Vom Geheimnis der Ehe
Vom Geheimnis der Ehe – Eine Anregung für die “Synodalen Wege” in Deutschland
Von Thorsten Paprotny, 3. Juli 2019
Einmütige Freude und grosse Dankbarkeit herrschte unter den deutschen Bischöfen nach dem Empfang der Post von Papst Franziskus aus Rom. Der Heilige Vater ermutigte die Katholiken in Deutschland, freudig das Evangelium zu bezeugen – und das heisst zugleich: treu zur Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte zu stehen. Pfingstlich ermuntert bekannte etwa der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer in seinem Statement: “Der Heilige Vater schreibt an das pilgernde Volk Gottes. Das heisst für mich: Leichtes Marschgepäck reicht. Lasst uns frisch und frei aufbrechen.”
Der Leser staunt zunächst. “Leichtes Marschgepäck”? Das erinnert an einen Song der Band “Silbermond”, der vom Sinn des Minimalismus erzählt: “Leichtes Gepäck”. Mir scheint aber, Bischof Wilmer hat so prägnant wie sympathisch ausgedrückt, was unser Papst im Sinn hat: Auf unserer Pilgerfahrt inmitten der Herausforderungen von heute genügt wirklich “leichtes Marschgepäck”. Nur was mag das heissen? Sicherlich nicht, dass wir uns in der Sommerfrische mit einem aufblasbaren Kreuz auf den Weg machen sollten, sondern dass wir – ganz einfach – von der Freude des Evangeliums erfüllt sein und diese ausstrahlen mögen. Wahrhaft befreiend ist die feste Bindung an den Glauben der Kirche aller Zeiten und Orte. Wir schultern mit der kirchlichen Lehre wahrhaft “leichtes Marschgepäck” und können dann, wie Bischof Wilmer sagt, “frisch und frei aufbrechen”, voll Zuversicht und Hoffnung, an Christus und Seine Kirche gebunden. Doch manchen Zeitgenossen erscheint die Lehre schwer, ja wie ein Joch. Nicht aber die Kirche des Herrn knechtet uns, sondern die Knechtschaft der Sünde, also die willentliche Abwendung von Gott, von den Sakramenten, von Seiner Kirche und vom Nächsten. Nichts ist vielleicht schwerer, auch schwerwiegender als die irrlichternde Veränderungslaune heute. Eine geschmeidige Anpassung der kirchlichen Lehre an den virulenten Relativismus wäre für Gläubige und Suchende kein Rettungsring der barmherzigen Liebe Gottes, sondern der Mühlstein der postmodernen Beliebigkeit.
Also nehmen wir dankbar und froh dieses “leichte Marschgepäck” auf unsere Schultern, die wahrhaft frei und froh machende Lehre der Kirche. Konkrete thematische Vorgaben für die “Synodalen Wege” hat Franziskus anscheinend nicht gemacht. Oder doch? Wir können uns in diesen Tagen an die 2016 formulierte dringende Bitte zur Vertiefung des Glaubens und die nachdrückliche Ermunterung erinnern, die Katechese zur Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe ernsthaft zu vertiefen. Ausführlich dargelegt hat das der Papst in dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben “Amoris laetitia”. Diese Anregung fand in der Kirche hierzulande mehr Beifall als Beachtung. Die neueren Vorschläge zur Revision der Morallehre lassen sich kaum als pastoraltheologische Vertiefung der vorbereitenden Katechese auf das Sakrament der Ehe begreifen. Wenn zwei Menschen – also Mann und Frau – den Bund fürs Leben eingehen und einander das Ehesakrament spenden möchten, so tun sie dies inmitten der Lebenswirklichkeit dieser Zeit. Hochzeitsvorbereitungen dauern zuweilen länger als ein Jahr. Auch das kirchliche Ehevorbereitungsprotokoll bezeugt den Formalismus spröder Amtlichkeit. Man setzt viele Häkchen, aber abhaken sollte man die Ehevorbereitung eigentlich nicht nebenbei. Auch die Wunschliste der Lieblingslieder für die Trauung oder das Brautamt genügt nicht. Die Gestaltung fröhlicher Einladungen folgt, auch eine “Location” muss rechtzeitig reserviert werden. Der Tag der Hochzeit soll schliesslich, so meint der Volksmund, für das Brautpaar der “schönste Tag des Lebens” sein – heisst das: danach geht’s bergab?
