Gedanken zum Weihnachtsfest – 1914-1944-2014

Weihnachtsansprachen von Benedikt XV. und Pius XII.

Rom, Britta Dörre

Papst Franziskus wird heute Abend um 21.30 Uhr die Christmette am Hochfest der Geburt des Herrn feiern. Eines der möglichen Themen, das der Heilige Vater in der Predigt behandeln könnte, ist das Thema Friede. Papst Franziskus setzt sich seit dem Beginn seines Pontifikats unermüdlich für den Frieden unter den Menschen ein. Er mahnt immer wieder die Verletzung der Menschenrechte und -würde an und zeigt sich äusserst sensibel für soziale Missstände. Unermüdlich fordert er die Menschen auf, sich gemeinsam durch den Dialog miteinander für einen dauerhaften Frieden auf der Welt einzusetzen.

Angesichts der weltweiten Krisen- und Kriegsgebiete ist das Thema Friede eines der dringlichsten unserer Zeit. Das stimmt umso nachdenklicher, da der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erst 75 Jahre und der des Ersten Weltkriegs 100 Jahre zurückliegt.

Als Papst Benedikt XV. (1914-1922) sich am 24. Dezember 1914 mit einer Ansprache an das Kardinalskollegium richtete, war er erst seit drei Monaten Papst Pius X. auf den Stuhl Petri gefolgt und war sogleich mit den Kriegswirren des Ersten Weltkriegs konfrontiert, der Europa in seinen Grundfesten erschüttern sollte.

Kein Wunsch sei dem Weihnachtsfest so zu eigen wie der nach Frieden, so erklärte Papst Benedikt XV. und wies ausdrücklich auf die “schmerzlichen Ereignisse“ hin, “die seit gut fünf Monaten die ganze Welt in Trauerkleidung hüllen.“ In vielen Gebieten bestimmten das Gerassel der Waffen und der Schlachtenlärm den Alltag.

Papst Benedikt XV. war sich seiner verantwortungsvollen Aufgabe mehr als bewusst und bekräftigte, das Werk Jesu als Friedensstifter unter den Menschen während seines Pontifikats fortsetzen zu wollen: “Wir, sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich, werden keinen Weg unversucht lassen, bis der Rat, der Wille, das Bedürfnis nach Frieden gut aufgenommen werden.”

Für das Weihnachtsfest hatte sich der Vatikan für einen Waffenstillstand unter den verfeindeten Kriegsparteien eingesetzt, um den Menschen eine Atempause von “dem schwarzen Phantasma des Krieges” zu schenken. Das Vorhaben blieb erfolglos, was Papst Benedikt XV. tief bedauerte. Keinesfalls dürfe man sich entmutigen lassen.

Der Vatikan setzte sich für den Austausch von Kriegsgefangenen ein, die für den Kriegsdienst untauglich geworden waren. Sie sollten ausserdem seelsorgerisch von einem Priester, der ihrer Muttersprache kundig war, bereut werden.

Das Oberhaupt der katholischen Kirche sprach offen die Gräuel des Krieges an, der unendliches Leid und ein entsetzliches Blutvergiessen bedeutete, und wandte sich an die Regierenden, Gerechtigkeit, Frieden und guten Willen walten zu lassen. Er bat die Menschen, für den Frieden zu beten.

Dreissig Jahre später, am 24. Dezember 1944, richtete sich Papst Pius XII. (1939-1958) in einer Radioübertragung an die Gläubigen. Seine Ansprache trug den Titel “Das sechste Kriegsweihnachten“. Papst Pius XII. hob den freudigen Charakter des Weihnachtsfests gerade in der grausamen Kriegszeit hervor. Seit dem Ausbruch des “schrecklichen Krieges“ dringe in das Leid und Dunkel das Licht der Freude. “Die gesenkte Stirn hebt sich heiter, weil Weihnachten das Fest der menschlichen Würde ist … .“

Der Papst beschrieb in seiner Ansprache das Leid und Elend der Menschen, die Soldaten auf den Kriegsschauplätzen, die Gefallenen, die Vertriebenen und zahllosen Kriegsopfer, die verlassenen und zerstörten Städte. Die Menschheit bezeichnete er als “stumm“ und “blind“, sie habe sich willentlich von Christus abgewandt, sei in den Ruin gestürzt und habe auf die eigene Würde verzichtet. Dennoch gebe es inmitten all des Leids und Elends Hoffnung: Es werde immer deutlicher der Wunsch nach einer “grundlegenden Erneuerung“, “einer vollkommenen Neuordnung der Welt“ wach. Papst Pius XII. appellierte an die demokratischen Grundrechte der Bevölkerung. Die Bevölkerung sei erwacht und hinterfrage immer kritischer die Entscheidungen “des Monopols einer diktatorischen, unanfechtbaren und unantastbaren Macht“. Es würde der Ruf nach einem Regierungssystem laut, “das mehr mit der Würde und der Freiheit der Bürger vereinbar ist.“ Die vom Krieg durch und durch gezeichneten Menschen seien heute der Überzeugung, dass ein solcher Krieg hätte verhindert werden können, wenn entsprechende Kontrollmechanismen bestanden hätten. Papst Pius XII. unterstrich noch einmal die Bedeutung einer “wahren und gesunden Demokratie“, die den Bürgern Menschenrechte, Leben und Entwicklung garantiere. Jeder Bürger sei sich seiner Rechte und Pflichten, seiner Freiheit und des Respekts für die Freiheit des anderen und die Würde des anderen bewusst. Friede herrsche, wenn Einheit unter den Menschen entstehe.

Die Kirche leiste eine wichtigen Beitrag. “Sie lehrt und verteidigt die Wahrheit, verkündet die übernatürlichen Kräfte der Gnade, um die gottgewollte Ordnung für die Lebewesen zu errichten, tiefstes Fundament und direktive Norm jeder Demokratie.“

Ein Jahr später war der Zweite Weltkrieg beendet. Wieder richtete sich Papst Pius XII. in einer Radioansprache am 24. Dezember an die Gläubigen: “Frieden auf der Welt? Wahrer Friede? Nein, sondern nur der ‘Nach-Krieg‘, ein schmerzlicher Ausdruck und zu inhaltsschwer! Wie viel Zeit wird erforderlich sein, um das materielle und moralische Leiden zu heilen, wie viele Anstrengungen, um so viele Wunden vernarben zu lassen?”

69 Jahre später wird heute Abend Papst Franziskus sein Wort an die Gläubigen richten. Obgleich seit der Ansprache von Benedikt XV. 100 Jahre und den Ansprachen von Papst Pius XII. 70 bzw. 69 Jahre verstrichen sind, klingen die Probleme und Fragestellungen von damals immer noch erschreckend aktuell. Schliessen wir uns deshalb dem Aufruf von Papst Franziskus vom 9. November 2014 an und leisten wir unseren Beitrag, diese Welt zu einer besseren werden zu lassen:

“Ich bitte alle Menschen guten Willens mitzuhelfen, eine Kultur der Begegnung, der Solidarität und des Friedens aufzubauen.”

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