Ein neuer Anfang mit der “alten” Messe

Wie Bischof Hermann Glettler von Innsbruck einen Konflikt kreativ löste – und einem Priester die Feier der überlieferten Liturgie ermöglichte

Quelle

Von Clemens Victor Oldendorf, 22. September 2020

Seit circa 2006, also noch vor dem Motu Proprio Summorum Pontificum Papst Benedikts XVI., wurde in wechselnden Kirchen der Stadt Innsbruck oder ihres unmittelbaren Umlands die tridentinische heilige Messe gefeiert. Dazu war von Anfang an die Priesterbruderschaft St. Petrus von der Diözesanleitung beauftragt worden.

Apostolat der Petrusbruderschaft

Nachdem die Sonntagsmesse lange in der Schloss- und Wallfahrtskirche Mentlberg zelebriert wurde, findet sie seit mehreren Jahren um 11 Uhr im nach wie vor stark dörflich geprägten Stadtteil Amras statt, einer Stiftspfarre des Prämonstratenserstiftes Wilten.

Der Amraser Pfarrer Patrick Busskamp O. Praem. zelebriert selbst bereits seit 2007 immer montags nach dem Missale von 1962. Das Hochamt am Sonn- und Feiertag feiert weiterhin Pater Eugen Mark FSSP, der dazu jeweils aus dem bayerischen Mittenwald anreist. Leider ist es der Petrusbruderschaft in all der Zeit seit 2006 niemals gelungen, eine zahlenmässig nennenswerte Gemeinde in Innsbruck zu bilden.

Als deren letzter Kirchenrektor vor zwei Jahren verstarb und der Bischof keinen neuen Diözesanpriester mit dieser Funktion betraute, gab es die Hoffnung, die zur Dompfarre gehörende Spitalskirche im historischen Stadtzentrum – auf ihrer Turmspitze befindet sich statt des gewöhnlichen Wetterhahns eine vergoldete Heilig-Geist-Taube mit Nimbus und kündet weithin das Patrozinium – könne der Petrusbruderschaft zur dauernden und alleinigen Nutzung für die überlieferte Liturgie anvertraut werden, was angesichts der geringen Zahl der Gläubigen jedoch objektiv wenig aussichtsreich war. Bischof Hermann Glettler zog es vor, sie zwar nicht zu profanieren, wohl aber in ihr “Kirche mit zeitgenössischer Kunst” zusammenzubringen. Seitdem finden dort vorwiegend geistliche Ruhepunkte sowie wechselnde Kunstinstallationen statt, während mittwochs um die Mittagszeit eine Eucharistiefeier gehalten wird.

Konstruktive Konfliktlösung

In Imsterberg im Oberinntal wirkte seit gut zwei Jahrzehnten Stephan Müller als Pfarrprovisor. Während dieser Zeit fand der Innsbrucker Diözesanpriester einen immer innigeren und ausschliesslicheren Zugang zur liturgischen Tradition. Er entfernte dauerhaft den Volksaltar und zelebrierte zuletzt praktisch nur noch im alten Ritus. Freilich mag dies eine objektive Überinterpretation des Motu Proprio sein – und dessen, was Benedikt XVI. damit beabsichtigt hatte. Der knapp Sechzigjährige stiess vor allem aber auf mangelnde Akzeptanz seiner lediglich auf persönlicher Eigeninitiative basierenden liturgischen Umstellung in der Pfarrgemeinde selbst. Die Opposition führte zu einem eskalierenden Konflikt und aktivem Widerstand. Schliesslich wurde der Priester als Ortsgeistlicher von Imsterberg entpflichtet.

