Ein spanischer Aristokrat für Papst Sarto
Rafael Merry del Vals Dienstzeit im Staatssekretariat deckt sich genau mit den 11 Jahren des Pontifikats von Pius X.
Quelle
Papst Pius X. (20)
Do. kathpedia
100 Jahre ‘Kompendium der Christlichen Lehre’ von Papst Pius X.
Ein spanischer Aristokrat für Papst Sarto
Rafael Merry del Vals Dienstzeit im Staatssekretariat deckt sich genau mit den 11 Jahren des Pontifikats von Pius X. und ist aus der Regierung dieses Papstes so wenig wegzudenken, das selbst die Historiographie ihre liebe Not damit hat zu definieren, was Werk des Vorgesetzten war und was dagegen das seines Sekretärs.
Von Gianpaolo Romanato
Pius X. und sein Staatssekretär Rafael Merry del Val waren grundverschiedene Menschen. Der erste wurde 1835 im Umland Venetiens geboren. Sein Vater war ein kleiner Angestellter der österreichischen Verwaltung, die Mutter konnte weder schreiben noch lesen. Er wusste, was es heisst, arm zu sein, sein Leben spielte sich zwischen Landpfarrhäusern und Provinzkurien ab, fernab vom Rampenlicht, vom Luxus, den Salons und den Palästen der Macht. Der zweite dagegen wurde 1865 als Spross einer reichen Familie des europäischen Hochadels in London geboren, war schon von klein auf mit Botschaftern und gekrönten Häuptern vertraut (sein Vater war Botschafter Spaniens in London, Brüssel, Wien und Rom). Er sprach mehrere Sprachen und kam in den Genuss des Privilegs, auf der „Accademia dei nobili ecclesiastici“ (die Schule der päpstlichen Diplomatie) aufgenommen zu werden, als er noch nicht Priester war. Er konnte schon bald in diesem Ambiente Fuss fassen, wurde mit 35 Jahren Bischof, mit 39 Kardinal.
Aber zwei Dinge hatten die beiden doch gemeinsam: einen unerschütterlichen Glauben an Gott und eine grenzenlose Ergebenheit der Kirche gegenüber. Und das war mehr als genug, um eine Beziehung der Kollaboration und gegenseitigen Wertschätzung aufzubauen, die in der Kirchengeschichte ihresgleichen sucht.
Die Dienstzeit von Rafael Merry del Val im Staatssekretariat deckt sich genau mit den 11 Jahren des Pontifikats von Pius X. (1903-1914) (der einzige Fall in der Liste der 34 Staatssekretäre von 1800 bis heute) und ist aus der Regierung dieses Papstes so wenig wegzudenken, dass selbst die Historiographie ihre liebe Not damit hat zu definieren, was Werk des Vorgesetzten war und was dagegen das seines Sekretärs.
Welche Rolle aber spielte Merry del Val nun wirklich: war er Ausübender oder Inspirator? Eine wohl von vornherein schlecht gestellte Frage, und das nicht nur, weil schon die Regierungsstruktur des Hl. Stuhls dergestalt ist, dass die Entscheidung ohnehin beim Papst liegt, sondern auch die Historiographie herausstellen konnte, dass gerade Pius X. auf seine Untergebenen eine viel grössere Kontrolle ausübte als bisher angenommen. Wenn man dann noch den Altersunterschied der beiden bedenkt – genau dreissig Jahre – kann der Gedanke eines von seinem jungen Mitarbeiter „gelenkten“ Papstes wohl kaum überzeugen. Dagegen spricht auch die grosse Verehrung, die Merry Pius X. entgegenbrachte (und die auch den Ausschlag zu der Petition gab, die den Kanonisierungsprozess einleitete: am 20. eines jeden Monats seit dem Ableben des Papstes zelebrierte er eine Seelenmesse für ihn; wollte selbst „so nah wie möglich bei seinem geliebten Vater und Papst Pius X. begraben werden“).
Wahrscheinlicher ist es da schon anzunehmen, dass sich der italienische Papst und sein spanischer Mitarbeiter in Sachen Kirchenpolitik, einig waren, sozusagen gleich dachten und gemeinsam agierten.