Einen hellsichtigen, klugen Beitrag über die Ehe verfasste vor wenigen Wochen die Rundfunkredakteurin Martha Klawitter, selbst gegenwärtig verlobt. Die junge Katholikin schreibt: “Die Ehe ist ein Sakrament. Sie steht nicht unter Blütenblättern und ist auch nicht in Spitze gehüllt. Sie steht vor allen Dingen unter dem Kreuz. Wir sagen Ja zueinander – und dieses Ja gilt auch dann noch, wenn wir Nein fühlen, wenn wir Gebete stammeln statt sie zu sprechen. An was werden wir uns klammern, wenn es einmal so kommt? Doch nicht an getrocknete Rosen und verstaubte Fotoalben.” Dieser Artikel sei nicht nur Verliebten und Verlobten, sondern auch Ehepaaren ans Herz gelegt – und nicht weniger jenen Weltchristen, Theologen und Bischöfen, die sich demnächst auf die “Synodalen Wege” begeben werden.
Martha Klawitters klare, einfache und tiefgründige Worte erinnern mich an Romano Guardini. Der Theologe beschreibt 1932 die Ehe, in ihrem Anfang und in ihrer Vollendung, als “Geheimnis Gottes” – wenn Mann und Frau, im Sakrament unauflöslich verbunden, “ein Fleisch” werden. Die Ehe sei eine “lebendige Einheit, welche die Person nicht antastet, sondern wahrt und heiligt”, und nicht etwas, das “einmal vollzogen” und “nachher vorüber wäre”. Das Ehesakrament ist ein “lebendiger Anfang von Gott her”, der sich aus der “unerschöpfbaren Anfangskraft” speist, auch in der Mühsal des Alltags, der Gewohnheit und des Überdrusses. Die “bräutliche Liebe” habe die Kraft der Verwandlung und auch der “Verzauberung”. Realistisch verweist Guardini auch auf weitere Etappen, wenn der Zauber des Anfangs sich auflöse und die “blosse Wirklichkeit” bleibe. Die Liebe bestehe fort, verwurzelt in Gott. Guardini spricht von einer neuen “Verwandlung”, von der bräutlichen zur ehelichen Liebe: “Ihre tiefste Kraft ist die Redlichkeit, die Treue und die Geduld. Sie nimmt die Wirklichkeit an: den Anderen, wie er ist, Grosses und Kleines, Schweres und Hohes, das Aussergewöhnliche und den Alltag. Diese Liebe will keinen Schein, und sei er noch so schön, sondern Wirklichkeit. … Indem die bräutliche Liebe den Anderen will, wie er ist, nicht wie sie ihn sich zurechtgeschaut hat; seiner nicht müde wird, sondern ihn Tag um Tag neu empfängt; ihn nicht fertig zu besitzen glaubt, sondern immer neu gewinnt – darin, in Treue und Geduld, wird sie zur ehelichen Liebe. Diese ist tiefer als jene, weil tiefere Bereiche des Inneren sich einsetzen; ist reiner als jene, weil sie aus freier Selbstlosigkeit kommt; sie ist stärker, weil sie das Geheimnis der Überwindung Ewigkeitskraft in sich hat. Und darin wird Reich Gottes.” (Romano Guardini: In Spiegel und Gleichnis, Mainz 1932, 50-56)
Das Sakrament der Ehe, das Bräutigam und Braut einander spenden, birgt eine Schönheit, die sich wandelt und zugleich bleibt, eine Schönheit, die wir zwar kaum beschreiben, aber doch von innen her vielleicht wahrnehmen und mit den Augen des Glaubens sehen können. Papst Franziskus schreibt in “Amoris laetitia” in Abschnitt 163: “Wir können einander nicht versprechen, das ganze Leben hindurch die gleichen Gefühle zu haben. Stattdessen können wir aber sehr wohl ein festes gemeinsames Vorhaben teilen, uns verpflichten, einander zu lieben und vereint zu leben, bis der Tod uns scheidet, und immer in reicher Vertrautheit leben. Die Liebe, die wir versprechen, geht über alle Emotionen, Gefühle oder Gemütsverfassungen hinaus, auch wenn sie diese einschliessen kann. Sie ist ein tieferes Wollen, mit einer Entscheidung des Herzens, die das ganze Leben einbezieht.” Wenn auf den “Synodalen Wegen” die lebendige, leuchtende Schönheit der Sakramente neu entdeckt und glaubwürdig verkündet wie bezeugt werden sollte, so wäre Papst Franziskus gewiss sehr erfreut – und mit ihm jeder ganz normale römisch-katholische Christ in Deutschland.
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