Erzbistum Vaduz

Bitte um Vertagung des Gesetzesvorhabens zur Schaffung eines Religionsgemeinschaftengesetzes (RelGG) im Fürstentum Liechtenstein, Schreiben vom 3. April 2024

Quelle

Sehr geehrter Herr Präsident des Liechtensteinischen Landtags,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Zuerst möchte ich mich ganz herzlich für Ihre grossen Bemühungen für die Religionsgemeinschaften in Liechtenstein bedanken. Besonders danke ich Ihnen für die vielen wertschätzenden und unterstützenden Gespräche, die ich mit vielen von Ihnen in den vergangenen Wochen und Monaten führen konnte.

Ich wende mich heute an Sie hinsichtlich Ihres Vorhabens, die Liechtensteinische Verfassung zu ändern und ein Religionsgemeinschaftengesetz zu schaffen.

Es ist — und das ist mir wichtig zu betonen — aus der Sicht der Kirche ausser Streit zu stellen, dass auch andere Kirchen und Religionsgemeinschaften die Möglichkeit haben sollen, sich öffentlich-rechtlich zu organisieren und die diesbezüglich bestehende Ungleichheit beseitigt wird. Die Grundintention des RelGG wird daher ausdrücklich auch von uns begrüsst.

Ich habe eine Liechtensteinische Kanzlei gebeten, jene Aspekte der anstehenden Reform, die in besonderer Weise die Katholische Kirche betreffen, herauszuarbeiten und zusammenzufassen. Ich möchte Ihnen anhand nachfolgender Punkte in geraffter Form darlegen, worin seitens des Erzbistums die Bedenken in Bezug auf eine zum Teil massive Verschlechterung der bisherigen Position der Katholischen Kirche bestehen:

Art. 16 Abs. 1 der Landesverfassung wird dahingehend geändert, dass die bisherige Unantastbarkeit der kirchlichen Lehre im Zusammenhang mit dem Erziehungs- und Unterrichtswesen ersatzlos gestrichen wird. Wir erblicken darin einen Wertungswiderspruch zu dem in Art. 37 LV postulierten Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit — gerade eine ersatzlose Streichung ist als politisches Signal des Gesetzgebers zu verstehen.

Art. 16 Abs. 4 der Landesverfassung sieht vor, dass der Religionsunterricht durch die kirchlichen Organe erteilt wird. Dies wird ersatzlos gestrichen. Eine zusätzliche Schlechterstellung ergibt sich aus dem Umstand, dass der konfessionelle Religionsunterricht in Zukunft kein Pflichtfach, sondern ein Alternativangebot sein soll, das neu nur wahlweise zur Verfügung gestellt werden soll. Es liegt im Interesse aller zukünftig staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften, die Erteilung des konfessionellen Religionsunterrichts als Recht und nicht bloss als Kann-Bestimmung zu formulieren. Konsequenterweise sollte für alle anerkannten Religionsgemeinschaften beim konfessionellen Religionsunterricht das Opt-out-Prinzip anstelle des jetzt vorgesehenen Opt-in-Prinzips vorgesehen werden. Es versteht sich, dass im Verordnungswege eine zu erreichende Mindestschüleranzahl festgelegt werden kann.

Art. 38 der Landesverfassung sieht im Zusammenhang mit dem Kirchengut bisher das Einvernehmensprinzip mit den kirchlichen Behörden vor. Dieses Einvernehmensprinzip wird ersatzlos gestrichen. Ich gestatte mir den Hinweis, dass ein einseitiges Abgehen vom Einvernehmensprinzip verfassungsrechtlich problematisch ist. Ich erachte es auch als sehr kritisch, dass das in den letzten 20 Jahren seitens des Landes leider erfolglos gebliebene Bemühen, eine vermögensrechtliche Entflechtung zwischen Kirchengut und Gemeindevermögen zu erzielen, nun einseitig der Kirche auferlegt werden soll. Es darf bezweifelt werden, dass durch die angestrebten privatrechtlichen Vereinbarungen eine dauerhafte Lösung der damit verbundenen Fragen erreicht werden kann.

Die Finanzierung der Aufgaben des Erzbistums ist bereits jetzt nicht in dem vom CIC vorgesehenen Umfang möglich. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass auf der Basis des Gesetzesentwurfes auch in Zukunft keine ausreichende Finanzierung gewährleistet sein wird, da mit dem vorgesehenen jährlichen Fixum weder die Versorgung des Klerus (soweit er sich nicht in einem Anstellungsverhältnis zu einer Gemeinde befindet) noch die Finanzierung eines Mindestmasses an Organisationsstruktur, die das Gehalt des Erzbischofs, des Generalvikars oder die Führung eines Sekretariates miteinschliesst, bestritten werden kann.

Diese kurze Zusammenschau macht deutlich, dass es sich bei dieser Gesetzesänderung um eine weitreichende Entscheidung handelt, die auch die Zukunft des Erzbistums und der Katholischen Kirche in Liechtenstein in nicht unerheblichem Masse betrifft. So möchte ich Sie dringend bitten, diese Frage auch mit dem neu zu ernennenden Erzbischof zu besprechen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich in die Diskussion einzubringen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es so gelingen wird, eine für alle vom Re1GG betroffenen Seiten zukunftsfähige Lösung zu erarbeiten. Aus diesem Grund ersuche ich Sie höflich, das Traktandum dieses Gesetzvorhabens zurückzustellen. So wie ich die Kultur hier in Liechtenstein dankbar erleben darf, geht es wohl auch in dieser Frage darum, mit jemandem — in diesem Fall mit der Katholischen Kirche als Institution und dem neuen Erzbischof als ihrem Vertreter — einen gemeinsamen Weg zu gehen und nicht gleichsam in Abwesenheit eine Entscheidung zu treffen, die ihn für viele Jahre binden wird.

Ich hoffe sehr auf Ihr Verständnis und bin natürlich sehr gerne für jedes Gespräch bereit. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit im Landtag und für die Menschen in Liechtenstein.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Benno Elbs
Apostolischer Administrator des Erzbistums Vaduz
Vaduz, 3. April 2024

Ergeht zur Information an:
S.D. Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein
Regierungschef Dr. Daniel Risch
S.E. Dr. Martin Krebs, Apostolischer Nuntius

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