Rafael Merry del Val wuchs zunächst in England auf, wo sein Vater Botschafter Spaniens war, danach in Belgien, und dann wieder in England. Mit der schon in jungen Jahren dank der Jesuiten erfolgten Berufung zum Priesteramt konnte eine der aufsehenerregendsten „Blitzkarrieren“ der Kirchengeschichte beginnen. Leo XIII. schickte ihn auf die Päpstliche Diplomatenakademie, machte ihn zum Monsignore, als er noch nicht Priester war (die Weihe empfing er 1888), setzte ihn in den diplomatischen Vertretungen in England und Deutschland ein. Und das alles wohl kaum nur deshalb, weil er der wichtigsten europäischen Sprachen mächtig war: der Spross der bedeutenden englischen Familie Merry, irischer Abstammung, und des nicht weniger bedeutenden spanischen Hauses del Val muss zweifellos unter Beweis gestellt haben, dass er über alles andere als gewöhnliche Eigenschaften verfügte.
Nach dem Studium an der Universität Gregoriana konnte er sich im päpstlichen Rom schon bald einen Namen machen. Vor allem in Sachen Anglikanismus war er eine wahre Kapazität; schliesslich war er nicht nur mit Sprache und Ambiente bestens vertraut, sondern weilte oft selbst in England, wo er das Vertrauen von Kardinal Vaugham genoss. Von Leo XIII. mit der heiklen Frage der Gültigkeit der Anglikanischen Weihen betraut, erwirkte er beim Hl. Stuhl die negative Antwort, die im September 1896 mit der Bulle ‘Apostolicae curae’, an der er federführend mitarbeitete, offiziell gemacht wurde. Auf der Grundlage eines bereits mehr als dreihundert Jahre alten Brauchtums bestätigte Leo XIII. die „Nichtigkeit“ der „nach anglikanischem Ritus vollzogenen Weihen“ und sprach diesen Bischöfen die apostolische Sukzession ab. Der Wiederannäherungsprozess zwischen Anglikanern und Katholiken erlitt somit einen schweren Rückschlag, und der junge Prälat war nun für eine Linie der lehrmässigen Strenge bekannt – als Alternative zu der von Kardinal Rampolla vertretenen politischen Linie.
Im Jahr darauf erfüllte er als Apostolischer Gesandter eine lange Mission in Kanada. Die dort ansässige junge Katholikengemeinschaft wusste nicht, welche Haltung sie einnehmen sollte und überhäufte Rom mit Bitten um Hilfe. Merry verstand es auch hier, mit Takt vorzugehen, vor allem in der Frage der katholischen Schulen in Manitoba, was der Papst in der Enzyklika ‘Affari vos’ (Dezember 1897) öffentlich anerkannte, wo steht, dass „Unser Apostolischer Gesandter alle ihm übertragenen Missionen treu und zu Unserer grössten Zufriedenheit erfüllt hat.“. Nach seiner Rückkehr nach Rom übertrug man ihm die Leitung der Päpstlichen Diplomatenakademie und ernannte ihn zum Bischof. Ein „Karrieresprung“, den ihm seine fundierte Ausbildung ermöglicht hatte, vereint mit seinem grossen Geschick im Umgang mit anderen, weshalb er auch alle ihm anvertrauten Probleme „im Handumdrehen“ – wie es Benedikt XV. später bezeichnen sollte – zu lösen pflegte. Aber immer war doch auch klar, dass dieser fähige Diplomat ein überzeugter, mit sich selbst strenger Priester war, der sich durch einen asketischen Lebensstil auszeichnete.
