Durchhaltevermögen, Geduld und Sanftmut

Durchhaltevermögen, Geduld und Sanftmut – Die Offenbarung des Johannes

Quelle – Vortrag von Bischof Vitus Huonder beim Einkehrtag von Pro Ecclesia am Samstag, 30. März 2019 in Einsiedeln
Die Offenbarung des Johannes

So lange diese Weltzeit dauert, so lange wir in der Erwartung der Wiederkunft unseres Herrn leben, so lange wir der sogenannten pilgernden Kirche (früher war die Rede von der streitenden) angehören (Lumen gentium 8)1, sind Qualitäten wie Durchhaltevermögen, Geduld und Sanftmut gefragt. Es gibt auf dem Weg unserer Pilgerschaft keine Zeit, da diese Eigenschaften und Tugenden nicht notwendig wären: Durchhaltevermögen, weil die Angriffe auf den Glauben nie nachlassen; Geduld, weil die Zeit dauert;
Sanftmut, weil der Mensch im Zorn nicht das tut, was Gott gefällt:
Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn; denn der Zorn eines Mannes schafft keine Gerechtigkeit vor Gott. Darum legt alles Schmutzige und die viele Bosheit ab und nehmt in Sanftmut das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist und die Macht hat, euch zu retten (Jak 1,19-21).

Während einiger Wochen der Osterzeit liest die Kirche täglich Abschnitte aus der Offenbarung des Johannes. Eben in unserer Zeit, in einer Zeit der Verunsicherung und der Verwirrung in Fragen des Glaubens und der Lebensweise (Moral) ist diese Schrift für uns wegweisend. Deshalb möchte ich meine Worte der Ermutigung und der Bestärkung von ihr her entwickeln.

Die Offenbarung des Johannes beginnt mit folgenden Worten:
Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, damit er seinen Knechten zeigt, was bald geschehen muss; und er hat es durch seinen Engel, den er sandte, seinem Knecht Johannes gezeigt. Dieser hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt:
alles, was er geschaut hat. Selig, wer die Worte der Prophetie vorliest und jene, die sie hören und das halten, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe (1,1-3).
 
Offenbarung bedeutet in diesem Zusammenhang Kundgebung dessen, was in der Zukunft geschieht. Wir könnten auch von einer prophetischen Aufklärung der Zukunft sprechen. Die Gläubigen sollen erfahren, was in Zukunft geschieht, um auf die Ereignisse vorbereitet zu sein. Sie sollen von den Ereignissen nicht überrascht und überwältigt werden. So beginnt die Offenbarung des Johannes mit dem Hinweis auf ihren Ursprung:

Gott – Gott der Vater – gibt Jesus – seinem Sohn – die Offenbarung. Sie geht von Gott dem Vater aus und wird Jesus anvertraut. Damit wird die Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn hervorgehoben und jeder Zweifel an der Echtheit und Gültigkeit dieser Offenbarung ausgeräumt: Die Offenbarung kommt vom Vater durch den Sohn. Sie hat daher höchste Glaubwürdigkeit. Sie enthält nicht die Meinung und die Beurteilung des Johannes. Sie kommt nicht aus seiner Einbildung. Sie ist ihm von Gott und von Jesus Christus durch einen Engel gegeben. In diesem Sinn lesen wir gegen Schluss des Buches, im neunzehnten Kapitel:
Jemand sagte zu mir: Schreib auf: Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen ist! Dann sagte er zu mir: Das sind zuverlässige Worte Gottes (19,9).
Die Zuverlässigkeit dieser Worte wird unterstrichen. Das verlangt der Ernst des Inhalts. Das verlangt aber auch das Ernstnehmen dieses Inhalts. Niemand soll diese Worte in den Wind schlagen können, weil sie unwahrscheinlich zu sein scheinen: Das sind zuverlässige Worte Gottes.

Nach diesem Hinweis betont der Engel nochmals:
Diese Worte sind zuverlässig und wahr. Gott, der Herr über den Geist der Propheten, hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss.
Siehe, ich komme bald. Selig, wer an den prophetischen Worten dieses Buches festhält(22,7).

