4. Juni 1944 – Kampfloser Machtwechsel in der Ewigen Stadt
Vor 80 Jahren befreiten die Alliierten das besetzte Rom
Kampfloser Machtwechsel in der Ewigen Stadt – katholisch.de
An das Volk von Rom (6. Juni 1944) | PIUS XII. (vatican.va)
Montecassino
Papst Pius XII. (166)
Priester Hugh O’Flaherty
Papst erinnert an Ende der Nazi-Besetzung Roms vor 80 Jahren – Vatican News
Veröffentlicht am 4.6.2019
Rom gilt als die Ewige Stadt. Dennoch wäre sie im Zweiten Weltkrieg fast verwüstet worden. Erst im Juni 1944 konnten die Römer aufatmen und jubeln – die Alliierten befreiten ihre Stadt von den deutschen Besatzern.
Lange mussten die Römer auf den Tag ihrer Befreiung warten. Im 200 Kilometer entfernten Neapel waren die Alliierten bereits acht Monate zuvor eingerückt. Dann aber hielten die deutschen Truppen den Vormarsch von Amerikanern, Briten und Franzosen an der “Gotenlinie” und in der blutigen Schlacht um Montecassino auf. Am 4. Juni 1944 schließlich rückte die Fünfte US-Armee in der italienischen Hauptstadt ein, von der Bevölkerung begeistert empfangen.
Dabei hatten die Römer noch Glück im Unglück: Der Machtwechsel in ihrer Stadt vollzog sich weitgehend ruhig und kampflos, betont der Historiker Marco Paolino von der Tuscia-Universität Viterbo. Während die Alliierten über die Via Appia, die Tuscolana und die Casilina einmarschierten, zogen die letzten noch in Rom verbliebenen deutschen Militärs nach Norden ab. Insbesondere der Vatikan und Papst Pius XII. (1939-1958) hatten sich dafür eingesetzt und bei Generalfeldmarschall Albert Kesselring durchgesetzt, dass Rom zur “Offenen Stadt” erklärt wurde. Somit blieb sie von weiteren Kampfhandlungen und verbrannter Erde weitgehend verschont.
Rom wiederholt Ziel von Bomben und Zerstörung
Allerdings war Rom in den Monaten zuvor wiederholt Ziel von Bomben und Zerstörung. Den massivsten Angriff flogen die Alliierten am 19. Juli 1943. Im San-Lorenzo-Viertel im Osten Roms, wo sie eine deutsche Militärpräsenz vermuteten, starben 1.500 Menschen, 1.600 wurden verletzt, zahlreiche Gebäude zerstört oder beschädigt, darunter auch die Papst-Basilika San Lorenzo. Zehn Tage nach dem Luftangriff wurde Diktator Benito Mussolini gestürzt und verhaftet. Italien blieb zunächst auf deutscher Seite im Krieg, bereitete jedoch seine Kapitulation vor. Unmittelbar nach deren Bekanntwerden am 9. September 1943 rückten deutsche Truppen in Rom ein. Aus verbündeten Achsenmächten wurden Kriegsgegner.
Für neun Monate war die Ewige Stadt von den Nazis besetzt. Oppositionelle wanderten ins Gefängnis. Am 16. Oktober 1943 durchkämmte die SS das jüdische Ghetto am Tiberufer. Von den 1.021 in die KZs deportierten Juden kehrten gerade einmal 17 zurück. Auf einen Partisanenanschlag in der Via Rasella am 23. März 1944 antworteten die Besatzer mit der Erschießung von 335 Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen.
Dass die Bevölkerung jedoch weitgehend verschont und das historische Rom intakt blieb, ist laut Paolino besonders dem Vatikan und Pius XII. zu verdanken. Es gab geheime Kontakte zwischen dem Heiligen Stuhl und den USA, um die Befreiung zu organisieren. Aber es gab auch Kontakte mit den Deutschen, über Botschafter Ernst von Weizsäcker, sowie – über verschiedene Kanäle – mit Kesselring und mit Sicherheitspolizei-Chef Herbert Kappler. Papst und Vatikan spielten in dieser Phase eine umso wichtigere Rolle, als es in Rom keine eigentliche Regierung gab.
Eine Schlüsselfigur bei den informellen und geheimen Kontakten war der irische Priester Hugh O’Flaherty, der von 1938 und 1960 im deutschen Priesterkolleg am Campo Santo Teutonico wohnte. Er besorgte flüchtigen Kriegsgefangenen und Juden Unterkunft in Klöstern und kirchlichen Häusern, kümmerte sich um Verpflegung und falsche Ausweise. Die von ihm koordinierte “Escape Line” verhalf mehr als 6.000 Menschen zur Flucht. Als General Marc Clark einen Tag nach dem US-Einmarsch auf dem Petersplatz vorfuhr, war O’Flaherty einer der ersten, der ihn begrüßte.
Papst Pius XII. dankte der Gottesmutter Maria
Überhaupt war der Petersplatz in jenen Tagen Ziel von Zigtausend Menschen. Wie ein Lauffeuer waren die wenigen Aushänge bekannt geworden, die für den 5. Juni um 18 Uhr auf den Petersplatz einluden. Dort fand sich eine “endlose Menge” ein, um “dem Papst für die Rettung der Stadt zu danken”, titelte der “Osservatore Romano”. “Mit leidenschaftlichen Worten” und immer wieder von Applaus unterbrochen bedankte sich Pius XII. von der Mittelloggia des Petersdoms aus für den Schutz Gottes, der Gottesmutter Maria und der Stadtpatrone Petrus und Paulus.
“Rom, gestern noch in Angst um das Leben seiner Söhne und Töchter, … vor den Augen das schaudererregende Gespenst des Krieges und unvorstellbarer Zerstörungen, blickt jetzt mit neuer Hoffnung und gestärkter Zuversicht auf seine Rettung.” Gott habe die beiden kriegführenden Parteien zum Frieden und nicht zum Konflikt inspiriert und damit “die Ewige Stadt vor unvorstellbarer Gefahr bewahrt”, sagte er in einer hochemotionalen Rede. Jetzt gelte es, “innere und äußere Zwietracht mit dem Geist einvernehmlicher Bruderliebe” zu überwinden. Für die Stadt Rom endete mit dem 4. Juni 1944 die neunmonatige deutsche Besatzung. Und für sie endete auch der Krieg.
Von Johannes Schidelko (KNA)
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