Die Lösung des Bischofs

Bischof Hermann Glettler akzeptierte Müllers Gewissenslage und Überzeugung und stellt ihn vollständig zur Feier der Liturgie und zur Sakramentenspendung nach den liturgischen Büchern von 1962 frei. Verpflichtend beauftragt er ihn, sonn- und feiertags eine heilige Messe in der ausserordentlichen Form des Römischen Ritus in der Wallfahrtskirche zum heiligen Antonius in Rietz zu feiern, und er wies dem Priester für sich und seine pflegebedürftige Mutter ein bisher nicht mehr verwendetes Pfarrhaus im unweit gelegenen Telfs-Pfaffenhofen als Wohnsitz zu. Das erste sonntägliche Hochamt unter dieser neuen Regelung feierte der Geistliche am 13. September 2020.

Beim Neubeginn war die Kirche mit sechzig Gläubigen gut besucht, darunter eine Gruppe von circa zwanzig ehemaligen Pfarrangehörigen aus Imsterberg. Es ist eben keineswegs so, dass Stephan Müller dort nur auf Ablehnung seiner Person und seelsorglichen Linie gestossen wäre. Vorläufig wird die 10 Uhr-Messe beibehalten und erprobt, wie sie von den Gläubigen angenommen wird. Zumal bisher in Rietz keine feste Gruppe im Sinne des Motu Proprio bestanden hat und der neue Zelebrationsort sehr verkehrsgünstig gelegen ist, kommen die meisten von auswärts und bietet es sich namentlich für die Sonn- und Feiertage an, interessierte Gläubige auf Rietz zu verweisen. Die kleine Gruppe in Innsbruck hat zwar einen Kern kirchenmusikalisch hochmotivierter Personen, die das erstklassige Vokalensemble Sonoritas initiiert haben. Vor Ort gibt es aber kaum einmal verlässlich genügend Ministranten, um in Amras ordnungsgemäss eine würdige Missa cantatamit Inzens und Evangelienleuchtern feiern zu können. Tatsächlich sinnvoller wäre es da, das musikalische Potential, das man unbestritten hat, in Zukunft in Rietz einzubringen und in einem die dortige Gemeinde sonntags auf mindestens fünfundsiebzig Gläubige aufzustocken.

Der Priester Stephan Müller ist zwar nicht Kirchenrektor der Wallfahrtskirche St. Antonius gemäss can. 556 CIC, und diese wird nicht seiner alleinigen Benützung überlassen. Er hat dort jedoch Gelegenheit zur täglichen Zelebration.

Eine nutzbare Chance

Die vollständige Freistellung eines dafür geeigneten und persönlich dazu motivierten Diözesanpriesters zur Umsetzung von Summorum Pontificumist eine Idealsituation, die nicht einmal das Motu Proprio oder die Instruktion Universae Ecclesiaeselbst in Erwägung gezogen haben. Bischof Glettler, der keineswegs als traditionell orientiert oder konservativ gilt, hat im Bistum Innsbruck die Weichen dafür gestellt. Damit zeigt er sich traditionsfreundlich und als Hirte der ganzen Diözese. Er hat eine Lösung ermöglicht, die gleichsam erfinderisch ist, denn er lässt der neuen Aufgabe des Geistlichen eine grosse Flexibilität, die er nur nutzen kann.

Als im Frühjahr eine römische Befragung der Diözesanbischöfe zu Summorum Pontificumversandt wurde, enthielt sie auch die Frage, ob es einen echten Bedarf am Usus antiquiorin der Diözese gebe oder die alte Liturgie lediglich von einem einzelnen Priester propagiert werde. Am Innsbrucker Beispiel sieht man, dass ein Bischof, der einen solchen Priester in seinem Klerus hat, das nicht unbedingt als problematisch ansehen muss, sondern es auch konstruktiv als Chance nutzen kann.

Die Initiative, die der österreichische Bischof Hermann Glettler in Tirol ergriffen hat, ist ein günstiges Signal für die Zukunft der überlieferten Liturgie in der Kirche und innerhalb ihrer offiziellen Strukturen. Gerade jetzt, wo neue Gerüchte, die bereits Anfang 2019 zur Sectio quartader Glaubenskongregation herabgestufte Päpstliche Kommission Ecclesia Deikönne demnächst völlig abgeschafft werden, ist ein solches Zeichen vielen willkommen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.

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