Über die “Liebe, die fruchtbar wird”

In der Natürlichen Empfängnisregelung treffen sich Wissenschaft und Glaube: Eindrücke vom 37. Internationalen NER-Kongress

Quelle
Start – INER – Institut für Natürliche Empfängnisregelung
Franziskus: Sexualität und Fortpflanzung gehören zusammen | Die Tagespost (die-tagespost.de)
Trendwende in der Verhütungspraxis
Internationale Kongress des Instituts für Natürliche Empfängnisregelung Rötzer – Youtube
Dr. Rötzer

05.05.2023 – Karolin Wehler

Am letzten Aprilwochenende fand der diesjährige Internationale Kongress des Instituts für Natürliche Empfängnisregelung Rötzer (INER) im Kloster Heiligkreuztal statt. Die über 100 erwachsenen Teilnehmer, darunter viele Ehepaare, sowie die 30 begleitenden Kinder fanden im gastfreundlichen Tagungshaus ideale Bedingungen vor. Den Einstieg ins Programm machte Martina Knodt, die online Schwangerenkonfliktberatungen durchführt. Bei den Frauen, die sie berate, mangele es in der Regel an Wissen über die eigene Fruchtbarkeit, berichtete sie aus ihrer Tätigkeit. So steht sie nun in ihrer Freizeit in verschiedenen Online-Foren Frauen mit ihrer Expertise zur Seite. Häufig geht es um das Thema Kinderwunsch, die Anonymität des Internets lasse Frauen oft sehr intime Fragen stellen. Viele berichten von negativen Erfahrungen mit verschiedenen Verhütungsmethoden und wünschten, sie hätten sich nie darauf eingelassen. Mit ihrem Wissen über Natürliche Empfängnisregelung (NER) kann Frau Knodt den Frauen einen ganz neuen Weg zeigen, von denen sich nicht wenige fragen würden, warum sie nicht schon viel früher davon erfahren haben.

“Entgegen der schon damals vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und nachgewiesenen Erfahrungen haben sich führende Moraltheologen gegen die NER gestellt, weil sie eine Änderung der Lehre der Kirche anzielten.”

Parallel zum Erwachsenenprogramm bot Clarissa Strnisko, Apostolische Johannesschwester aus Frankreich, für die Kinder einen altersgerechten Einstieg in die Theologie des Leibes an und sprach mit ihnen über das unterschiedliche Wesen und die gleiche Würde von Mann und Frau.

“Your brain on porn – wie Pornografie unser Verhalten und unsere Hirnstruktur verändert” war der Titel des folgenden spannenden Referats des Biologen Jörg-Christian Greie.

Gefahren von Pornographie-Konsum

Der Dozent stellte dar, welche enorme Gefahr Pornografiekonsum für das jugendliche Gehirn darstellt. Mittlerweile finden 72 Prozent der Pornografienutzung über mobile Endgeräte, das heißt Smartphones, statt. Je jünger der Mensch beim Erstkontakt mit Pornografie sei, desto gravierender seien die Auswirkungen, die bis hin zu Gewalt gegenüber Frauen reichen können, so Greie. Das Gesehene werde für normal gehalten und bestimme auch die sexuellen Einstellungen. Ob der Erstkontakt dabei absichtlich oder aus Versehen erfolge, sei egal. Es habe sich gezeigt, dass die meisten Jugendlichen zunächst eher zufällig auf Pornografieseiten “landen”. Greie konnte aufzeigen, wie Josef Rötzer, der Gründer von INER, durch seine Gehirnforschungen schon 1980 darauf hingewiesen hat, dass das menschliche Gehirn in bestimmten plastischen Perioden durch bestimmte Verhaltensweisen geformt werden muss, damit die volle Entwicklung des menschlichen Potenzials erfolgt.

Der Sonntagvormittag war der “Zyklusvielfalt” gewidmet. Anhand von interessanten Beispielen gab Elisabeth Rötzer, Präsidentin des INER und Tochter von Josef Rötzer, zusammen mit Ehepaar Hackl eine Fortbildung für NER-Berater und -Anwender. Schwerpunkt bildete diesmal das Thema Wechseljahre. Mit diesem Programmpunkt waren die Teilnehmer am eigentlichen Kern der NER-Arbeit angelangt. Die regelmäßige Auffrischung des Wissens ist wichtig und unabdingbar für eine kompetente Beratungstätigkeit.

Die Geschichte der natürlichen Empfängnisregelung

In einem Referat zur kirchlichen Rezeption der Natürlichen Empfängnisregelung berichtete die Theologin Wilma Lerchen über erstaunliche Erkenntnisse, die sie im Lauf der Erstellung ihrer Magisterarbeit gewinnen konnte. Nachdem in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Josef Rötzer die katholische Ärzteschaft von der Wissenschaftlichkeit und praktischen Anwendbarkeit der NER überzeugt hatte, hätten sich führende Moraltheologen dagegengestellt, weil sie eine Änderung der Lehre der Kirche angezielt hätten. Entgegen den damals schon vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und der nachgewiesenen positiven praktischen Erfahrungen sei dann ein Memorandum nach Rom geschickt worden mit Argumenten, die den fundierten Erkenntnissen von Rötzer nicht entsprachen, so Lerchen. Die Auswirkungen bis hin zur faktischen Aushebelung der Enzyklika “Humanae vitae” durch die “Königsteiner Erklärung” und weiter wohl auch bis zum “Synodalen Weg” sind bekannt. Weniger bekannt ist, dass für Rötzer kirchliche Häuser in Deutschland in den Folgejahren verschlossen blieben – ganz im Gegensatz zum weltweiten Interesse an seiner Arbeit.