Ein unvorhergesehener Zufall führte schliesslich die Wende herbei. Im Jahr 1903 starb nicht nur der Papst, sondern auch der Prälat, der Sekretär des Kardinalskollegiums war. Die Kardinäle zögerten nicht lange und boten Merry seinen Posten an. So kam es, dass der (damals 38 Jahre) junge Prälat anglo-spanischer Herkunft plötzlich zugleich Regisseur und Hauptdarsteller – wenn auch in einer „exekutiven“ Position – des dramatischsten Konklaves der Neuzeit geworden war: dem des österreichischen Vetos und der Auseinandersetzung zwischen den französischen Kardinälen und dem österreichisch-deutsch-polnischen Block. Eine Auseinandersetzung, in der die Kandidatur Kardinal Rampollas unterging, der 16 Jahre lang Staatssekretär Leos XIII. gewesen war, und die frankophile, anti-italienische und gegen die Tripelallianz gerichtete Linie endgültig abgeblockt wurde. Obgleich Merry kein Wahlrecht hatte, spielte er doch während der ganzen Zeit eine zentrale Rolle, wie sein kürzlich von Luciano Trincia veröffentlichtes Tagebuch zeigt. Es war ihm natürlich nicht entgangen, dass die überraschende Wahl des Patriarchen von Venedig einem ganzen Zyklus der vatikanischen Politik ein Ende setzte: dem nämlich, der nach 1870 auf die Wiedererlangung einer internationalen politischen Rolle des Hl. Stuhls und die Wiederherstellung der zeitlichen Macht gesetzt hatte.
Pius X. war die Kurie zwar nicht vertraut, er wusste aber sehr wohl, dass er sie fürchten musste. Merry, dem er vor dem Konklave nie begegnet war, war seiner Meinung nach der richtige Mann für die Aufgabe, sie „im Zaum“ zu halten. Er kannte die Kurie gut, gehörte aber nicht zur Gruppe der „Rampollianer“, vor allem aber war er viel zu jung und dem Papsttum viel zu treu ergeben, um sich ihm entgegenzustellen. Die Worte, mit denen ihm Pius X. seine Ernennung kundtat – noch am Tag seiner Wahl, am Abend des 4. August 1903, als sich der junge Bischof, nach Erfüllung seiner Pflicht, zurückziehen wollte –, zeigen, wie allein sich der neue Papst gefühlt haben muss: „Ich habe noch nichts beschlossen. Ich weiss nicht, was ich tun werde. Im Moment habe ich niemanden. Bleiben Sie als Pro-Staatssekretär bei mir. Dann werden wir weitersehen.“ Schon nach zwei Monaten war klar, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Am 18. Oktober ernannte er ihn zum Staatssekretär und stellte ihm das Kardinalsbirett in Aussicht. Damit sorgte der neue Papst – nach der ersten, nämlich der seiner Wahl – für die zweite Überraschung: zum ersten Mal wurde ein nicht-italienischer Kirchenmann – noch nicht Kardinal und noch keine vierzig Jahre alt – mit dem Amt des Staatssekretärs betraut. Die lobenden Worte, die der Papst am 11. November 1903, Tag von Merrys Kreierung zum Kardinal, für ihn fand, sind so ungewöhnlich, dass man sie im vollen Wortlaut wiedergeben muss: „Der Wohlgeruch Christi, den Ihr, Herr Kardinal, überall verströmt habt, auch in Eurer zeitlichen Wohnstatt, und die vielen Werke der Wohltätigkeit, denen Ihr Euch im Rahmen Eures priesterlichen Dienstes so eifrig widmet, vor allem in unserer Stadt Rom, haben Euch allgemeine Bewunderung und Wertschätzung eingebracht.“ Die positive Beurteilung durch den Papst war jedoch weniger von den Fähigkeiten seines Mitarbeiters diktiert als von seiner Moral, den Wohltätigkeitswerken, die er so unermüdlich bei den Jugendlichen des römischen Viertels Trastevere vollbrachte.
Was sich während des Pontifikats von Pius X. ereignet hat, ist gemeinhin bekannt. Die Beziehungen zu den Staaten verschlechterten sich allgemein, manchmal sogar bis zum offenen Bruch. Der bekannteste Fall ist der Frankreichs, wo im Dezember 1905 das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat verabschiedet wurde. Sechs Jahre später kam es in Portugal noch schlimmer; ähnliche Situationen konnte man in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern beobachten. Der Papst tat nicht viel dazu, den Lauf der Dinge zu ändern. Zwar protestierte er, schrieb mehr als deutliche Enzykliken, hütete sich aber, auf diplomatischem Wege einzuschreiten.
