Unser Sonntag: Stell Dir vor, es ist Hochzeit, und keiner geht hin!

Dekan Susak erläutert, dass die Hochzeitsfeier im Evangelium überraschenderweise nicht abgesagt wird. Und wie Papst Franziskus es immer wieder fordert, sollen die Diener nun an die Ränder, an die Peripherie gehen, damit sich der Festsaal füllt

Quelle

Dekan Pfarrer Kurt B. Susak, Kath. Kirchgemeinde Davos

28. Sonntag im Jahreskreis A

Evangelium Mt 22, 1–14

Stell dir vor, es ist Hochzeit und keiner geht hin! So könnte man das Evangelium vom 28. Sonntag im Jahreskreis in unsere Zeit hinein übersetzten.

Heute wird uns die Fortsetzung des Konfliktes zwischen Jesus und den religiösen und gesellschaftlichen Autoritäten, wenige Tage vor seinem Tod und seiner Auferstehung, präsentiert.
Die Feindseligkeit gegenüber Jesus wächst. Trotzdem tritt Jesus nicht den Rückzug an. Im Gegenteil. Er bleibt der Sendung seines Vaters in die Welt hinein treu und setzt mit einem weiteren Gleichnis, dem dritten und letzten in diesem zeitgeschichtlichen Zusammenhang nach. Wir erinnern uns an die ersten beiden Gleichnisse von den ungleichen Söhnen sowie den bösen Winzern im Weinberg, der die erhofften Früchte nicht hervorbringt.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

“Das Reich der Himmeln”

Das heutige Gleichnis präsentiert uns gleichsam einen Blick in die Zukunft des Gottesreiches im Bild vom königlichen Hochzeitsfest.
Und es beginnt mit einer uns wohl bekannten Formulierung: “Mit dem Himmelreich ist es wie mit…” Im griechischen Original übersetzten wir: “Mit dem Reich der Himmeln…” Das ist ein Pluralwort, damit wird das hebräische “Haschamajim” wiedergegeben. Wir beachten, dass es heisst: “Das Reich der Himmeln”, nicht “das Reich in den Himmeln”. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn sie eröffnet uns eine neue Perspektive.

Wirklichkeit des Gottesreiche

Wenn also hier im Gleichnis einleitend vom Himmelreich die Rede ist, dann ist nicht nur das Jenseits gemeint, wie wir es oft verstehen wollen, das Leben nach dem Tod, sondern die Wirklichkeit des Gottesreiches, das in Jesus Christus schon hier und jetzt seinen Anfang nimmt.

Im Zentrum des geradezu eschatologisch anmutenden Gleichnisses stehen der Vater und sein Sohn, also der König, der für seinen Sohn die Hochzeit ausrichten lässt. Das Himmelreich wird hier von Jesus mit einem Hochzeitsfest verglichen, dem schönsten Fest, das es für Menschen geben kann, dem Fest der Liebe. Der König möchte nun, dass die bereits eingeladenen Gäste kommen und dazu schickt er seine Diener aus: “Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen.” Die Diener rufen sie, doch sie kommen nicht.

“Wiederum gehen die egoistischen Eigeninteressen vor und das Interesse gilt dem Profit, der Wirtschaft, dem Handel”

Es heisst nun weiter: “…der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden,…”
Wiederum gehen die egoistischen Eigeninteressen vor und das Interesse gilt dem Profit, der Wirtschaft, dem Handel – ähnlich wie letzte Woche, da standen auch die Eigeninteressen der Weinberg-Pächter im Vordergrund. So wie heute allzu oft leider auch.
Ja, und wiederum ist die Rede davon, dass die Diener des Königs missachtet, misshandelt und sogar umgebracht werden.

Jesus zeigt harte Konsequenzen auf

Dieses Mal allerdings wird auch die Reaktion des Königs geschildert, die letztlich die Hohepriester und die Ältesten schon angedeutet hatten, als Jesus sie im vorangegangenen Gleichnis gefragt hat, was der Eigentümer des Weinbergs mit den bösen Winzern wohl tun wird, mit den Pächtern, die nicht die erhofften Früchte liefern. “Er wird sie vernichten”, haben sie selbst zur Antwort gegeben. Nun wird geschildert, was passiert: “Da wurde der König zornig. Er schickte sein Heer, liess die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen”. Hier zeigt Jesus eine harte Konsequenz auf.

“Dann kommt ein überraschender Schritt. Das Hochzeitsfest wird nicht abgesagt.”

Die Mörder enden letztlich durch die Saat, die sie selbst gesät haben. Übrig bleibt vom Bösen nur Schutt und Asche. Das, was das Böse im Menschen letztlich immer erzeugt ist nämlich Niedergang, Zerstörung und Tod.
Aber dann kommt ein überraschender Schritt. Das Hochzeitsfest wird nicht abgesagt.
Damit soll unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden: Die Ankunft des Gottesreiches kann durch nichts und niemanden verhindert werden. Es hat schon begonnen. Wie es im Gleichnis der letzten Woche geheissen hat: Der Weinberg wird den bösen Winzern weggenommen. Er wird anderen gegeben werden.
So werden nun andere Gäste eingeladen. Der König sagt nämlich zu seinen Dienern: “Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren nicht würdig. Geht also an die Kreuzungen der Strassen…»

Die Diener sollen an die Peripherie gehen

Was hier mit “Kreuzungen” wiedergegeben wird, wird im griechischen mit “diexodous” übersetzt, ein Wort das eigentlich auch mit “die Enden der Strassen, die Grenzen der Strassen” übersetzt werden kann. Gemeint ist, die Diener sollen jetzt bis an die äussersten Grenzen des Territoriums gehen, dort wo die Strassen enden, bis an die Ränder, und alle Menschen rufen, alle Völker.
Hier begegnet uns ein besonderes pastorales Anliegen im Pontifikat von Papst Franziskus wieder. Ausdrücklich sagt der König: “Geht also an die Kreuzungen der Strassen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein”!

