Endzeit

Da steht sie nun, die Osterkerze. Ob sie noch etwas zu sagen hat?

Endzeit, 21. Mai 2020

Liebe Gläubige!

Da steht sie nun, die Osterkerze. Ob sie noch etwas zu sagen hat? Jedenfalls war es ein besonderer liturgischer Moment, als sie am heutigen Fest der Himmelfahrt unseres Herrn nach der Verkündigung des Evangeliums ausgelöscht wurde.

Erinnerst du dich an das, was die Osterkerze dir sagen wollte, als sie angezündet wurde? Ihr Leuchten sollte dich an die sichtbare Gegenwart des Auferstandenen bei seinen Jüngern erinnern und dir ein Hilfsmittel zur persönlichen Heiligung sein. Ob das funktioniert hat? Jetzt wäre es spannend, deine Heimosterkerze anzuschauen, in welchem Zustand sie sich am Ende dieser heiligen 40 Tage befindet … – Je mehr sie dir ‚gedient‘ hat, desto stärker wirst du empfinden, was es bedeutet, dass sie soeben ausgelöscht wurde.

Freilich hat der heutige Festtag seinen Jubel, denn heute ist ja der Heiland als Mensch über alle Engel und Heiligen des Himmels erhöht worden. „Er ist aufgefahren in den Himmel und sitzt zur Rechten des Vaters“, um in seiner verherrlichten Menschheit unser Mittler und Fürsprecher am göttlichen Thron zu sein. Ganz gewiss war dieses hohe Geheimnis Gegenstand jener admiratio der Apostel, welche der Introitus erwähnt, indem er fragt: „Quid admiramini! – Was staunt ihr so und schaut zum Himmel?“ Doch da war auch noch etwas anderes, und das hat die Apostel bange gemacht.

Drei Jahre hindurch durften sie Jesus begleiten. Dann ging er von ihnen. Nach einer „kleinen Weile“ aber durften sie ihn wiedersehen, und er „erwies sich ihnen … durch viele Beweise als lebendig, indem er ihnen vierzig Tage hindurch erschien und vom Gottesreich redete.“ Solch viele Beweise („multa argumenta“) hatten die Apostel wohl nötig, und nicht umsonst hat Jesus ihren „Unglauben und die Härte ihres Herzens“ getadelt. Da nun auch diese „kleine Weile“ vorüber war, war wieder Abschied zu nehmen. In dem Moment, als der Herr vor ihren Augen in den Himmel aufgenommen wurde: Wie fühlten sich da die Apostel? Ihnen war kaum anders zumute, als einer ausgelöschten Kerze …

Jetzt begann jene nach göttlichem Massstab „kleine Weile“, die man die ‚Endzeit‘ nennt. Das letzte der sieben Weltzeitalter (siehe im Volksmissale die Erklärung zur Septuagesima) ist geprägt vom Warten auf die Wiederkunft des Herrn in Herrlichkeit. Genau davon sagten jene beiden Männer in weissen Kleidern: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn zum Himmel habt auffahren sehen.“ Und im Credo bekennen wir: „Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, Gericht zu halten über Lebende und Tote, und seines Reiches wird kein Ende sein.“

Doch was sollte bis dahin geschehen? – Es gab da einen apostolischen Auftrag, der riesengross vor den Augen der Apostel stand. Jesus hatte ihnen ja „durch den Heiligen Geist“ Weisungen erteilt und von diesem seinem „Gottesreich“ geredet. Durch sie will er sein Reich errichten, und er hat zu ihnen gesagt: „Ihr sollt meine Zeugen sein“, und zwar „in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis an die Grenzen der Erde“.

Die Stadt Jerusalem war noch überschaubar, und auch das Gebiet von Judäa. Samaria hingegen klang ihnen bereits nach Isebel (vgl. 1 Kön 21) und Heidenland. Doch was erst sollte ein Fischer vom See Genezareth sich unter den „Grenzen der Erde vorstellen“? Was meint Jesus, wenn er sagt: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium aller Kreatur!“

Gerade noch hatte er ihren Unglauben und die Härte ihres Herzens getadelt, und jetzt bestellt er sie zu Verkündern des Glaubens. Beim Glauben geht es um viel! Genaugenommen geht es um alles! Am Glauben hängt des Menschen Heil! Denn: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet, doch wer nicht glaubt, wird verdammt werden.“

Jetzt erinnerten sie sich, wie Jesus sie angewiesen hatte: „Geht nicht weg von Jerusalem, sondern erwartet die Verheissung des Vaters! Johannes hat mit Wasser getauft; ihr aber werdet nach nicht vielen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft.“ Den Aposteln musste klar sein, dass sie dieses Beistands mehr als bedurften und dass sie ihre grosse Aufgabe nicht anders erfüllen konnten, als nur „durch den Heiligen Geist“.

Jetzt begann die Pfingstnovene. Die Apostel versammeln sich um die Gottesmutter Maria zu einem neuntägigen Harren. Dann aber beginnt die Zeit der neuen Gegenwart des Herrn in seiner Kirche. In seinem ‚geheimnisvollen Leib‘ wandelt er bis zu seiner glorreichen Wiederkunft über diese Erde. Er verkündet das Evangelium, und heilsam berührt er die Menschen in den Sakramenten. Was am Ende des Evangeliums gesagt wird, bezieht sich auf die Zeit nach Pfingsten: „Sie aber gingen hin und predigten überall“ und zwar „Domino cooperante“ und „Domino confirmante“. „Der Herr wirkte mit ihnen und bestätigte ihr Wort durch nachfolgende Wunder.“ – Das freilich war ein Ausblick, den die Apostel so am Tag der Himmelfahrt noch nicht hatten.

In der grossen Dynamik des Kirchenjahres ist nun die ganze Kirche dazu eingeladen, sich in die Pfingstnovene hinein zu begeben und neun Tage lang in innerer Nähe zu Maria und den Aposteln die erneuernde und heiligende Kraft von oben zu erflehen.
• Als äußeren Teil der Übung kann man beispielsweise täglich den Pfingsthymnus („Veni, Cre-ator Spiritus – Komm, Schöpfer Geist“) oder die Pfingstsequenz („Veni, Sancte Spiritus – Komm, o Geist der Heiligkeit“) beten.
• Ergänzend dazu wird es sehr nützlich sein, wenn wir in diesen Tagen immer wieder auf die ausgelöschte Osterkerze schauen und überlegen, ob sie uns etwas zu sagen hat. – Das hat sie nämlich! Sie hat eine Botschaft!
Ist es nicht so, als ob sie auf irgendetwas warte? Was aber mag wohl dieses ‚Etwas‘ sein, wo-rauf die ausgelöschte Kerze wartet? – Wenn Du nicht selbst darauf kommst, dann suche die Lösung zu Pfingsten …
Die ausgelöschte Kerze ist ein Bild für die Apostel nach der Himmelfahrt des Herrn. Ist sie aber nicht auch ein Bild für dich? Stellt sie nicht symbolisch all das dar, was in dir der Erleuchtung, der Läuterung, der Erwärmung, des göttlichen Beistandes und der Kraft von oben bedarf?
Mache es wie die ausgelöschte Kerze, und halte dich deinem Gott hin. Das sollte wesentlicher Bestandteil deiner Pfingstnovene sein! Und tu das mit den Worten, welche die Mutter Kirche uns auf die Zunge legt: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und ent-zünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!“
Gott segne Sie alle!
P. Martin Ramm FSSP

Personalpfarrei Hl. Maximilian Kolbe 044-772 39 33
für die außerordentliche Form des römischen Ritus im Kanton Zürich 079-389 06 82
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