Die Offenbarung des Johannes soll die Kirche und alle Gläubigen in der Zeit zwischen der Herabkunft des Heiligen Geistes (Pfingsten) bis zur Zeit der Wiederkunft unseres Herrn begleiten, bis hin zu jener Zeit, von der es heisst, sie sei nahe (vgl. Offb 1,3). Es ist die Zeit der Vollendung der Kirche. Deshalb ist ihr Inhalt und ihr Verständnis für uns von hoher Bedeutung. Sie ist eine Prophetie, das heisst ein Schauen, ein Sehen der Ereignisse bis zur Vollendung. Sie ist aber als Prophetie ein Schauen in rätselhaften Umrissen, wie es der heilige Paulus sagt: Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13,12). Diesen Hinweis müssen wir beim Lesen der Offenbarung des Johannes immer berücksichtigen.

Die Offenbarung des Johannes ist ein Sehen dessen, was bald geschehen muss (Offb 22,7). Was kommen muss ist deshalb notwendig, weil eine Scheidung zwischen gut und böse erfolgen muss. Nur auf diesem Weg wird der Sieg Gottes, der Sieg des Guten
möglich. Damit wird auch angedeutet, dass es ein Sehen der Not und des Leids ist, welche nicht abgewendet werden können. Es muss so geschehen. Es ist nicht abzuwenden.

Die Prophetie soll den Gläubigen helfen, die Not zu ertragen und immer, auch wenn die Zeit dauert, sich im Zustand der Gnade zu bewahren. Sagt doch der Herr:

Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig, wer wach bleibt und sein Gewand anbehält, damit er nicht nackt gehen muss und man seine Blösse nicht sieht! (Offb 16,15).
Der Ausdruck der Blösse ist, unter anderem, ein Hinweis auf den Zustand des Menschen nach dem Sündenfall, auf den gnadenlosen Zustand. Wenn der Herr kommt, soll sich der Mensch nicht in diesem Zustand befinden, im Zustand der Entwürdigung, der Scham und der Sünde. Er soll bekleidet sein mit dem Kleid, das Gott ihm durch Jesus Christus
geschenkt hat.
Offb 16,15 ist unter anderm eine Anspielung auf das Kleid, welches Gott Adam und seiner Frau vor dem Verlassen des Paradieses gegeben hat: Gott, der HERR, machte dem Adam und seiner Frau Gewänder von Fell und bekleidete sie damit (Gen 3,21). Das ist
der erste Gnadenerweis Gottes nach dem Sündenfall. In der Offenbarung des Johannes ist damit der Gnadenerweis durch das Erlösungswerk Jesu Christi gemeint. – Denn in der Taufe haben wir Jesus als Kleid, als Gewand angezogen (vgl. Gal 3,27). Diese Gnade soll der Mensch in der Zeit des Wartens bewahren. Das bedeutet: Der Mensch soll entsprechend leben und sich nicht von den Grundsätzen des Glaubens abbringen lassen, sich nicht verführen lassen durch Worte, die ihn betören, weil sie in mancher Hinsicht sich süss und angenehm anhören, ja, vielleicht sogar den Eindruck einer tiefen Glaubensweisheit
hinterlassen.

Versiegle dieses Buch nicht! Denn die Zeit ist nahe. Wer Unrecht tut, tue weiter Unrecht, der Unreine bleibe unrein, der Gerechte handle weiter gerecht und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit. Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. (22,10-12).
Das Buch oder die Schrift soll nicht geheim gehalten werden. Es soll nicht versiegelt werden. Es soll offengelegt werden. Die Menschen – die Gläubigen – soll es kennen, damit sie sich in dieser nicht einfachen Situation böser Ereignisse für die Kirche recht
verhalten.
Ich bezeuge jedem, der die prophetischen Worte dieses Buches hört: Wer etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht.
Und wer etwas wegnimmt von den prophetischen Worten dieses Buches, dem wir Gott seinen Anteil am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt wegnehmen, von denen in diesem Buch geschrieben steht (22,18-19).