Im Falle Frankreichs sah das Gesetz vor, dass die Kultvereinigungen, zu denen die Kirchenhierarchie keinen Zugang hatte, das Eigentum der Kirche verwalteten, sozusagen an die Stelle der Bischöfe traten. Dass man damit die kirchliche Hierarchie umgehen wollte, war eindeutig, wenn es auch nicht alle verstanden haben. Der Papst aber hatte nur zu gut erkannt, was hier passierte und ging sofort in Abwehrstellung. Was dann geschah, war ein wahrer ‘legal suicide’:
die Kirche Frankreichs, die von Rom strengste Weisung erhalten hatte, das Gesetz nicht anzuerkennen (in weniger als einem Jahr schrieb der Papst allein zum „Fall Frankreich“ drei Enzykliken!), verlor ihre Rechtspersönlichkeit – und damit ihr gesamtes Eigentum, angefangen bei den Kirchen, wo die täglichen Messen zelebriert wurden. Aber sie hatte ihre Freiheit wiedererlangt und die volle Kontrolle über die Bischofsernennungen, die bisher laut Napoleonischem Konkordat beim Staat lagen. Die Haltung von Pius X. („Als ich zwischen den ‚Gütern‘ der Kirche und dem, was ‚gut‘ für sie ist, wählen musste, habe ich mich für letzteres entschieden“, soll er einmal gesagt haben), die ihm a posteriori den Applaus Aristide Briands, Inspirator des Gesetzes, einbrachte („Der Papst war der einzige, der klar sah,“ schrieb er), hatte auf einen Schlag drei Jahrhunderte Gallikanismus, drei Jahrhunderte Nationalkirche ausgelöscht und die französische Katholizität disziplinarisch wieder der vollen Treue zu Rom zugeführt.
Es war eine grundlegende Wende – „ein schmerzliches und traumatisches Ereignis“, wie es Johannes Paul II. in einem Brief an die französischen Bischöfe zur Hundert-Jahr-Feier definierte. Ein Ereignis, das die Menschen jener Zeit sprachlos machte und über das sich noch heute die Geister scheiden. Deutlich wird das schon bei einem Vergleich des positiven Urteils, das der Schweizer Martin Grichting über das Wirken von Pius X. abgibt (die Akten dieser im Mai vergangenen Jahres in Venedig abgehaltenen Tagung werden bald vom Institut für kanonisches Recht des Patriarchal-Seminars veröffentlicht) und der sehr viel vorsichtigeren Beurteilung von Giovanni Sale in ‘Civiltà Cattolica’ vom 5. November 2005. Bei dieser Gelegenheit wurde jener „antitemporalistische“ Idealismus, wie man es nannte, deutlich, der – wie mancher Historiker meint – den revolutionären Aspekt seines Pontifikats darstellt, die wahre Neuheit in der Beziehung zwischen Kirche und Welt.
Tatsache ist jedenfalls, dass mit Pius X. eine ganze Jahreszeit der Kirchengeschichte endet, nämlich die der Interferenzen mit der Politik, der diplomatischen Verflechtungen, der verspäteten Verbindungen von Thronen und Altären, der Bischöfe mit Zylinder und der Hof-Kardinäle, der Konfrontation mit einigen Staaten und der Konzessionen wieder anderen gegenüber. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger betrieb er keine „Aussenpolitik“, versuchte nie, auf internationaler Ebene Länder zu schwächen, die sich der Kirche gegenüber feindlich zeigten, unternahm niemals den Versuch, die Rivalitäten, Interessen und Bündnisse der verschiedenen Nationen für seine Zwecke auszunutzen. Und diese Linie, der die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen die Historiker versäumt haben, hatte nichts mit taktischem Nachgeben zu tun, sondern war eine bewusst angewandte Strategie, wie er zu Nicola Canali, damals einfacher Büroangestellter in der Kurie, einmal gesagt hat: „Sie sind noch jung, aber vergessen Sie nie, dass es die Politik der Kirche ist, keine Politik zu machen und nie vom rechten Weg abzukommen.“
Merry del Val war ein loyaler und überzeugter Vertreter dieser Politik, und ebenso überzeugt war er von den Erneuerungsplänen der Kirche, angefangen bei der Abschaffung des Vetorechts bis hin zur Umstrukturierung der Kurie oder der Kodifizierung des kanonischen Rechtes. Die Reform der Römischen Kurie, die im Jahr 1908 eingeleitet wurde, fiel in seinen Kompetenzbereich, der nun ausgeweitet wurde, wenn auch im Rahmen eines Regierungsschemas, in dem das Staatssekretariat lediglich das vorletzte von fünf vatikanischen Büros war. Nicht das Sekretariat war also der Motor der Kirche von Pius X. (wie sechzig Jahre später, mit der Reform von Paul VI.), sondern die 11 Kongregationen, an deren Spitze das Heilige Offizium stand. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sich die Rolle Merrys fast schon mit der des Papstes überlappte – anders als bei seinem Vorgänger, Rampolla, oder seinem Nachfolger, Gasparri. Indem er so gut wie gar keine Aussenpolitik betrieb und darauf bedacht war, die Kirche zu leiten und zu erneuern, nahm Pius X. dem Staatssekretariat viel von dem Raum, der ihm ein autonomes Handeln erlaubte und verstärkte dessen Bindung an das Papsttum.