Im Rahmen eines internationalen Abendprogramms gaben Cortiso und Melinda Margulesco einen beeindruckenden Einblick in ihre Pionierarbeit in Rumänien. Das Interesse an NER ist in der Bevölkerung stark, allerdings gibt es weder staatlicherseits noch von der Kirche nennenswerte Unterstützung. Es folgte ein Bericht von Beate Baumann, die im Rahmen von Medical Mission Network einen Einsatz in Tansania geleistet hat. Hier konnte sie unter einfachsten Bedingungen ihr Wissen über Fruchtbarkeit und NER weitergeben, teils sogar an Analphabeten. Die Umstände, unter denen die Bevölkerung dort lebt, berührten die Zuhörer tief.

Über negative Auswirkungen der Pille

Den letzten Kongresstag eröffnete der Pharmakologe Erich Schneider mit dem Vortrag “Ist die Pille ein Nährstoffräuber?” Trotz teilweise widersprüchlicher Studienlage konnte er darauf hinweisen, dass bestimmte wasserlösliche Vitamine, etwa Folsäure, durch kombinierte orale Kontrazeptiva (“Pille”) reduziert werden. Das Ausmaß des Effekts sowie die möglichen gesundheitlichen Symptome hängen von der Lebenssituation der Frau ab. Hier spielen Ernährung, Rauchen und Ähnliches eine Rolle. Besonders bei Frauen, die die Pille einnehmen, sei daher auf gesunde Ernährung zu achten, gegebenenfalls sollten Nahrungsergänzungen in Erwägung gezogen werden. Besonders wenn die Pille aufgrund von Kinderwunsch abgesetzt wird, sei es empfohlen, den Vitamin- und Nährstoffhaushalt schon vor einer möglichen Empfängnis auf Vordermann zu bringen, so Schneider.

Zum Abschluss sprach Clarissa Strnisko über die “Liebe, die fruchtbar wird”. Überzeugend zeigte sie anhand der Theologie des Leibes von Johannes Paul II. auf, wie alle Menschen zur Liebe berufen sind. Ein wesentliches Merkmal dieser Berufung zur Liebe sei die Fruchtbarkeit. Gott vertraue dem Menschen damit die Zukunft der Menschheit an. Von der Schöpfung her liegen zwei Sinngehalte in der sexuellen Hingabe: Das Zeichen der Liebe und die Möglichkeit der Entstehung neuen Lebens. “Wenn wir diese beiden Sinngehalte nicht auseinanderreißen, leben wir in der Schöpfungsordnung Gottes”, so Strnisko. Die Natürliche Empfängnisregelung sei der Weg dieser Liebe. “Jedes Kind ist ein wunderbares Geschenk Gottes, einzigartig und von Gott geliebt. Wir suchen uns das Kind nicht aus, wir empfangen es. So wird das Ehepaar zur Familie – aus dieser Liebe entspringt die Familie. Das neue Leben ist uns anvertraut, in die Hände gelegt, es ist zerbrechlich und benötigt unseren Schutz.”

“Es ist ein großes Opfer zu wissen, dass man kein Kind bekommen kann“, antwortete Schwester Clarissa auf die Frage aus dem Publikum, welche Antworten man kinderlosen Paaren geben könne Es gelte, diese Paare dahin zu begleiten, zusammen einen anderen Ort des Lebens zu finden; auf Gott zu vertrauen, dass er einen anderen Weg bereithält, wo sie als Ehepaar Frucht bringen können. Diese Frage stelle sich ja auch den Paaren, deren Kinder aus dem Haus gehen. “Ermutigen wir die Ehepaare: Gott hat einen Weg für sie”, so Schwester Clarissa.

Mit einer heiligen Messe zum Fest Josefs, des Arbeiters fand der Kongress einen runden Abschluss. Neben hochwertigen Vorträgen und qualifizierten Fortbildungsmodulen waren es vor allem die Teilnehmer, die dem Kongress seinen einzigartigen Charme verliehen: Es ist wunderbar, zu sehen, wie Paare, die nach Gottes Schöpfungsplan leben, miteinander und mit ihren Kindern umgehen. Die Früchte dieser Lebensweise sind mit Händen greifbar.

Die Autorin ist zertifizierte Referentin für NER und Mitglied des Direktoriums des Instituts für Natürliche Empfängnisregelung (iner.org).

Lesen Sie das ausführliche Interview mit dem Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp in der kommenden Ausgabe der “Tagespost”.

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