Denkt neu! Denkt anders!

Nachdem die zuerst eingeladenen Gäste nicht würdig waren, sie sind nicht zum Hochzeitsfest erschienen, sind nun alle Völker gerufen, hineingerufen in das neue Volk Gottes, den Neuen Bund. “Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die Früchte des Reiches Gottes bringt”, so das Wort Jesu. Damit kündigt er an, dass das Neue unmittelbar bevorsteht und schon beginnt.
Dazu also, um das “Reich der Himmeln” zu erleben, um hineinzugehen in dieses Gottesreich, bedarf es einer wohl vorbereiteten inneren Umkehr, einer Metanoia, eigentlich eines vollkommenen Umdenkens und Neuwerdens: Denkt neu! Denkt anders! – das ist mit diesem Begriff der Metanoia gemeint. Legt das alte menschliche Gewand der Trauer ab und zieht das neue göttliche Hochzeitsgewand an.

“Wer nicht feiern will, der hat im Festsaal nichts verloren, der könnte den anderen die Festfreude verderben.”

Ein aussagekräftiges Bild, das uns im Taufritus unmittelbar nach der Taufe begegnet. Nämlich: Das weisse Taufkleid, das dem in der Taufe wiedergeborenen Christenmenschen angezogen wird. Festfreude soll sein!
Wer aber dann den hochzeitlichen Festsaal betritt und immer noch dieser alten verweltlichten, vergänglichen Haltung verhaftet ist, der findet nicht zur inneren erlösten Freiheit und Lebensfreude. Der bleibt innerlich in sich und den Sorgen der Welt gefangen, wie in der Finsternis mit Heulen und Zähneknirschen. Wer nicht feiern will, der hat im Festsaal nichts verloren, der könnte den anderen die Festfreude verderben.

Viele sind gerufen, wenige auserwählt

So geschieht es dem, der kein Hochzeitsgewand anhatte. Der König sagt zu ihm: Freund, wie bist du hier ohne Hochzeitsgewand hereingekommen? Der aber blieb stumm. Da befahl der König seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die äusserste Finsternis! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. Denn viele sind gerufen, wenige aber auserwählt. Am Ende hat der König einen Schlusspunkt gesetzt.
Ja, es sind viele gerufen in das Volk des neuen Bundes, die Kirche. Was denen, die nicht die erhofften Früchte gebracht haben, die nicht als Erstgeladene zum Fest der Freude erschienen sind – genommen wird, das wird anderen verheissend anvertraut und übergeben.

“Wenige finden jetzt schon – im hier und jetzt – zu dieser erlösten christlichen Freude!”

Alle dürfen nun Anteil haben an der Festfreude, aber wenige vollziehen wirklich diesen inneren Umkehrschritt und Leben im Bewusstsein der wahren christlichen Erlösung, die uns als Getauften sakramental geschenkt wird. Wenige denken wirklich neu und begreifen, dass sie jetzt schon hineingehen können in das Reich der Himmeln Gottes. Wenige sind deshalb Auserwählte – wenige finden jetzt schon – im hier und jetzt – zu dieser erlösten christlichen Freude! Wir leben in dieser Welt – aber wir sind nicht von dieser Welt! Hochzeit heisst eben auch, sich wie im 7. Himmel fühlen! Ein aussagekräftiges Bild im heutigen Gleichnis.
Mit Blick auf die Situation der Kirche in unserer Zeit erhält dieses Evangelium zudem einen mehr als aktuellen Aspekt. Wenn Päpste und Bischöfe die letzten Jahre immer wieder eindringlich dazu aufrufen missionarisch Kirche zu sein, evangelisierend in unsere Zeitepoche hineinzuwirken – dann geht es doch genau um dieses neue Bewusstsein.

“Stell dir vor, es ist Sonntag, und viele, viele finden ganz neu den Weg zur Kirche.”

So könnte – ich sagte es zu Beginn – die Überschrift des heutigen Evangeliums, wenn wir es in unsere Zeit hinein übersetzten auch lauten: Stell dir vor, es ist Hochzeit, und keiner geht hin! Stell dir vor, es ist Sonntag, und keiner geht zur Kirche! Kommt wieder zur Sonntagsmesse. Alles ist vorbereitet für das Fest der Erlösung! Gott lädt ein zum hochzeitlichen Festmahl des Lammes, seines Sohnes!
Wenn es nach dem synodalen Prozess, der in diesen Tagen in Rom stattfindet heisst:
Stell dir vor, es ist Sonntag, und viele, viele finden ganz neu den Weg zur Kirche, zum frohmachenden Glauben in einem glaubwürdigen und erlösten Gottesvolk, dann hat sich der Aufwand gelohnt. Das kann Wirklichkeit werden. Nur Mut und Geduld.

radio vatikan – redaktion claudia kaminski, 14. Oktober 2023

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