Die Heilige von Haro

Auf der “ruta del vino” des nordspanischen La Rioja dreht sich zwar viel um den Wein, aber auch die Volksreligiösität ist präsent und lebendig. Neben der futuristischen Architektur der Weingüter ist die Laternenprozession zu Ehren der Muttergottes ein spirituelles Highlight

Quelle
Haro – Wikipedia
Basilika Unserer Lieben Frau von der Wega (Haro) – Wikipedia, die freie Enzyklopädie
Haro – Destino – La Rioja Turismo
Virgen de la Vega (Salamanca) – Wikipedia, die freie Enzyklopädie
#7 Monasterios Medievales de La Rioja llenos de historia, patrimonio y misticismo (lariojapremium.com)
Bodegas Marqués de Riscal – Wikipedia

10.09.2023

Annette Frühauf

La Rioja. Die renommierte Weinbauregion steht für Spitzenweine und außergewöhnliche Architektur. Letztere sollen als Touristenmagnete dienen, denn noch ist die Gegend ein Geheimtipp. Stararchitekten wie Frank Gehry, Santiago Calatrava und Zaha Hadid errichteten daher in den letzten Jahren “Tempel” für die Weinherstellung. Der Besucher erwartet von seiner Reise vor allem Weinproben vor spektakulären Kulissen. Umso überraschender mutet die geschmückte Innenstadt von Haro, der selbsternannten Weinhauptstadt der Region, an. Die festliche Dekoration und die Fahnen flattern hier zu Ehren der “Virgen de la Vega” im Wind.

Immer um den ersten Sonntag im September findet gleich eine ganze Festwoche zu Ehren der Schutzpatronin des Ortes statt, der Muttergottes. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten ist am achten September, am Fest der Geburt Marien. Der Tag beginnt mit einer Morgenmesse mit Blumengaben. Ein weiteres Highlight ist der anschließende Literaturwettbewerb um den schönsten Vers für die Virgen de la Vega. Es findet auch die traditionelle Segnung der Ähren statt – der Heiligen werden mehrere Wundertaten zugeschrieben, von denen die bekannteste eine wundersame Umwandlung von Gerste in Weizen ist.

Ein Rosenkranz aus Laternen

Am Abend mit einsetzender Dunkelheit versammeln sich immer mehr Menschen vor der Basilica de Nuestra Señora de la Vega. Anfang des achten Jahrhunderts wurde das Bildnis der Jungfrau aus Granada hierhergebracht, um es vor den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Muslimen zu schützen. Der Legende nach weigerten sich die Esel, das Bildnis nach dem Rückzug der Krieger wieder nach Granada zurückzubringen. Aufzeichnungen zufolge wurde das Bildnis dann Mitte des 16. Jahrhunderts zum Gebet aus der Kirche gebracht mit der Bitte, dass die Region von der drohenden Pest verschont werden möge. Inzwischen hat sich die Kirchentür geöffnet und die Prozession setzt sich in Bewegung. Für den festlichen Umzug ließ man Laternen fertigen, voll Stolz bezahlt von den Einwohnern der Stadt. Diese handgeschmiedeten, farbigen Lichter bewegen sich gemeinsam mit einigen Festwagen zum Plazza de la Paz und bilden einen Rosenkranz aus Laternen: Auf den massiveren Leuchten sind die Stationen des Rosenkranzes abgebildet. Den Abschluss der Rosenkranzprozession bildet die Jungfrau auf dem Thron des Jungfrauenwagens. Im Schein der Laternen wirkt die Szenerie fast unwirklich. “Salve Virgen de la Vega! Salve Patrona de Haro!”, aus zahllosen Kehlen erklingt die Hymne an die Virgen de la Vega. “Salve Virgen de la Vega! Salve Patrona de Haro!” Alle stimmen mit ein und begleiten den Festzug zum Friedensplatz. Als eine der ältesten Prozessionen des Landes wurde sie 1999 zum “Fest von regionalem Interesse” erklärt. Als die Virgen de la Vega vorbeirollt, ist ihr Gesicht wie von einem Glorienschein erhellt.