Weil dieses Buch oder diese Schrift für die Gläubigen von hoher Bedeutung ist, darf daran nichts verändert werden. Es muss authentisch bleiben. Der Fluch, der auf eine Veränderung gelegt wird, ist ein Schutz für die Schrift und für die treue Widergabe
dieser Schrift und in diesem Sinn auch ein Schutz für die Gläubigen.

Deutung und Bedeutung der Offenbarung

Das Buch der Offenbarung des Johannes ist zweigliedrig: Nach der Einleitung (1) folgen die Briefe an die Gemeinden (2-3) und danach die Vision dieser Weltzeit bzw. der Endzeit (4-22). Darauf folgt das Schlusswort 22,6-21).

Die Vision der Weltzeit ist wiederum in drei Teile gegliedert: Die Zeit vor dem Sturz Satans (4-11), die Zeit nach dem Sturz Satans (12-20) und die Vision des neuen Himmels und der neuen Erde (21-22,5).

Die Zeit vor dem Sturz Satans wird mit folgenden Worten eingeleitet:
Und ich sah auf der rechten Hand dessen, der auf dem Thron sass, ein Buchrolle; sie war innen und auf der Rückseite beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt. Und ich sah:
Ein gewaltiger Engel rief mit lauter Stimme: Wer ist würdig, die Buchrolle zu öffnen und ihre Siegel zu lösen. Aber niemand im Himmel, auf der Erde und unter der Erde konnte das Buch öffnen und heineinsehen. Da weinte ich sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hineinzusehen. Das sagte einer von den Ältesten zu mir: Weine nicht! Siehe, gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross aus der Wurzel Davids; er kann das Buch und seine sieben Siegel öffnen (5,1-5).
Wenn niemand das Buch öffnen kann, dann bleibt der Weg zum Heil verschlossen.
Deshalb das Weinen angesichts der Tatsache, dass niemand für würdig befunden wurde, die Buchrolle zu öffnen. Doch dann kommt Bewegung in die Szene:
Das Lamm trat heran und empfing das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron sass (5,7).
Das Lamm, das heisst Jesus, der Sohn Gottes, ist in der Lage, die Siegel zu lösen und so das Werk der Erlösung in die Wege zu leiten. Was niemand vermag, das kann er erfüllen.

So kann nun die Öffnung der sieben Siegel geschehen. Darauf folgt der Schall der sieben Posaunen. Wir können diese Abfolge von zweimal sieben Vorgängen als die notwendigen Schritte hin auf die Erlösung betrachten. Die Zeit dauert. Es geschieht nicht
alles auf einmal. Die Entmachtung und der Sturz Satans wird vielmehr Schritt um Schritt eingeleitet. Aber es ist eine Dauer auf die Vollendung hin, was eben durch die Siebenzahl angedeutet wird. Dieser Vorgang erreicht seinen Höhepunkt im zwölften Kapitel.

Dies ist wohl die Mitte des Buches:
Dann erschien ein grosses Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füssen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen. Ein anderes Zeichen erschien am Himmel und siehe, ein Drache, gross und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der alle Völker mit eisernem Zepter weiden wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt. Die Frau aber floh in die Wüste, wo Gott ihr einen Zufluchtsort geschaffen hatte; dort wird man sie mit Nahrung versorgen, zwölfhundertsechzig Tage lang. – Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie heilten nicht stand und sie verloren ihren Platz im Himmel. Er wurde gestürzt, der grosse Drache die alte Schlange, die Teufel oder Satan heisst und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen …

Weh aber euch, Land und Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen; seine Wut ist gross, weil er weiss, dass ihm nur noch eine kurze Frist bleibt
(12,1-9.12).

Dieses zwölfte Kapitel stellt uns in die Realität hinein, in welcher wir leben:
Weh aber euch, Land und Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen; seine Wut ist gross, weil er weiss, dass ihm nur noch eine kurze Frist bleibt (12,12).

