Aschermittwoch, 6.3.19 “Zerreist eure Herzen…”
Predigt von Bischof Vitus am Aschermittwoch, 6. März 2019, in der Kathedrale in Chur
Quelle
Bistum Chur (472)
Brüder und Schwestern im Herrn
Zerreisst eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott (Joël 2,13). Gott gegenüber dürfen wir nicht formell bleiben. Da gibt es keine formelle Höflichkeit, wie wir sie gelegentlich in unserem Alltag anzuwenden pflegen, und dies vielleicht auch mit Recht. So sagen wir etwa bei einer Einladung: Ich muss hingehen, obwohl es mir nichts sagt. Oder in gewissen Situationen rechtfertigen wir uns: Ich muss den Anstand bewahren, obwohl ich anders denke. Die äussere Form spielt in unserem Alltag eine grosse Rolle.
Vor dem Herrn gelten andere Regeln. Es gilt vor allem die Regel der Aufrichtigkeit, der Lauterkeit und der Ehrlichkeit. Vor dem Herrn können wir nichts verbergen oder mit einer Form überdecken. Eine äussere Form nützt nichts. Ja, nur eine äussere Form bewahren wollen, ist sogar schädlich. Denn dann müssten wir den Vorwurf Jesu entgegennehmen: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir (Mt 15,8; vgl. Jes 29,13).
So ist auch das Zerreissen des Kleides, eine alttestamentliche Praxis, als Ausdruck des Schmerzes und der Reue, wenig sinnvoll, wenn das Herz nicht mitgeht und es nur ein äussere Form bleibt. Das schaut dann mehr nach Theater als nach Anteilnahme aus, oder, wie Jesus es im heutigen Evangelium sagt: Es ist ein zur Schau stellen (vgl. Mt 6,1), wie wir noch in der früheren Einheitsübersetzung nachlesen können. Es ist nicht der ehrliche Ausdruck unseres Denkens und Wollens und unseres Empfindens.
Wir beginnen heute die Fastenzeit, die Zeit der vierzig Tage, wie sie die lateinische Überlieferung nennt. Es ist eine Zeit der Erneuerung unserer christlichen Identität. Denn diese Identität kommt in unserem Alltag schnell einmal abhanden, da wir nicht in einer heilen Welt leben.
Um unsere christliche Identität zu erneuern, besinnen wir uns auf das, was wir durch den Tod unseres Herrn geschenkt bekamen, was uns durch das Sakrament der Taufe vermittelt wurde und auf was wir uns mit dem Glaubensbekenntnis verpflichtet haben. Wir stellen uns die Frage, ob wir unser Leben wirklich nach jenem ausgerichtet haben, der, um uns zu erlösen, Mensch geworden ist, für uns gelitten hat und für uns die Schande des Kreuzes auf sich genommen hat. Deshalb ist die Fastenzeit insbesondere jene Zeit, da wir den Mann der Schmerzen, den Ecce homo betrachten. Dabei gilt das Wort des Propheten: Zerreisst eure Herzen, nicht eure Kleider. Wir bleiben nicht bei einer äusseren Andacht stehen. Sondern durch eine äussere Andacht bitten wir den Herrn um die Reinheit des Herzens und um einen Wandel der Gesinnung. Wir lassen uns im Herzen vom Leiden und Sterben unseres Herrn berühren. Wir lassen uns die Asche auflegen, um zum Ausdruck zu bringen, dass wir es mit unserem Glauben ehrlich meinen.
Amen.
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