Ein “Weinlight” nach dem anderen

Nach dem beeindruckenden Umzug wirken die Bodegas der Stadt dagegen reichlich weltlich. Beim Familienbetrieb López de Heredia in Haro hebt sich der Neubau der irakischen Architektin Zaha Hadid vom Altbau ab. Zum ursprünglichen Weingut ist eine geschwungene Konstruktion aus Glas und Stahl dazugekommen. Darin befindet sich die Verkaufstheke und über eine Treppe geht es hinunter in einen, ebenfalls von der Architektin designten, Weinproberaum, angeschlossen an einen der ältesten Weinkeller der Region, die sich mit über 60 000 Hektar Rebengebiet entlang des Ebro-Oberlaufs und auf die Gebiete Rioja Alta, Rioja Baja und Rioja Alavesa erstreckt – mit ihren kalk- und lehmhaltigen Böden. Vor uns breiten sich sanfte Hügel mit knorrigen Reben aus, die bis zum Fuß des Kantabrischen Gebirges reichen. Wer dem Wein durchs La Rioja und auf dem Weg nach Elciego zum Luxushotel des Weinguts Marqués de Riscal folgt, kommt an der Bodegas Baigorri in Samaniego vorbei. Das Gut im Industriestil liegt am Fuße der Sierra Cantabria und fällt auf: Neben der Weinstraße thront das Gebäude als gläserner Würfel auf einem flachen Hügel, geschaffen vom baskischen Architekten Iñaki Aspiazu. Gleich mehrere Etagen geht es in die Tiefe, so dass hier die Schwerkraft die Arbeit macht: “Wir können auf Pumpen verzichten. Die Produktion erfolgt nach der Schwerkraft”, erklärt Isabel, die Interessierte durch die Bodegas führt.

Eine futuristische Komposition aus Holz und Metall

Das Weingut Marqués de Riscal in Elciego bietet gleich mehrmals am Tag Führungen mit Verkostung an und ist bereits aus der Ferne zu sehen: Wie geschwungene Bänder sehen die riesigen rosa-roten Streifen aus Titan aus, die das Gebäude umgeben und die sich von der übrigen Architektur des Weindorfs abheben. Der architektonische Touristenmagnet von Frank Gehry zieht die Besucher auch bei der Führung in den Bann. Wohin sollen sie zuerst schauen: auf den Wein und die Keller oder die spektakuläre Hülle drumherum? Die temperamentvolle Maria, die kompetent und auf Englisch durchs zweitbeste Weingut der Welt 2022 führt, löst das Problem, indem sie sagt: “Einfach beides genießen!”

Die Bodega wurde bereits 1858 von D. Guillermo Hurtado de Amézaga gegründet. Nach der knapp zweistündigen Tour gibt es zum Wein Manchego-Käse, Iberico-Schinken und Salami. Kann es noch eindrucksvoller gehen? Auf jeden Fall ist der Blick auf die Bodega Ysios in Laguardia nicht weniger spektakulär: Wir blicken auf eine futuristische Komposition aus Holz und Metall, die die Form des dahinterliegenden Kantabrischen Gebirges aufnimmt. Santiago Calatrava, der auch bekannt ist für seine futuristischen Bahnhöfe und Brücken, hat die Bodega Ysios entworfen. Raffiniert übernahm der spanische Stararchitekt dabei die Silhouette der Berge. Die Erhebung in der Mitte des lang gestreckten Gebäudes erinnert an eine Orgel. Hier werden mit dem Blick auf den Ort, ebenfalls Häppchen zum Rot- und Weißwein serviert. Auch wenn die Gläser leer sind, bleiben die Besucher gerne noch etwas sitzen und genießen den Ausblick und die Ruhe.

Kirchengeschichte in Logroño

In Logroño werden heute noch vom Jakobsweg geprägte Traditionen aus dem Mittelalter gepflegt. Die Pilgerroute verwandelte die Stadt in eine der wichtigsten Stationen auf der Route und hinterließ bedeutende kunsthistorische Denkmäler. So wird die Stadt bereits auf den Seiten des “Codex Calixtinus” aus dem zwölften Jahrhundert erwähnt, dem ersten schriftlichen Jakobuswegführer. Die ältere der beiden Brücken, die Puente de Piedra, führt über den Jakobsweg direkt in die Stadt. Die Kirche San Bartolomé aus dem 13. Jahrhundert ist die älteste der Stadt. Sie hat drei durch vieleckige Säulen voneinander getrennte Schiffe, unter denen das Querschiff hervorsticht. Der Kopfteil ist romanisch und besteht aus einer halbrunden zentralen Apsis mit einem spitzen Tonnengewölbe. Der größte Teil des Bauwerks ebenso wie die Fassade ist gotisch. Die Fassade ist für ihre Ikonographie bekannt, die Episoden aus dem Leben des Heiligen Bartholomäus beschreiben. Von der einstigen Stadtmauer sind heute noch die Revellín-Mauer und das Tor Carlos I. erhalten. Architektonisch stechen einige Paläste und das Rioja-Museum, das sich im Espartero-Palast befindet, heraus. Auf den Plätzen findet sich immer ein Ort, um die hiesigen Spezialitäten zu probieren, wie beispielsweise die Gemüsevariationen aus Bohnen, Paprika und Artischocken und den Kartoffeln auf Rioja-Art. Zum Dessert gibt es Birnen in Weinsauce und “fardelejos” aus Arnedo, mit Ei-Mandelcreme gefüllter Blätterteig. Ein Grund mehr, hier noch etwas zu bleiben.

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Annette Frühauf
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