Wenn wir die Zeit deuten und begreifen wollen, in welcher wir stehen, müssen wir auf diesen letzten Satz zurückgreifen. Vom Tag der Erlösung an, von der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu an, vom Tag an, da die Kirche durch den Heiligen Geist gefestigt und
geheiligt wurde, ist das Heilswerk Gottes vollendet. Das heisst: Satan ist vom Himmel gestürzt worden. Deshalb ist seine Wut gross und er will jene, die auf dem Pilgerweg auf Erden noch unterwegs sind, mit allen Mitteln bekämpfen. Dieser Kampf wird in jenem
Teil geschildert, den ich als die Zeit nach dem Sturz Satans (12-20) umschreibe. Die Kirche erfährt in dieser ganzen Zeit die Wut Satans. Wir bekommen diese Wut Satans immer wieder zu spüren. Doch anderseits werden dem Satan Grenzen gesetzt, so dass
sein Wirken das Werk der Erlösung in sich nicht zerstören kann:
Als der Drache erkannte, dass er auf die Erde gestürzt war, verfolgte er die Frau, die den Sohn geboren hatte. Aber der Frau wurden die beiden Flügel des grossen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste an ihren Ort fliegen konnte. Dort wird sie eine Zeit und
zwei Zeiten und eine halbe Zeit lang ernährt, fern vom Angesicht der Schlange (12,13-14).

Mit der Frau ist die Kirche, das neue Sion, das neue Volk Gottes gemeint. Sie ist die Mutter des Sohnes, da aus ihrer Mitte der Messias Gottes hervorgegangen ist.
Die Kirche als Kirche ist vor der Schlange sicher. Sie ist dreieinhalb Jahre in Sicherheit.
Es wird angenommen, dass mit dieser Zeitbestimmung die ganze Zeit der Kirche gemeint ist, also die Zeit von ihren Anfängen bis zu ihrer Vollendung. Diese ganze Zeit ist eine Zeit des Übergangs und der Prüfung. Die dreieinhalb Jahre sind die Hälfte von sieben
Jahren. Es ist eine unvollendete Zeit, aber auch eine nicht genau zu berechnende Zeit.

Sie bringt zum Ausdruck, was Jesus mit anderen Worten zum Ende der Welt, zum Endgericht, zum Jüngsten Tag sagt:
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater (Mt 24,36).
Wenn die Kirche als solche, das neue Sion, in Sicherheit ist, so doch nicht ihre Kinder – die Gläubigen. Sie sind dem Kampf mit der Schlange, mit Satan ausgesetzt. Der Drache oder die Schlange beginnt nun einen verbissenen Kampf mit ihnen. Es fällt auf, dass
diese Gläubigen umschrieben werden als jene, welche die Gebote Gottes bewahren und am Zeugnis für Jesus festhalten. Die Zeit bis zur Vollendung ist offenbar eine Zeit, welche die Gebote Gottes in Frage stellt und den Glauben an Jesus zerstören möchte.
Das ist ein wichtiger Hinweis für die Gläubigen. Er gibt ihnen eine Hilfe an die Hand, so dass sie wissen, worauf es in diesem Kampf ankommt. Sie bekommen Orientierung.

Da geriet der Drache in Zorn über die Frau und er ging fort, um Krieg zu führen mit ihren übrigen Nachkommen, die die Gebote Gottes bewahren und an dem Zeugnis für Jesus festhalten (12,17).

Dabei kommt die Frage auf: Wie lange dauert diese Zeit? Gibt es Anzeichen, welche uns erkennen lassen, dass das Ende bald kommt? Darauf gibt uns die Offenbarung in diesem Teil eine deutliche Antwort: Die Zeit lässt sich nicht berechnen. Es ist aber eine begrenzte Zeit. Es gibt dazwischen ruhige Zeiten. Anderseits gibt es eine Zunahme der Not gegen das Ende hin. Das bedeutet eben: Es braucht eine ständige Bereitschaft der Gläubigen;
ein Wachbleiben; ein Ausharren; ein Festhalten; ein Sich-nicht-Täuschen lassen.

Die Gläubigen sollen unbeirrt ihren Weg gehen und sich nicht durch die verschiedenen Angebote der Welt verführen lassen. Da braucht es, wie es die Offenbarung sagt, Standhaftigkeit und Glaubenstreue.