Dieses Band wurde durch den Modernistenstreit noch enger, der in Historikerkreisen als wahrer ‘punctum dolens’ des Pontifikats von Giuseppe Sarto gilt. Darüber wurde viel geschrieben, und einer der bisher ungeklärten Punkte betrifft gerade das Wirken des Staatssekretärs. Ob Merry nun aber Protagonist oder Komparse war, Ausführender oder Inspirator, scheint nicht entscheidend zu sein. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass er vollkommen auf der antimodernistischen Linie des Papstes lag, überzeugt von der Notwendigkeit war, den Neuerungen Einhalt zu gebieten. In seinen Erinnerungen spart Ernesto Buonaiuti nicht mit Seitenhieben auf die „rätselhafte und düstere“ Gestalt des spanischen Kardinals, auf seine „anmassende, aufgeblasene Dünkelhaftigkeit.“. Nicht gerade ein mildes Urteil, Frucht auch der persönlichen Verbitterung dessen, der es verhängt hat. Ein Urteil, das jedoch heute, hundert Jahre später, durchaus ein wichtiges Zeugnis über die damals von dem Kardinal gespielte Rolle und sein Wirken darstellt.
Ein Staatssekretär, der so sehr mit dem Papst identifiziert wird, in dessen Dienst er stand, konnte von seinem Nachfolger unmöglich bestätigt werden. In der Tat ernannte Benedikt XV. unmittelbar nach seiner Wahl am 3. September 1914 zunächst Kardinal Ferrata, der schon bald danach verstarb, und dann Pietro Gasparri für dieses Amt. Merry del Val wurde dieselbe Behandlung zuteil wie bereits 10 Jahre zuvor seinem Vorgänger Rampolla: er wurde Sekretär des Heiligen Offiziums (der Präfektenamt dieser Kongregation war damals dem Papst vorbehalten), ein Amt, das er bis zum 26. Februar 1930 inne hatte, dem Tag, an dem er an den Folgen einer Blinddarmoperation starb.
Es müssen 16 harte Jahre gewesen sein, vor allem die ersten, die des Pontifikats von Giacomo della Chiesa, ein Mann, für den Merry keine grosse Sympathie hegte, wenn er ihn auch respektierte – was auf Gegenseitigkeit beruhte. Aus dem von Antonio Scottà veröffentlichten Tagebuch Carlo Montis, eines italienischen Diplomaten, der mit Papst Benedikt gut vertraut war, geht hervor, dass die Wohnung des Kardinals, Haus Santa Marta, der sogenannte „Vaticanetto“, jener Ort war, an dem man seiner Unzufriedenheit über den Nachfolger von Pius X. ungeniert Luft machen konnte. Der Papst wusste es zwar, es kümmerte ihn aber wenig („was können sie schon tun?“ soll er jenen geantwortet haben, die ihn warnen wollten). So überlebte ihn der gute Ruf des spanischen Kardinals, und im Jahr 1953, während des Pontifikats von Pius XII., der seine Karriere in den Diensten Benedikts XV. begonnen hatte, wurde auch für ihn – gleichzeitig mit dem 1951 selig- und 1954 heiliggesprochenen Pius X. – der Kanonisierungsprozess eingeleitet. Nach dem Tod von Papst Pacelli und dem Anbruch der Jahreszeit des Konzils, war dann allerdings keine Rede mehr davon, den spanischen Kardinal zur Ehre der Altäre zu erheben.
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