Jordanien: “Stabilitätsanker für die christliche Präsenz im Heiligen Land”

Jordanien bietet für die kleine christliche Gemeinschaft vor Ort Rahmenbedingungen, die es zu einem “Stabilitätsanker für die christliche Präsenz im Heiligen Land” machen können. Davon zeigt sich im Gespräch mit Radio Vatikan der Mainzer Weihbischof Udo Bentz überzeugt. Er hielt sich im Rahmen des 23. Internationalen Bischofstreffens im Heiligen Land vom 14. bis 19. Januar in dem Königreich auf

Quelle
Holy Land Co-ordination (theholyland.org.uk)
Nach Bischofstreffen im Heiligen Land: Weihbischof Bentz kritisiert Regierung von Israel (catholicnewsagency.com)

Christine Seuss – Vatikanstadt

“Die Holy-Land-Coordination sucht sich jedes Jahr einen anderen Themenschwerpunkt. Und dieses Jahr wollten wir ganz bewusst einmal auf die Situation der Christen, der Kirchen im Heiligen Land, sozusagen jenseits des Jordan, schauen.”

Das berichtet der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Kommission Weltkirche, Weihbischof Bentz, im Interview mit Radio Vatikan. Vertreter von fünfzehn nationalen Bischofskonferenzen und der Anglikanischen Kirche, die in der Holy-Land-Coordination zusammengeschlossen sind, darunter 13 Bischöfe, reisten vom 14. bis 19. Januar nach Jordanien, um sich aus erster Hand über die Rolle und Bedeutung christlichen Lebens in dem Königreich zu informieren. Dabei sei es vielen Menschen gar nicht bewusst, dass es sich “jenseits des Jordans” auch um Heiliges Land handele, bemerkt der Bischof.

Gute Rahmenbedingungen für Christen

“Natürlich befinden sich die Christen mit einem Bevölkerungsanteil von etwa drei Prozent auch hier in einer extremen Minderheitensituation”, so Bentz.

“Natürlich befinden sich die Christen mit einem Bevölkerungsanteil von etwa drei Prozent auch hier in einer extremen Minderheitensituation”

Doch habe man spüren und erleben können, “dass die gesamten gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen, auch die politischen Rahmenbedingungen, andere sind als in den anderen Ländern der Region”, zeigt sich der Bischof positiv beeindruckt: “Es war gut zu sehen, spannend und interessant, dass Jordanien mit einer Stabilität, mit dem Respekt vor der christlichen Religion wirklich so etwas wie ein Stabilitätsanker für die christliche Präsenz im Heiligen Land sein kann.”

Großes Selbstbewusstsein

Dies habe auch Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein der Christen in der Region, welches sich von dem der christlichen Bürger in anderen Regionen nochmals unterscheide, erläutert Weihbischof Bentz. Insbesondere die Arbeit, die für Flüchtlinge geleistet werde, werde sehr geschätzt: “Es ist beeindruckend zu sehen, was für einen Beitrag Kirche durch die Caritas hier für die Gesellschaft in Jordanien leistet,” betont der Nahost-Experte der Deutschen Bischofskonferenz. Besonders besorgniserregend sei die Situation für Flüchtlinge aus dem Irak, die in Jordanien keinen rechtlichen Status genössen und somit gewissermaßen illegal im Land seien: “Diese prekäre Situation durch die Arbeit der Caritas, soweit es irgendwie möglich ist, aufzufangen, zu unterstützen, Perspektiven zu ermöglichen… Es waren tolle Projekte, die wir dabei wahrnehmen konnten und eben auch dieses Engagement und dieses Selbstbewusstsein, wir können als Kirche, als Christen einen guten und notwendigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.”

Beiderseitiges Interesse an der Bewahrung heiliger Stätten

Den Kirchen sei besonders daran gelegen, die christlichen Pilgerstätten in der Region zu stärken und als Zentren des Glaubens lebendig zu erhalten. Aus verschiedenen Gründen decke sich dies mit dem Interesse des Staates, berichtet Weihbischof Bentz aus Gesprächen mit politischen Vertretern des Landes. “Aber es ist deutlich geworden, beide haben das Interesse, diese heiligen Stätten nicht sozusagen als frommes Disneyland für Touristen aufzubauen, sondern wirklich als Begegnungsstätten des Glaubens. Die Christen verstehen sich als Hüter dieser heiligen Stätten, aber nicht in einem musealen Sinn, sondern heute Glauben leben, heute Glauben erfahren an den biblischen Orten. Das ist die die Vision, die man hier hat.”

“Man sieht von hier von Jordanien aus sehr sorgenvoll auf die Situation und auf die Entwicklung in Israel.”

Doch die Situation in Jordanien werde auch spürbar durch den Nachbarn Israel beeinflusst, räumt Weihbischof Bentz ein. Die neue politische Gemengelage und die damit einhergehende Verschärfung der Situation der Palästinenser sei auch in den Gesprächen untereinander und mit politischen Vertretern ein wichtiges Thema gewesen.

“Man sieht von hier von Jordanien aus sehr sorgenvoll auf die Situation und auf die Entwicklung in Israel. Israel hatte noch nie eine so weit rechts stehende Regierung. Außerdem gibt es diese extrem säkularen wie auch religiös nationalen, teilweise auch rassistischen Kräfte in der neuen Regierung. Man nimmt diese Provokationen deutlich wahr und das ist wirklich, das wurde uns auch noch einmal deutlich gesagt, ein Spiel mit dem Feuer, das ist ein Zündeln.”

Ein Spiel mit dem Feuer

Man stehe vor der Situation, dass das fragile Gleichgewicht gefährdet sei und neuerliche Gewaltausbrüche provoziert werden könnten, meint Weihbischof Bentz unter dem Eindruck seiner Gespräche vor Ort.

“Und wir teilen diese Sorge. Der Papst hatte das beim Neujahrsempfang mit dem diplomatischen Korps ja auch selbst noch einmal gesagt: Jerusalem muss seiner Berufung gerecht werden, ein Ort des Friedens zu sein. Und wir Christen, die christlichen Kirchen hier in der Region, müssen alles ihnen Mögliche tun und auch die Stimme erheben, wo diese Rolle Jerusalems gefährdet ist.”

Eines der Wahlversprechen der neuen Regierung Israels sieht den Ausbau der Siedlungspolitik auf Kosten der Palästinenser vor, die immer weiter zurückgedrängt werden. Die Skepsis mit Blick auf die Realisierung einer möglichen Zweistaatenlösung steige angesichts dieser Entwicklungen, doch seien auch noch keine tragfähigen Alternativen deutlich geworden.

“Und deswegen hält der Heilige Stuhl an dieser Zweistaatenlösung zu Recht fest. Es gilt, genau hinzuschauen, wo können welche Schritte gegangen werden. Und sollte es nicht diese Lösung sein, dann muss wirklich eine für alle Beteiligten tragfähige andere Lösung gefunden werden. Das ist derzeit aber nicht erkennbar.”

vatican news, 19. Januar 2023

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