Wer Ohren hat, der höre! Wer zur Gefangenschaft bestimmt ist, geht in die Gefangenschaft.
Wer mit dem Schwert getötet werden soll, wird mit dem Schwert getötet. Hier muss sich die Standhaftigkeit und die Glaubenstreue der Heiligen bewähren (13,9-10).
Über allen schmerzlichen Ereignis steht aber immer der Sieg des Lammes, gleichsam parallel zum Wirken Satans, in einer überirdischen Dimension. Den Blick dahin zu wenden, ist eine grosse Hilfe im Kampf mit dem Bösen:
Und ich sah und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und bei ihm waren hundertvierundvierzigtausend;
auf ihrer Stirn trugen sie seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben. Dann hörte ich eine Stimme vom Himmel her, die dem Rauschen von Wassermassen und dem Rollen eines gewaltigen Donners glich. Die Stimme, die ich hörte, war wie der Klang der Harfe, die ein Harfenspieler schlägt. Und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier Lebewesen und vor den Ältesten. Aber niemand konnte das Lied lernen ausser den hundertvierundvierzigtausend , die von der Erde weg freigekauft sind. Sie sind es, die sich nicht mit Frauen befleckt haben; denn sie sind jungfräulich. Sie folgen dem Lamm, wohin es geht. Sie allein unter allen Menschen sind freigekauft als Erstlingsgaben für Gott und das Lamm. Denn in ihrem Mund fand sich keinerlei Lüge. Sie sind ohne Makel (Offb 14,1-5).

Wohl erwartet die Kirche die Vollendung am Ende der Zeiten. Aber schon in dieser Zeit werden jene vollendet, die in Übereinstimmung mit Gottes Willen leben. So wächst in dieser Zwischenzeit bereits die Zahl jener, die beim Lamm sind und das neue Lied singen, das Lied des Sieges über Satan und seinen Anhängern.

Hier muss sich die Standhaftigkeit der Heiligen bewähren, die an den Geboten Gottes und an der Treue zu Jesus festhalten. Und ich hörte eine Stimme vom Himmel her rufen:
Schreibe: Selig die Toten, die im Herrn sterben, von jetzt an; ja spricht der Geist, sie sollen ausruhen von ihren Mühen; denn ihre Taten folgen ihnen nach (14,12-13).

Die Offenbarung des Johannes ist kein Count-down für die Wiederkunft des Herrn. Sie zeigt uns aber, dass es verschiedene Ereignisse gibt, welche der Wiederkunft des Herrnvorangehen; dass sich die Gläubigen auf manche Zeitabschnitte der Prüfung vorbereiten müssen. Sie zeigt uns aber auch, dass der Weltenlauf mit Sicherheit auf den neuen Himmel und auf die neue Erde zugeht.

Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine
Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. – Er, der auf dem Thron sass, sprach:
Seht, ich mache alles neu. Und er sagte: Schreib es auf, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr (21,1-5).

Dies ist unser Ziel, auf das wir von Tag zu Tag zuschreiten. Johannes stellt uns in der Offenbarung die ewige Glückseligkeit vor Augen. Wir brauchen diese Vorschau dringend, da wir eben in den Wechselfällen dieses Lebens stehen und immer wieder an den
Rand der Verzweiflung kommen. So spricht uns Johannes Mut zu und stärkt unser Beharrungsvermögen und unsere Hoffnung. Die Schrift des Johannes ist ein Trostbuch in der Not des gegenwärtigen Lebens. Sie lässt uns, die wir in der Bedrängnis des Volkes
Gottes leben, in einer grossartigen Schau unsere beglückende Vollendung im Himmel erfahren. So zeigt uns die Apokalypse – gleichsam parallel zum Weg Jesu, der vom Leiden zur Auferstehung und zur Himmelfahrt führt – den Weg des Volkes Gottes aus

