralpinen Hörnligebietes. Die Iddakapelle mit ihrer hohen Kuppel gilt als einer der schönsten Zentralbauten des schweizerischen Hochbarocks.

Die letzte und fünfte Etappe führt mit ihren 60 Kilometern gleich über zwei Pässe. Vom 954 Meter hohen Hulftegg Pass geht es hinab nach Fischenthal. Über Eschenbach, Oberbollingen und Wurmsbach erreicht man Rapperswil, wo der Pilgersteg über den Zürichsee führt. Am Zürichsee lebte Meinrad in einem kleinen Kloster, bevor ihn die Sehnsucht nach einem Leben in Einsamkeit nach Einsiedeln zog. Der Etzelpass auf 950 Metern fordert auch die letzten Kraftreserven der Radpilger. Dann ist das Ziel der schweißtreibenden Pilgerfahrt endlich erreicht: Kloster Einsiedeln. Zu Meinrads Zeiten war der Ort nur schwer zugänglich und im Winter bitterkalt. Hier verbrachte Meinrad 26 Jahre in Einsamkeit und im Zwiegespräch mit Gott. Dennoch empfing er Pilger und Ratsuchende – Meginrat bedeutet “großer Ratgeber”.

Raben verfolgen die Mörder

Seine Gastfreundschaft nutzten 861 zwei Räuber aus, die ihn erschlugen und anschließend die Flucht ergriffen. Die Mörder sollen von zwei Raben Meinrads bis nach Zürich verfolgt worden sein. Dort wurden sie entlarvt, verurteilt und hingerichtet. Meinrad wurde auf der Insel Reichenau bestattet. Zur Weihe der zweiten Klosterkirche in Einsiedeln kamen die Reliquien Meinrads in die Schweiz zurück und seit 1984 ruht das Haupt des heiligen Meinrads in einem silbernen Reliquiar im Hauptaltar der Klosterkirche. Zwar steht die Gnadenkapelle mit der Schwarzen Madonna im Mittelpunkt des Wallfahrtortes Einsiedeln. Doch das eigentliche Zentrum der Heiligen Kapelle ist der Altar. Hier wird mehrmals täglich die Eucharistie gefeiert – die Begegnung mit Jesus Christus steht im Mittelpunkt jeder Pilgerreise oder Wallfahrt. Übrigens lautet das Motto der Wallfahrt in diesem Jahr – “Ich bin mit euch” – zum Trost in einer verunsicherten Weltsituation.

Infos unter www.meinradweg.com

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