Der Weg des Heils, Apg 16,17. Hirtenbrief zur Fastenzeit 2019

der Not dieser Weltzeit zur erfüllenden Gemeinschaft der Heiligen im Himmel. Wir können auch sagen: Jesus hat dem Volk Gottes durch seine Auferstehung den Himmel geöffnet. Die vollendete Gemeinschaft der Heiligen ist die Folge der Auferstehung Jesu.
In dieser Weise betrachtet die Kirche, von der Auferstehung des Herrn her kommend, den eigenen Weg vom Leiden zur ewigen Herrlichkeit. – Die Offenbarung des Johannes gibt uns auch einen Massstab in die Hand, um sich in dieser schwierigen Zeit richtig zu verhalten und zu handeln. Darauf möchte ich nochmals hinweisen:
Hier muss sich die Standhaftigkeit der Heiligen bewähren, die an den Geboten Gottes und an der Treue zu Jesus festhalten.

Die Gebote Gottes und die Treue zu Jesus sind ausschlaggebend für den Weg des Glaubens durch die Schwierigkeiten der Endzeit.

Der Hinweis auf die Gebote Gottes erinnern uns an Jesus und seine Lehre:

Wenn du aber in das Leben eintreten willst, halte die Gebote (Mt 19,17)!

Auf die folgende Frage: Welche?, antwortet Jesus:

Du sollst nicht töten,
du sollst nicht die Ehe brechen,
du sollst nicht stehlen,
du sollst kein falsches Zeugnis geben;
ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst (Mt 19,18).

Es geht um die Zehn Gebote. Anderseits geht es um den Glauben an Jesus. Das sind nach der Offenbarung des Johannes die beiden Eckpfeiler, an denen sich der Mensch orientieren kann, um sich zu bewähren und der Herrlichkeit teilhaftig zu werden. Alles was davon wegführt, ist ein Werk des Bösen.

Und ich darf noch deutlicher werden: Die Eckpfeiler reichen zurück in die ganze Geschichte der Kirche. Wir haben durch die
ständige Überlieferung des Glaubens jene Kriterien, welche uns helfen, den sicheren Weg zu gehen. Alles, was davon wegführt, ist dem Wirken Satans zuzuschreiben.

Alles, was uns unsicher zu sein scheint, auch in der Ausdrucksweise etwa eines Konzils, muss ins Licht der Überlieferung der Kirche gerückt, und in diesem Licht gedeutet werden.

Darauf habe ich auch in meinem letzten Hirtenschreiben hingewiesen.
Darüber hat sich zwar ein Journalist lustig gemacht und gemeint, der Brief würde ins Jahr 1959 passen. – Ironischerweise stimmt diese ironische Aussage; denn das, was 1959 galt, also noch vor dem Zweiten Vatikanum, das gilt genau so auch heute. Vielleicht hat sich die Sprache etwas verändert – zum Beispiel ist das Scharf-s weitgehend verschwunden! – aber am Inhalt des Glaubens hat sich nichts verändert, auch wenn sich neue Aspekte eröffnet haben. Aber dann eben sind sie in der Kontinuität dessen aufzugreifen und umzusetzen, was wir den Stamm oder die Wurzel des Glaubens nennen.

Versiegle dieses Buch nicht! Denn die Zeit ist nahe. Wer Unrecht tut, tue weiter Unrecht, der Unreine bleibe unrein, der Gerechte handle weiter gerecht und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit. Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. (22,10-12).

Der Heilige Vater, Papst Franziskus fragt: Wie wissen wir, ob etwas vom Heiligen Geist kommt oder ob es im Geist der Welt oder im Geist des Teufels seinen Ursprung hat? Die einzige Methode ist die Unterscheidung, die nicht nur ein gutes Denkvermögen und
einen gesunden Menschenverstand voraussetzt. Sie ist auch eine Gabe, um die man beten muss. Wenn wir sie vertrauensvoll vom Heiligen Geist erbitten und uns zugleich darum bemühen, sie durch Gebet, Betrachtung, Lektüre und guten Rat zu entfalten, können wir sicherlich in dieser geistlichen Fähigkeit wachsen.

Dem füge ich gerne bei: Deshalb bitten wir den Herrn um Durchhaltevermögen, Geduldund Sanftmut – und – um die Gabe der Unterscheidung.

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